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Ausgabe:

Dezember/2009

Spalte:

1400

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Ritter, Werner H., Hanisch, Helmut, Nestler, Erich, u. Christoph Gramzow

Titel/Untertitel:

Leid und Gott. Aus der Perspektive von Kindern und Jugendlichen.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006. 230 S. 8°. Kart. EUR 16,90. ISBN 978-3-525-61592-8.

Rezensent:

Christian Grethlein

Das Forscherteam, das auf verschiedene Vorarbeiten in Bayreuth und Leipzig aufbauen konnte, ging der Frage nach, »was Gott nach der Auffassung von Heranwachsenden mit dem Leid zu tun hat« (9). Konkret wollten die Forscher – motiviert durch eingangs stehende biographische Erinnerungen Werner Ritters – die These Nipkows überprüfen, die Theodizee-Frage sei eine der »Einbruchstellen für den Verlust des Gottesglaubens« bei Jugendlichen (K. E. Nipkow, Erwachsenwerden ohne Gott? Gotteserfahrung im Le­benslauf, München 1987, 49). Damit stand auch die Gültigkeit der Stufenmodelle religiöser Entwicklung (hier vor allem das von F. Oser) zur Disposition.
Eine kurze Skizze der bisherigen philosophischen, theologischen und religionspädagogischen Forschungsgeschichte zur Theodizee-Frage arbeitet wesentliche Argumentationen heraus und führt so gut in die Sachthematik ein (29–72). Auf diesem Hintergrund befragten im Winter 2002/03 die Verfasser mit ihren Mitarbeitenden 199 Kinder und Jugendliche in Leipzig sowie 193 in Nürnberg, die dort in evangelischen Schulen die 4., 6., 8., 10. und 12. Klasse besuchten. Dabei wurde den Schülern und Schülerinnen eine dilemmaähnliche »Leiderzählung« (83–85) vorgestellt, die diese in kleinen Gruppen anhand von vier vorgegebenen Leitfragen diskutierten (genauer Stundenablauf ist dokumentiert: 215–217).
Die Auswertung der entsprechenden Protokolle ergab, »dass die Theodizeefrage im Wesentlichen unabhängig vom Alter der Schülerinnen und Schüler angesprochen und diskutiert wird, jedoch bei weitem nicht die Brisanz besitzt, die in früheren Untersuchungen, etwa von Karl Ernst Nipkow, beobachtet wurde« (149). Auf keinen Fall kann bei der Theodizee-Frage heute noch von einer »Einbruchstelle« für den Verlust von Glauben bei Heranwachsenden gesprochen werden. Der Verlust an Plausibilität eines theistischen Gotteskonzepts (154) bei gleichzeitiger Zuwendung zu deistischen Vorstellungen (161) wird als zeitgeschichtlicher Hintergrund genannt. Auch bei den Stufentheorien zeigte sich – stärker als bisher angenommen – eine starke Verhaftung in ihrer Entstehungszeit. Dieser empirisch sorgfältig gesicherte (und auch in seinen durch das Un­tersuchungs-Setting gegebenen Grenzen markierte) Befund wird dann noch ansatzweise religionssoziologisch gedeutet und in – eher allgemeine – fachdidaktische Überlegungen überführt.