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Ausgabe:

Dezember/1996

Spalte:

1171–1173

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Ignatius von Loyola

Titel/Untertitel:

Briefe und Unterweisungen. Übers. von P. Knauer

Verlag:

Würzburg: Echter Verlag 1993. XXXII, 995 S. gr.8° = Ignatius von Loyola. Deutsche Werkausgabe, 1. Lw. DM 64,­. ISBN 3-429-01530-8

Rezensent:

Gottfried Maron

Der hier anzuzeigende Band ist insofern eine höchst bedeutsame Neuerscheinung, als er geeignet ist, nachdrücklich auf das ignatianische Briefcorpus aufmerksam zu machen und in es einzuführen. Trotz der Bemühungen von Hugo Rahner, der 1942 einen zwei Jahrzehnte alten Auswahlband von Otto Karrer neu bearbeitete ("Geistliche Briefe", Neuauflage 1956, "Trost und Weisung" 1979), ist der Briefwechsel des Ignatius von Loyola in der historischen und kirchenhistorischen Forschung des Reformationsjahrhunderts noch kaum zureichend beachtet ­ dabei bilden die fast 7000 Briefe des Ignatius neben den über 2000 Briefen des Erasmus und den über 4000 Briefen Luthers wohl das größte erhaltene Briefcorpus des 16. Jh.s. In der Ausgabe der Monumenta Ignatiana umfassen die Epistolae et Instructiones 12 Bände, bereits 1903-1911 in Madrid gedruckt. Die Sprachgrenze hat sich wohl hier besonders ausgewirkt, sind doch etwa 45 % dieses Bestandes in spanischer Sprache, etwa 48 % italienisch, etwa 7 % lateinisch und einige einzelne in portugiesischer Sprache abgefaßt. Dazu kommt, daß die zahlreichen Bände der ignatianischen Monumenta in deutschen Bibliothken nur selten vollständig zu finden sind.

Der vorliegende Band bedeutet insofern einen entscheidenden Fortschritt, als nunmehr 400 "Briefe und Unterweisungen" des Ignatius in deutscher Sprache zugänglich sind. Zum Vergleich: Hugo Rahner brachte 1956 nur 70 Briefe, in dem anderen eindrucksvollen Buch "Briefwechsel mit Frauen" (ebenfalls 1956) eine geschlossene Gruppe von 89 Ignatiusbriefen. Jetzt ist es möglich, in wirklich repräsentativer Weise einen Eindruck von der Vielfalt der Themen zu vermitteln, die in diesen Briefen begegnen, selbst wenn gewisse Schwerpunkte berücksichtigt sind (etwa Briefe, die sich in besonderer Weise mit Deutschland oder dem Collegium Germanicum in Rom befassen).

Der ganze Band und jeder einzelne Brief ist mit ausgezeichneten Einleitungen des Herausgebers versehen. Gute Register (Briefthemen XXI f., Bibelstellen, Kirchenväter und alte Schriftsteller, Personen, Orte und v.a. eine ausführliche Liste von Stichworten, 945-955) erschließen die ganze Spannweite der begegnenden Themen von Arzt, Fleischspeise und Geld bis hin zu Christenheit, Kriegsflotte und Sterben.

Freilich ist hier auf eine Besonderheit des ignatianischen Briefcorpus hinzuweisen: die überwiegende Mehrheit von etwa 75 % aller Briefe (ungefähr 5300 von ca. 6800) sind keine Individualbriefe, sondern ordensinterne Korrespondenz, d.h. es schreibt der Ordensgründer; der Mensch Ignatius tritt einerseits weitgehend zurück, offenbart sich aber andererseits gerade in diesen "amtlichen" Texten auf eine ganz besondere Weise. Auch wo er sich in den späteren Jahren eines Sekretärs bediente, sind die Briefe, die er selbst mehrfach durchlas und korrigierte, sein Eigentum. Briefe überhaupt hatten für Ignatius einen hohen Stellenwert, es gibt kaum einen Vergleich dafür, daß ein Mann an der Ausbreitung und Befestigung seines Werkes auf brieflichem Wege so intensiv gewirkt hat. Ignatius erwartete andererseits auch regelmäßige sorgfältige Berichte von den in alle Welt verstreuten Mitgliedern der Gemeinschaft. Sie dienten einmal der Lenkung der Gesellschaft, sodann, untereinander verbreitet, dem stärkeren Zusammenhalt nach innen und der gezielten "Werbung" nach außen (vgl. etwa den aufschlußreichen Brief an Peter Faber von 1542: 82-85). Daß mit dieser Ordenskorrespondenz ein höchst "modernes" Kommunikationssystem ins Leben gerufen war, sei nur am Rande bemerkt (zu diesem "Modernisierungs"-Effekt im Jesuitenorden vgl. Wolfgang Reinhard in : ARG 68, 1977, 239 ff.).

Der Band zeichnet sich durch große Sorgfalt beim Übersetzen der Brieftexte aus. Peter Knauer legt größten Wert auf möglichste Wörtlichkeit, was etwa im Vergleich mit der Übersetzung von Hugo Rahner deutlich wird, der oft allzu frei übersetzt (vgl. XXIX). Der Text wird dadurch vielleicht gelegentlich etwas spröde, Genauigkeit geht auf Kosten der Lesbarkeit, aber auch hier ist womöglich eine Eigenart des Ignatius getroffen. Wie wenig übrigens die Schriftlichkeit im 16.Jh. auch im Spanischen schon festgelegt und vielmehr der freien Gestaltung des Einzelnen überlassen war, ist für uns heute kaum noch nachvollziehbar: Ignatius selbst schreibt seinen Namen in elf Varianten (XXIX)!

Im Blick auf Druckfehler und technische Gestaltung ist der gewaltige Band tadelsfrei ­ man merkt, daß Peter Knauer Computer-Fachmann ist. Drei kritische Bemerkungen möchte ich mir noch erlauben: Ferdinand, der Bruder Karls V. wird mehrfach betitelt als "Römerkönig" (95, 126 u.ö.). Das "Rex Romanorum" des zu Lebzeiten des Kaisers gewählten Nachfolgers ist jedoch richtig durch "Römischer König" wiederzugeben ( so auch bei H. Rahner, Geistl. Briefe 1956, 120. Das gilt besonders für S. 95!) ­ Das "Madama" im Stichwortregister 982 gehört besser zu Personen. ­ Ich finde diesen Band neuerdings mit dem Kürzel "WA" zitiert (bei W. OŒMalley, Die ersten Jesuiten, Würzburg 1995). Da das Sigel "WA" aber seit vielen Jahrzehnten der Weimarer Lutherausgabe vorbehalten war (allerdings auch für die Weimarer Goetheausgabe), würde ich vorschlagen, wenn möglich die "Deutsche Werkausgabe" der Schriften des Ignatius, deren erster Band diese Briefausgabe darstellt, künftig mit "DWA" abzukürzen.

Daß im übrigen eine Fortsetzung dieser Ausgabe mit dem Geistlichen Tagebuch, dem Bericht des Pilgers (oft "Autobiographie" genannt), den Geistlichen Übungen, sowie den Satzungen und Regeln der Gesellschaft Jesu zu erwarten ist, ist nur zu begrüßen (vgl. meine Bemerkung in Theol. Rundschau 58, 1993, 299). Die Vorarbeiten des Hg.s scheinen vielversprechend weit gediehen zu sein.