Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Dezember/2009

Spalte:

1358–1359

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Weedman , Mark

Titel/Untertitel:

The Trinitarian Theology of Hilary of Poitiers.

Verlag:

Leiden-Boston: Brill 2008. VIII, 219 S. gr.8° = Supplements to Vigiliae Christianae, 89. Geb. EUR 99,00. ISBN 978-90-04-16224-2.

Rezensent:

Jörg Ulrich

Seit der Monographie von Pierre Smulders Mitte des letzten Jh.s hat es eigentlich keinen Versuch einer theologiegeschichtlichen Ge­samtwürdigung der Trinitätslehre des gallischen Bi­schofs Hilarius von Poitiers mehr gegeben. Mark Weedman legt nun mit seiner als Ph.D.-Dissertation bei Michel Barnes (Marquette University, Milwaukee) begonnenen, dann aber wesentlich weiter geführten Studie einen solchen Entwurf vor, wobei er die gesamte neuere Forschung im kirchengeschichtlichen und -politischen (Brennecke) wie im theologischen (Doignon, Burns, Hanson) Bereich umsichtig aufnimmt und als Grundlage seiner Darstellung nutzbar macht.

Die ersten vier Kapitel arbeiten die Voraussetzungen und das historische und kirchenpolitische Umfeld der Trinitätstheologie des Hilarius auf. Zu den Voraussetzungen zählt der westliche Anti-Modalismus, wie er sich im (frühen, vorexilischen) Matthäuskommentar findet (25–43). Diese Position gerät mit dem Beginn der homöischen Krise und den westlichen Reaktionen auf die Formel von Sirmium 357 in Bewegung, wie sich an den Reaktionen eines Phoebadius von Agen und Marius Victorimus zeigt (44–73). Für Hilarius lässt sich die Entwicklung seiner Trinitätstheologie im Spiegel seiner frühen Auseinandersetzung mit den Homöern im Liber adversus Valentem et Ursacium und in De fide (74–91) und dann an seinem großen Werk De synodis (92–115) ablesen. Diese Texte geben wiederum die Voraussetzung für die späte theologische Hauptschrift De Trinitate ab, welche in den Kapiteln 5 bis 8 der vorliegenden Monographie traktiert wird.

Für die Trinitätstheologie des Hilarius arbeitet W. sodann überzeugend vier Grundlinien heraus, nämlich die polemische Schriftauslegung (119–135; hier ist vor allem an die Diskreditierung der Homöer als »Arianer« zu denken), die Begriffe des »Namens« und der »Geburt« als Parameter für die Konstruktion der Trinitätslehre nach homöusianischem Vorbild (136–156), das Problem der Inkarnation und Passion des Sohnes (157–179) und schließlich die Frage nach der »ewigen Zeugung« des Sohnes im Ringen um die richtige Interpretation des alten arianischen locus classicus Prov 8,22 (180–195). Am Ende steht eine klare Analyse der Entwicklung des trinitarischen Denkens des (wie so manch andere westliche Theologen vor Ambrosius und Augustin bisweilen etwas unterschätzten) Bischofs von Poitiers.

Die Ergebnisse der Analysen W.s sind reichhaltig und können hier nur knapp genannt werden. Mit einiger Genugtuung bemerkt man, dass die Diskreditierung der Homöer als »Arianer« durch spätere Pronizäner nun offenbar endgültig aus dem Bereich der Theologiegeschichtsdarstellungen entfernt und der Häreseographie, in die sie gehört, zugeordnet ist. Besser als bislang steht uns durch die Arbeit W.s nunmehr der Zusammenhang zwischen den trinitarischen Ansätzen des Basilius von Ankyra (und der »Homöusianer«) und des Hilarius von Poitiers vor Augen. Sehr hoch einzuschätzen ist der Einfluss, den das westliche Exil seit 356 auf das Denken des Hilarius gehabt hat. Dies war seit Langem bekannt (Ulrich), ist durch die hier vorliegende Arbeit aber noch einmal genauer nachgewiesen und inhaltlich profiliert worden; etwas überspitzt könnte man sagen, dass das Exil Hilarius vielleicht zu demjenigen Zeitgenossen gemacht hat, der von allen theologisch am besten mit der homöisch-pronizänischen Kontroverse und all ihren Facetten vertraut war. Theologiegeschichtlich hat die Arbeit W.s den engen Zusammenhang zwischen christologischen Problemen und solchen der Trinitätstheologie neu sehen gelehrt. Ohne Auseinandersetzung auch mit der Christologie des Arius (Böhm) und der der homöischen Theologen der 50er Jahre (Brennecke) waren die Entwicklung neuer Konzepte für die Trinitätslehre und letztlich die »Wiederentdeckung« des Nizänums in neuer Interpretation nicht zu haben. Vielleicht muss man die eingeführten systematischen Kategorisierungen von »Christologie«, »Trinitätslehre« und auch »Soteriologie« einmal methodisch aussetzen, wenn man die Debatten des 4. Jh.s in ihrer Komplexität wirklich verstehen will. Einige Aspekte, die in der bisherigen Diskussion um die Trinitätstheologie des Hilarius unterbestimmt waren, sind durch W.s Buch in ihrer Bedeutung ganz neu hervorgetreten. Dies gilt insbesondere für das in Kapitel 6 Ausgeführte.

Insgesamt handelt es sich um ein wirklich empfehlenswertes Buch, das seinen Weg in die zukünftigen Darstellungen der Kirchengeschichte insgesamt und des arianischen Streits im Besonderen finden sollte, weil es das bietet, was eine gute patristische Monographie eben bieten sollte: Es leistet einen soliden und zu­gleich anregenden Beitrag für ein Segment der Forschung, in diesem Falle für die Frage nach der westlichen Rezeption der trinitätstheologischen Auseinandersetzungen im 4. Jh. und der theologiegeschichtlichen Rolle des Bischofs Hilarius von Poitiers in diesem Prozess.