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Ausgabe:

Dezember/2009

Spalte:

1353–1356

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Heither, Theresia u. Christiana Reemts

Titel/Untertitel:

Adam.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2007. 336 S. gr.8° = Biblische Gestalten bei den Kirchenvätern. Geb. EUR 36,00. ISBN 978-3-402-04387-5.

Rezensent:

Katharina Greschat

Der Band führt die im Jahre 2005 mit Abraham begonnene Reihe der Biblischen Gestalten bei den Kirchenvätern fort (vgl. dazu die Rezension von Holger Strutwolf in ThLZ 131 [2006], 1266–1268). Die Reihe hat sich die Aufgabe gestellt, »die Art und Weise, wie die großen Theo­logen der frühen Christenheit die Bibel lasen, vorzustellen und so zu einer geistlichen Schriftauslegung in unserer Zeit Anregungen zu geben« (6). Mit diesem doppelten Anliegen wird insofern voll und ganz ernst gemacht, als die beiden Verfasserinnen von der Voraussetzung ausgehen, dass es sinnvoller sei, eine möglichst große Zahl an griechischen und lateinischen Kirchenvätern zu Wort kommen zu lassen, als nur einen einzigen Autor bzw. eine Schule darzustellen (12), weil die Theologie dieser Kirchenväter im Unterschied zur zeitgenössischen Theologie »insgesamt … von der Nähe zum Ursprung, der ständigen Auseinandersetzung mit der Schrift und einem ganzheitlichen, aller scholastischen Fächerdifferenzierung vorausliegenden Verständnis des Christusereignisses« (12) geprägt ist. Zentraler hermeneutischer Schlüssel all dieser Texte sei demnach der durch­gehende Bezug auf Christus, weswegen die Väter »ganz unter­schied­liche, weit auseinander liegende Schriftstellen miteinander verknüpfen« (12), sie »ohne Anspruch auf Unfehlbarkeit« (13) geradezu spielerisch in Beziehung setzen und allegorisch interpretieren. Dieses Schriftverständnis der Kirchenväter soll – nach dem Willen der Verfasserinnen – mit dem modernen Wirklichkeits- und christlichen Selbstverständnis konfrontiert werden, um den Lesern Anregungen zur eigenen Beschäftigung mit den Texten und zum Weiterdenken zu bieten. Eine etwas differenzierte Einführung in den von den Kirchenvätern geübten Umgang mit der Schrift wäre an dieser Stelle jedoch dringend geboten gewesen, um dem nicht unbedingt fachkundigen Leserkreis, an den sich diese Reihe ja in erster Linie richtet, genaueren Aufschluss über diese Auslegungsmethode, ihre Möglichkeiten und Grenzen auch innerhalb ihres historischen Kontextes zu geben.

Der erste Teil – verfasst von Christiana Reemts – behandelt un­ter der Überschrift: »Adam – der Mensch am Anfang« (18–106) – einige Schwerpunkte und anthropologische Grundlagen der Auslegung von Gen 1–3, wobei Eva merkwürdigerweise gar nicht eigens thematisiert wird, denn zu ihr »gebe es sehr viel weniger Material, da Eva auch Adam ist, so dass alles, was zu Adam gesagt werden kann, sie ebenfalls betrifft, während von ihr selbst kaum etwas Eigenes in der Bibel berichtet wird« (12). Reemts präsentiert eine Fülle an Aussagen über die Geschöpflichkeit des Menschen, seine Gottebenbildlichkeit, das Verhältnis von Leib und Seele und das Paradies als Wohnort der ersten Menschen, die in ihren Augen deutlich machen, »dass wir von Adam nicht nur die Sünde geerbt haben, sondern auch die Gottebenbildlichkeit und damit den verantwortungsvollen Auftrag, Gott in der Welt gegenwärtig darzustellen« (105).

So anregend die Lektüre der gebotenen Texte auch sein mag, so stellt sich doch das Problem, dass Reemts notwendigerweise ge­zwungen ist, eine solche, das augustinische Erbe korrigierende und ergänzende Sichtweise erst zu konstruieren. Darüber hinaus leidet die systematisierende Darstellung darunter, dass der historische Kontext der hier zusammengestellten Aussagen nur sehr selten erwähnt wird. Dabei ist es gerade der Beginn der Genesis, um dessen Auslegung nicht nur in den ersten Jahrhunderten sehr heftig gestritten wurde; viele der genannten Kirchenväter profilierten ihre Ansichten in der Auseinandersetzung und Abgrenzung. Manchmal wird gleichsam zögernd darauf hingewiesen, wenn es etwa heißt: »Clemens von Alexandrien sieht sich von gnostischen Theologen vor die Frage gestellt, ob Adam ein vollkommener oder ein unvollkommener Mensch war« (86). Doch eine weitergehende Problematisierung, inwiefern das, was hier allzu selbstverständlich als die Auslegung der Kirchenväter präsentiert wird, das Ergebnis eines langen Prozesses gewesen ist, findet nicht statt. Der Leser erfährt nicht, dass etwa Augustin nahezu sein ganzes Leben mit der Auslegung der Genesis, in der Auseinandersetzung mit den Manichäern und darüber hinaus, gerungen hat, und er erfährt auch nicht, dass etwa Tertullian seine frühere Auslegung von Gen 2,7 zum Wesen der menschlichen Seele (69–74) im Streit mit unterschiedlichen zeitgenössischen Theologen voll und ganz revidiert hat. Kirchenväter zeichnen sich für die Verfasserinnen offensichtlich dadurch aus, dass sie einigermaßen statische Figuren sind. Wer zu dieser Gruppe zählt und wer nicht, bleibt letztlich unscharf; deutlich wird nur, dass es sich um »große Theologen« aus den ersten sieben Jahrhunderten handelt (5).

Der folgende Teil, den Theresia Heither verantwortet, bietet nun eine Art Kirchenväterkatene von Gen 2,16 bis zum Tod Adams in Gen 5,5 (107–246). Dabei wird – anders noch als im Abrahamband– der Text der Septuaginta zu Grunde gelegt und die Abgrenzung so gewählt, weil bis zu Gen 2,16 Adam als Gattungsname für den Menschen allgemein, danach als Eigenname benutzt wird. In äußerster Knappheit stellt Heither die Auswahlkriterien und die wichtigsten Genesiskommentare vor (107–109). Wie schon im vorangegangenen Abschnitt werden Paraphrasen mit wörtlichen Zitaten in deutscher Übersetzung geboten, während die griechischen bzw. lateinischen Texte in den Fußnoten nachgewiesen werden. Und wie im vorangegangenen Abschnitt bleiben die Texte nahezu ohne jeden Kontext und wirken allein schon aus diesem Grund bisweilen etwas befremdlich auf den modernen Leser.

So könnte sich dieser im Zusammenhang von Gen 2,16 fragen, weshalb Kirchenväter wie Theophilus von Antiochien, Clemens von Alexandrien und Irenäus von Lyon Adam als ein kleines Kind verstehen, dem Gott als Vater ein Gebot geben musste (115). Ohne einen Hinweis darauf, dass diese Auslegung sich gegen diejenigen richtete, die nicht nachzuvollziehen vermochten, weshalb Gottes Geschöpf schon so bald sündigen konnte, und aus diesem Grunde vermuteten, es könne sich wohl nur um ein schlechtes Gebot oder um einen unwissenden oder wenig guten Gott handeln, wirkt die Interpretation der genannten Kirchenväter reichlich befremdlich. Doch auf dem genannten Hintergrund, den Heither jedoch nicht erwähnt, gewinnt die Vorstellung, bei Adam handle es sich um ein kleines Kind, dem sein Vater Anweisungen geben muss und das sich dennoch – wie bei Kindern üblich – nicht an die väterlichen Anweisungen hält und ungehorsam wird, erheblich an Plausibilität. Überdies dürfte die Auslegungen der genannten Kirchenväter auch kaum unabhängig voneinander entstanden sein. Lediglich an einer Stelle – zu den Kleidern aus Fellen in Gen 3,21 – wird auf eine gnostische Interpretation, die bei Irenäus überliefert wird (Adv. Haer. I,5,5), hingewiesen, wonach mit den Fellkleidern die menschlichen Körper gemeint sind (224 f.).

Nach jedem kleineren Sinnabschnitt des Genesistextes werden Anregungen zum Weiterdenken eingeschaltet, die dem modernen Leser die wichtigsten theologischen Inhalte erschließen sollen. Sie bleiben jedoch häufig einigermaßen plakativ, wie etwa zu der bereits erwähnten Auslegung zu Gen 3,31: »Die Väter meinen, bei dem Thema der ›Röcke aus Fellen‹ gehe es um den Leib des Menschen, der sich nach der Sünde verändert hat. Auf jeden Fall ist er der Vergänglichkeit unterworfen, deren Kennzeichen Krankheit und Alter sind. Das könnte uns darauf aufmerksam machen, dass das, was wir ›Leib‹ nennen, nur eine Außenseite – ein Kleid – ist, die Tieferes verbirgt oder auch offenbart« (240).

Der sich anschließende Abschnitt über die Sünde Adams (247–281), wiederum von Christiana Reemts verfasst, will nun die Auffassungen der Kirchenväter über die Ursache und Folgen der menschlichen Sünde genauer in den Blick nehmen. Dabei wird gefragt, ob der Teufel, Eva, Adam oder aber der Leib bzw. der Geist Urheber der Sünde genannt werden könne. Spätestens an der Stelle, an der diskutiert wird, ob Eva die Sünde in die Welt gebracht hat, zeigt es sich, dass ein eigenes Kapitel über Eva vielleicht doch nötig gewesen wäre. Denn interessanterweise werden nun die Texte der Kirchenväter kontextualisiert und mit Recht erklärt, Tertullians in cult. fem. 1,1 getroffene Aussage über die »Frau als Einfallstor des Teufels« sei nicht als eine generelle Abwertung der Frau gemeint, sondern wolle »christliche Frauen vor übertriebenem Kleiderluxus« warnen (251). Es fällt auf, dass beide Verfasserinnen immer wieder bestrebt sind, die Kirchenväter von dem Vorwurf der Frauenfeindlichkeit freizusprechen. Ob dazu aber Aussagen wie diese wirklich hilfreich sind, sei dahingestellt: »In diesem Punkt, d. h. in ihrer Stellung zur Frau sind die Väter nicht eins, sondern durchaus verschiedener Meinung. Manchmal wird eine erschreckende Frauenfeindlichkeit deutlich, so z. B. wenn der Frau die Ebenbildlichkeit Gottes abgesprochen wird. Aber man kann beobachten, dass die Väter, die sich eng an die Aussagen der Schrift halten, zu einer anderen Sichtweise kommen« (136 f.).

Ein eigener Abschnitt ist natürlich auch Adam im Neuen Testament gewidmet (283–307; Theresia Heither), wobei die Entfaltung der Adam-Christus-Typologie im Zentrum steht. Hier erstaunt jedoch, dass ohne irgendeinen Hinweis darauf, dass das keineswegs Konsens in der Forschung ist, der Epheserbrief zu den paulinischen Briefen gezählt wird (304–306).

Den Abschluss bildet ein kleiner Epilog von Christiana Reemts über Adams Rettung (309–316), die insbesondere für Irenäus in der Auseinandersetzung mit den Enkratiten von Bedeutung ist.

Der hier vorgestellten Mischung aus Kirchenväterkatene und systematisierender Darstellung einiger Aspekte der Adamsfigur aus Sicht der Kirchenväter geht es also vordringlich um den Nachweis, dass es Letzteren vor allem auf die Verbindung zwischen Adam und Christus angekommen sei: »An Adam, um den es in diesem Buch geht, wird deutlich, dass Christus von Anfang an mit jedem Menschen verbunden ist, so dass die Beziehung zu Christus das eigentliche Ziel des Geschöpfes Mensch ist« (307). Aus der differenzierten Exegese der erwähnten Autoren wird auf diese Weise allzu schnell ein viel zu einfaches Fazit gezogen, dessen historisches Umfeld und die daraus folgenden möglicherweise ganz anders gelagerten Denkanstöße die Verfasserinnen nicht interessieren. Trotz der vielen Texte aus den ersten Jahrhunderten handelt es sich eher um eine dogmatisch orientierte als um eine historische Untersuchung.