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Ausgabe:

Januar/2010

Spalte:

32-34

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Keita, Katrin

Titel/Untertitel:

Gottes Land. Exegetische Studien zur Land-Thematik im Hoseabuch in kanonischer Perspektive.

Verlag:

Hildesheim-Zürich-New York: Olms 2007. 358 S. 8° = Theologische Texte und Studien, 13. Kart. EUR 44,00. ISBN 978-3-487-13587-8.

Rezensent:

Eberhard Bons

Die Studie ist eine leicht überarbeitete Version einer Dissertation, die von Frank Crüsemann betreut und Ende 2006 von der Kirchlichen Hochschule Bethel angenommen wurde. Das gewählte Thema ist zwar bisher in Artikeln oder Kommentaren, aber noch niemals monographisch behandelt worden. Daher füllt die Arbeit eine Lücke in der aktuellen Forschung zum Buch Hosea. Die Untersuchung gliedert sich in drei Teile: »Einleitung« (11–48), »Das Land im Hoseabuch« (49–255), »Kanonische Weiterführung« (257–332). Alle Unterabschnitte werden mit Zusammenfassungen abgeschlossen, die die wichtigsten Ergebnisse bündeln. Das Buch endet mit einem Abschnitt »Zusammenfassung und Ausblick« (333–336) sowie mit einem Literaturverzeichnis. Ein Bibelstellenregister fehlt.
Die Einleitung dient dazu, in Forschungsstand und Thematik einzuführen, begründet aber auch die exegetische Perspektive, aus der die Aussagen des Hoseabuches zum Thema »Land« analysiert werden. Diese sind für die Vfn. »Teile eines – Kap. 1–14 umfassenden– mosaikhaften Ganzen« (22), das nicht das Ergebnis verschiedener Redaktionsstufen sei. Abgesehen von wenigen Zusätzen, die sich auf Juda beziehen, sei der Text vielmehr von einer oder mehreren Personen in relativ kurzer Zeit im Nordreich Israel vor der Katastrophe von 722 v. Chr. verfasst worden (23–26). Zwar war eine solche Auffassung von der Genese des Hoseabuches lange Zeit Konsens in der Exegese. Neuerdings mehren sich jedoch die redaktionskritischen Analysen, die diesen Konsens infrage stellen; vgl. aus jüngster Zeit S. Rudnig-Zelt, Hoseastudien, Göttingen 2006; R. Vielhauer, Das Werden des Buches Hosea, Berlin-New York 2007. Gern erführe man, wie die Vfn. diese Arbeiten beurteilt und ob sich aus ihnen Einwände gegen ihre eigene Ausgangsthese von der weitgehenden Einheitlichkeit des Textes ergeben. Da die genannten Studien aber nicht einmal zitiert werden, kommt eine Diskussion mit solchen konträren Positionen nicht zustande.
In der Einleitung begründet die Vfn. auch die Textauswahl. Sie behandelt die Passagen, in denen die Begriffe ץרא (»Land, Erde«) und המדא (»Erdboden«) vorkommen (abgesehen von den Stellen, wo ץרא sich auf Assur oder Ägypten bezieht), ferner die Abschnitte, in denen sich verwandte Begriffe wie »Haus Israels«, »Ephraim« oder geographische Termini wie »Wüste« und »Berge« finden, schließlich auch die Exilsankündigungen. Diese verschiedenen Stellen werden jedoch nicht in der Reihenfolge analysiert, wie sie das Buch vorgibt, sondern nach thematischen Kriterien sortiert. Dabei ergeben sich für die Vfn. folgende sieben Themenbereiche, die zugleich die Kapitel des zweiten Teils »Das Land im Hoseabuch« bilden: »Das Land als Volk – das Land als Frau« (1,2; 2,4 f.; 4,1–3), »Losgelöst vom Land: Wüste und Zelte« (2,16 f.; 9,10; 12,10; 13,4–6), »Die Berge des Landes« (4,13; 10,8), »Die Namen des Landes« (5,8–10; 6,7–10), »Der Verlust des Landes: Exil« (7,11; 8,13; 9,6.17), »JHWHs Land – Israels Land« (8,1; 9,3.15; 10,1), »Die Zukunft des Landes« (2,1–2.20.23–25). Ein an thematischen Kriterien orientiertes Verfahren ist zwar grundsätzlich vertretbar, hat jedoch den Nachteil, dass benachbarte Verse an verschiedener Stelle analysiert werden (etwa 10,1 und 10,8). Problematischer ist aber ein Versäumnis: Warum die Vfn. nirgendwo die Aussagen von Hos 14,6–9 behandelt, auch nicht im letzten Abschnitt »Die Zukunft des Landes«, bleibt offen.
Die Analysen der einzelnen Aussagen zum Thema des Landes orientieren sich weitgehend an den Methoden der synchronen Exegese. Grammatischen, lexikalischen und stilistischen Phänomenen wird mit Recht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die wichtigsten Re­ferenzwerke sind Kommentare wie die von W. Rudolph (KAT), H. W. Wolff (BK), J. Jeremias (ATD) und F. I. Andersen und D. N. Freedman (AncB). Nicht berücksichtigt werden mehrere fremdsprachige Kommentare (z. B. G. I. Davies, Hosea, Grand Rapids 1992, oder D. Stuart, Hosea – Jonah, Waco 1987), ebenso wenig die Arbeiten zu Textkritik und -geschichte, die angesichts der zahlreichen rätselhaften Stellen unbedingt zu konsultieren wären (z. B. P. G. Borbone, Il libro del Profeta Osea, Turin 1990; D. Barthélemy, Critique textu­elle de l’Ancien Testament, Bd. III, Fribourg-Göttingen 1992, 497–627).
Obwohl die Ergebnisse der Einzelexegesen oft durchaus konsensfähig sind, sind einige Einwände notwendig: 1. Hinter den »fremden Göttern« in Hos 2 verbergen sich angeblich ausländische Mächte, zu denen die Reichen in Israel ökonomische und politische Beziehungen pflegten (68). Aber gelten diesen Mächten dann auch die Rauchopfer, von denen in Hos 2,15 die Rede ist? 2. Mit der Verehrung Baal-Peors (Hos 9,10) verbindet sich die Idee der Gier (Verbalwurzel ראפ »den Mund aufsperren«, vgl. 98). Davon erfährt man aber nichts im unmittelbaren Kontext der Stelle, während sonst das Hoseabuch gern Wortspiele mit morphologisch ähnlichen Wurzeln bildet (z. B. Hos 9,16). 3. Die in Hos 9,6 nach Ägypten fliehenden Israeliten gehören der Oberschicht an und sind dort wegen ihres Silbers willkommen (173). Dass aber Ägypten das Silber der Reichen Israels erbt, wird keineswegs gesagt. Vielmehr nehmen die Dornen das in Besitz, was den Israeliten für ihr Silber begehrenswert erschien, d. h. wohl Götterbilder und Kultorte. 4. Zur angeb­lichen Gier Israels passt auch, dass man die Überschüsse der landwirtschaftlichen Produkte ins Ausland verkaufen wollte, um mit dem Gewinn Produkte zu erwerben, die man selbst nicht besaß (212). Gewiss sind solche Praktiken nicht a priori undenkbar, auch nicht für das 8. Jh. v. Chr. Aber erlaubt ein Text wie Hos 10,1 eine derartige Interpretation? 5. Mit den Waffen, die YHWH nach Hos 2,20 zerbricht, sind die Waffen Israels, nicht diejenigen der militärischen Gegner gemeint (230). Aber warum soll Israel nach Hos 2,20 in Sicherheit schlafen können? Doch wohl nicht, weil ihm eigene Waffen fehlen, sondern weil fremde Waffen es nicht bedrohen.
Als wichtigstes Ergebnis dieser Analysen bleibt festzuhalten, dass YHWH auf die Profitgier der herrschenden Schichten Israels, die auf die Erzeugung von Überschüssen abzielen, mit einer einschneidenden Maßnahme antwortet: Um die Profitgier Israels zu immunisieren, schickt er es in die Wüste zurück. So stehen sich also zwei konträre Landkonzeptionen gegenüber: einerseits Profitgier, Aufrüstung und Gewalt, andererseits ein sicheres Wohnen im Land, das nur YHWH gewähren kann (250–253). Dass im Hoseabuch verschiedene Landkonzeptionen miteinander konkurrieren, steht außer Zweifel. Ob sie aber so abzugrenzen sind, wie die Vfn. es annimmt, ist fraglich. Die Ergebnisse sind darum nicht besser als ihre Prämissen.
»In kanonischer Perspektive« behandelt die Vfn. zuletzt die Land­konzeptionen im Amosbuch, im übrigen Dodekapropheton sowie in Gen 1–3. Besonders im Schöpfungsbericht erkennt sie Be­rüh­rungspunkte mit dem Hoseabuch: Gott pflanzt (Gen 2,8) und sät ein (Hos 2,25) (318), von Nacktheit ist in Gen 2,25 und Hos 2,5 die Rede (319), der Zaun in Hos 2,8 korrespondiert mit der Vertreibung aus dem Paradies (320) usw. Aufgrund dieser und anderer Parallelen habe der sog. jahwistische Schöpfungsbericht das Hoseabuch ge­kannt (330). Die Tragfähigkeit dieser Hypothese ist fraglich.