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Ausgabe:

Dezember/1996

Spalte:

1181–1183

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Liddy, Richard M.

Titel/Untertitel:

Transforming Light. Intellectual Conversion in the Early Lonergan

Verlag:

Collegeville: The Liturgical Press 1993. XXII, 225 S. 8° = A Michael Glazier Book. Kart. £ 13.75. ISBN 0-8146-5839-3

Rezensent:

Giovanni B. Sala S. J.

Mit "intellektueller Bekehrung" bezeichnet Bernard Lonergan SJ (vgl. auch Theologische Literaturzeitung 115, 1990, 532-534) den Übergang von der Auffassung, daß das Reale das "Jetzt schon da draußen" ist, das sich als für unser biologisch-psychisches Leben relevant erweist, zu der Auffassung, daß das Reale das Sein ist ­ wobei unter Sein L. all das versteht, "was durch intelligentes Erfassen und vernünftiges Bejahen zu erkennen ist" (Insight 391). Von diesem Übergang schreibt L. in der Einleitung zu dem Werk, in dem seine eigene intellektuelle Bekehrung ihre reife Darlegung gefunden hat, "Insight. A Study of Human Understanding", daß man den Unterschied zwischen den genannten Auffassungen noch nicht erfaßt hat, "wenn man keine klare Erinnerung der bestürzenden Merkwürdigkeit" einer solchen Entdeckung hat (XXVIII). Vorliegendes Werk geht dem Werdegang dieser Bekehrung nach, wie L. sie in sich selbst vollzogen und in seinen Frühschriften zum Ausdruck gebracht hat. Es handelt sich also um eine intellektuelle Biographie, die den philosophischen Aspekt eines Denkers in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit stellt, der sein Leben lang Theologie doziert hat. Das klar geschriebene und gut dokumentierte Werk kann sowohl zur Einführung als auch zur Vertiefung in die Schriften L.s gute Dienste leisten.

Der lange Weg L.s zur reflexen Aneignung jener Tätigkeit, die jeder Mensch spontan ausübt, wenn er wissen will, wie es mit einer Sache wirklich steht, begann mit dem Studium der Philosophie in Heythrop bei Oxford. Die damals übliche scholastische Philosophie Suarezianischer Prägung enttäuschte L. Viel mehr Interesse hatte er an den mathematischen Vorlesungen und den klassischen Sprachen; er studierte das Werk von H. W. B. Joseph "An Introduction to Logic"; vor allem aber fand er in J. H. Newmanns "Grammar of Assent" einen Mentor, der ihn auf die Fakten des Bewußtseins aufmerksam machte. In den folgenden Jahren während seiner Tätigkeit als Lehrer in Montreal fand L. Zeit, die früheren Dialoge Platos zu lesen. Die Methode von Wissenschaft und Philosophie erwies sich ihm als ein Prozeß von Frage und Antwort, dessen Norm die Intelligenz ist. Der Strang aus Plato wurde weiter gezogen durch die Lektüre der Dialoge, die Augustinus unmittelbar nach seiner Bekehrung verfaßte. Bei Augustinus wurde L. vor allen durch dessen Entdeckung beeindruckt, daß "Reales" und "Körper" nicht deckungsgleich sind sowie durch die Ausführungen über Wahrheit.

1933 wurde L. nach Rom zum Studium der Theologie gesandt. Erst jetzt gelangte er zu einer näheren Kenntnis und einer positiveren Einschätzung von Thomas von Aquin. Zu dieser Begegnung mit Thomas wurde L. von mehreren Seiten veranlaßt. Zuerst einige Aufsätze von Peter Hoenen, dem Professor der Naturphilosophie, der in einer Untersuchung über unsere Erkenntnis in der Geometrie den Akt des "intelligere in sensibili" hinter der langen konzeptualistischen Tradition wieder in den Blick bekommen hatte. Ein zweiter Einfluß, vermittelt durch einen Kommilitonen, kam von J. Maréchal, der auf den diskursiven und dynamischen Aspekt der menschlichen Erkenntnis bei Thomas hingewiesen hatte. Den entscheidenden Impuls bekam L. von der Vorlesung über Christologie, näherhin von der These, daß das Dogma von der einen, göttlichen Person Jesu Christi in zwei Naturen die reale Distinktion zwischen Essenz und Existenz voraussetzt.

Der übrige Teil des Buches (121 ff.) untersucht die intellektuelle Bekehrung in den Schriften, die L. nach dem Grundstudium der Theologie verfaßte, bis er 1953 sein Hauptwerk abschloß. Die erste Schrift war die Doktorarbeit über einige Elemente der Gnadenlehre bei Thomas. Im Lehrsatz von der Transzendenz Gottes, der jenseits der kreatürlichen Unterscheidung von Notwendigkeit und Freiheit liegt, fand L. einen weiteren Anstoß, um rationale Bejahung und imaginative Vorstellung scharf zu unterscheiden. Die endgültige schriftliche Ausarbeitung der intellektuellen Bekehrung geschah in einer umfangreichen Untersuchung über die Lehre vom "verbum" bei Thomas als Grundlage für dessen Theologie vom Bild des dreifaltigen Gottes im menschlichen Geist. Besonders wichtig war für L. die Entdeckung, daß der metaphysische Rahmen, in dem Thomas seine Lehre von Erkennen und Wollen systematisch entwickelt, in der Tat auf introspektiv feststellbaren bewußten Handlungen beruht. Dadurch wurde die Auffassung von der menschlichen Erkenntnis als einer Art Anschauung definitiv zugunsten der Auffassung überwunden, demzufolge die menschliche Erkenntnis in einer dreigliedrigen Struktur aus Erfahrung, Einsicht und Urteil besteht. Der Vf. schließt sein Werk mit einer Würdigung von "Insight" ab, das die gleiche Position wie in "Verbum" vertritt, diesmal aber im gegenwärtigen Kontext von Mathematik, Naturwissenschaft und Humanwissenschaften. Die Darlegung der intellektuellen Bekehrung nimmt hier die Form eines Essays an, der eine Aufforderung und eine Hilfe für den Leser sein will zur persönlichen Aneignung derjenigen intelligenten, rationalen und verantwortlichen Dynamik, die ihn zur Person macht. Ein Buch also eher zum Üben als zum Lesen. Es sei hier darauf hingewiesen, daß das Hauptwerk L.s jetzt auch in einer wissenschaftlich zuverlässigen deutschen Übersetzung beim Junghans Verlag von Cuxhaven vorliegt. Die Relevanz der intellektuellen Bekehrung für die Theologie hat L. in seiner späteren "Methode in der Theologie" (37), mit dem Hinweis darauf zum Ausdruck gebracht, "daß Theologien von Theologen hervorgebracht werden, daß Theologen einen Verstand haben und ihn gebrauchen und daß dieses ihr Tun nicht ignoriert oder übergangen, sondern ausdrücklich in sich selbst und in seinen Implikationen anerkannt werden sollte".