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Ausgabe:

Januar/2010

Spalte:

49-50

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Ebel, Eva

Titel/Untertitel:

Lydia und Berenike. Zwei selbständige Frauen bei Lukas.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2009. 208 S. m. Abb. 8° = Biblische Gestalten, 20. Kart. EUR 16,80. ISBN 978-3-374-02681-4.

Rezensent:

Lukas Bormann

Die Zürcher Neutestamentlerin Eva Ebel behandelt ein kontrast­reiches Paar: die Purpurhändlerin Lydia (Apg 16,14 f.40) und die Königin Berenike (Apg 25,13.23; 26,30). Die Frage nach der Attraktivität des Christentums für antike Frauen bildet die sachliche Klammer des Buches.
Lydia (21–76) war selbständig, beruflich erfolgreich und anpassungsfähig (29–33; 168: »Mittelschicht«). Sie zog aus »geschäftliche[n] Gründen« den Status der Gottesfürchtigen dem der Proselytin vor (43). Die Evangeliumsverkündigung des Paulus eröffnete ihr die Möglichkeit, die »führende Position« in der Gemeinde zu übernehmen (61). Ihre kirchengeschichtliche Wirkung blieb aber begrenzt. Im 2. Jh. setzte sich vermittelt durch Polykarp (Polyk 4,2 f.) auch in Philippi wieder ein »konservatives Frauenbild« durch (72). Die selbstbewussten Frauen dort bevorzugten nun diejenigen paganen Kulte, die den weiblichen Lebenszyklus thematisierten (72–76).
Berenike (77–167) gehörte der Oberschicht an. Die Urenkelin He­rodes’ des Großen ging zahlreiche Ehen und Beziehungen mit Persönlichkeiten der provinzialen Oberschicht ein (113–124). Als sie mit ihrem Bruder Agrippa II. den römischen Statthalter Festus in Caesarea besuchte, durfte Paulus vor dieser illustren Gesellschaft sprechen (153–167). Die jüdische Königin ließ sich nicht von seiner Botschaft überzeugen. Berenike ging später eine Liebesbeziehung mit Titus ein (130–147). Die Ehe mit dem Kaiser blieb ihr jedoch versagt.
Die Attraktivität des Christentums wird an der als Statusaufhebung verstandenen Taufformel Gal 3,26–28 bemessen (168–179). Für Lydia, die ehemalige Sklavin und die im Judentum nicht voll akzeptierte Gottesfürchtige, ist das Christentum »aus sozialen Gründen attraktiver« als für die Jüdin Berenike, die der Oberschicht angehört (176). Eine Aristokratin profitiert nicht davon, dass Statusunterschiede aufgehoben werden.
Details: Laodicea in Phrygien, nicht Lydien (25, Anm. 11); praefectus, nicht procurator Iudaeae (77.85 f.86, 115); Caesarea maritima ist Sitz des praefectus Iudaeae, nicht aber Hauptstadt der Provinz Syrien, d. i. Antiochien (77), erste Christengemeinde Europas eher Rom, nicht Philippi (181).
Das lehrreiche Buch stellt umsichtig historische und quellenkritische Informationen zusammen und gibt einen Einblick in die Haltungen, mit denen rational handelnde Frauen dem paulinischen Evangelium gegenüberstanden. Eine theoretische Reflexion der Leitkategorie »Attraktivität« im Horizont der religionssoziologisch gewendeten Rational-choice-Theorie (R. Stark) könnte wei­terführen.