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Ausgabe:

November/2009

Spalte:

1241–1243

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Birmelé, André, Bühler, Pierre, Causse, Jean-Daniel, et Lucie Kaennel [Éds.]

Titel/Untertitel:

Introduction à la théologie systématique.

Verlag:

Genève: Labor et Fides 2008. 622 S. 8° = Lieux théologiques, 39. Kart. EUR 25,00. ISBN 978-2-8309-1268-5.

Rezensent:

Dorothea Sattler

In jüngerer Zeit haben sich die Bemühungen verdichtet, in Veröffentlichungen eine geeignete Hilfe bereitzustellen, den Anforderungen im Studium der Theologie gerecht werden zu können. Studierenden wird in diesem Werk eine sehr gute Übersicht über alle relevanten Themenbereiche der Systematischen Theologie geboten. Auch am Thema interessierte weitere Kreise werden das Werk mit großem Gewinn lesen, da es in gut zugänglicher Weise in den Gesamtbereich der Systematischen Theologie einführt.

Die Eigenarten und (damit notwendig verbunden) die Grenzen der Studie werden im Vorwort offen angesprochen: Es handelt sich um ein Buch mit Gebrauchswert (»un instrument de travail«, 7.9; »un outil de travail«, 8), das die Grundlagen der Dogmatik ganz bewusst aus einer evangelischen Perspektive (»une perspective protestante«, 8) darstellt. Aufgeschlossenheit für andere christliche Traditionen und für den interreligiösen Dialog ist dabei aus Sicht der Herausgeber eine Selbstverständlichkeit. Zudem sollen die Herausforderungen immer im Blick bleiben, denen sich die Theologie in der gegenwärtigen Zeit angesichts der gesellschaftlichen Infragestellungen der Relevanz dieser Wissenschaft zu stellen hat. Als ein kontextuell situiertes Werk kann diese Einführung insofern gelten, als sie gezielt für den französischsprachigen Raum geschrieben ist, in dem eine solche Veröffentlichung bisher fehlt (»une demande constante du monde étudiant francophone«, 8). Die Literaturverweise sind entsprechend mehrheitlich aus dem frankophonen Sprachraum. Bedingt jedoch allein durch die Tatsache, dass einige Autoren mit der deutschen Theologie eng verbunden sind, finden sich viele Hinweise auf entsprechende Quellen.

Die Einführung in die Systematische Theologie ist in 15 Themenbereiche unterteilt. Die Inhalte sind drei übergeordneten Kategorien zugeordnet: Unter den »Prolegomena« (I.) werden fünf Grundfragen der theologischen Hermeneutik besprochen (Glauben und Wissen; Schrift und Bekenntnistradition; Theologie und Erfahrung; Sprachformen in der Glaubensrede; Ansätze in der Theo­logie seit Beginn des 20. Jh.s). Auf diese eher formale Betrachtung der Theologie folgen neun Kapitel, die in materialer Hinsicht Einzelthemen aufnehmen (II.). Die Reihenfolge ist dabei (nicht nur aus römisch-katholischer Perspektive) eher ungewöhnlich (Wege menschlicher Gotteserkenntnis; Sünde und Gnade; Jesus Christus; Gottes heiligender Geist; Wort Gottes und die Sakramente; Kirche in der Welt; Eschatologie; Schöpfungslehre; Gotteslehre). Am Ende steht eine Anleitung für einen Gebrauch dieses Buches, bei dem in hohem Maße Eigenständigkeit gewährleistet ist und zugleich sicher bleibt, dass die Hauptgedanken des Werks sich vermittelt haben (III.). An mehreren thematischen Beispielen wird anschaulich verdeutlicht, wie diese Einführung in die Systematische Theologie von Studierenden oder anderen Rezipienten zum Erwerb von Wissen sowie als Ausgangspunkt für eine eigenständige Reflexion genutzt werden kann. Abschließend werden die auf formaler Ebene bestehenden Grundanliegen des Werks ebenfalls exemplarisch dargelegt: die innerchristliche und interreligiöse Dialogbereitschaft sowie der Einbezug von ausgewählten Quellen der Kulturgeschichte (Film, Literatur, Musik und Malerei).

Zwar ist jeder der 15 Buchbeiträge namentlich gekennzeichnet und wird von den jeweiligen Autoren inhaltlich verantwortet, die Herausgeber haben sich jedoch um eine gewisse Vergleichbarkeit der Darstellungen zumindest im Hinblick auf die gedankliche Struktur bemüht: Im Anschluss an eine problemorientierte Einleitung (»1. Introduction«) bietet der zumeist längste Teil eine Übersicht über biblische, historische und zeitgenössische Sichtweisen der Thematik (»2. Status quaestionis«); es folgt ein dritter, meist kurzer Abschnitt, in dem die Autoren ihre eigene Auffassung darlegen und offene Fragen ansprechen (»3. Synthèse systématique«). Dieser im Gesamtwerk durchgehaltene Aufbau wird in einem ausführlichen Inhaltsverzeichnis (vgl. 611–622) übersichtlich präsentiert. Auffällig ist, dass in diesem der reformatorischen Tradition verpflichteten Werk den biblischen Aspekten der Themen in der Regel nur recht wenig Raum zugemessen wird, dagegen die eigene Traditionsgeschichte recht ausführlich dargestellt ist.

Bereits im Vorwort der Einführung wird angekündigt, dass die Leser und Leserinnen bei ihrem Studium unterschiedlichen Ansätzen in der einen evangelischen Dogmatik begegnen werden. Die Herausgeber betrachten diese Vielfalt als einen Reichtum, der angesichts des im evangelischen Raum fehlenden Lehramts gerade in der Dogmatik zur Darstellung kommen kann (»en registre protestant, qui ne connaît pas la fonction unificatrice d’un quelconque magistère«, 9). Nicht nur an dieser Stelle wird deutlich, dass die Abgrenzung von (in Teilen vermeintlich) römisch-katholischen Positionen das gewählte Profil dieses Werkes ist. In vielen Berei-chen der Traditionsgeschichte werden ausschließlich evangelische Quellen angeführt. Das sehr hilfreiche Glossar zu den im Text vorrangig behandelten Autoren (489–505) lässt erkennen, dass nur wenige römisch-katholische Theologen im Werk auf Aufmerksamkeit stoßen (vor allem Hans Urs von Balthasar und Karl Rahner).

Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, jeden Beitrag dieser »Einführung in die Systematische Theologie« eingehend zu würdigen. Sie ist gewiss in vielen Bereichen eine solide erarbeitete und daher zuverlässige Quelle der Information und bietet zudem viele Anregungen für eine weiterführende Beschäftigung mit den Themen. Sehr bedauerlich finde ich, dass gerade im Bereich der Sakramentenlehre der erreichte Stand der ökumenischen Dialoge nicht hinreichend referiert ist. Der Autor Karsten Lehmkühler stellt vor allem bei der Frage der Zahl der Sakramente und der Lehre vom Abendmahl/der Eucharistie die römisch-katholischen Lehrpositionen auf unzureichende Weise dar. So werden auch über dieses Werk Studierende der Evangelischen Theologie kontroverstheologisch geschult, ohne von den auch in der neueren römisch-katholischen Theologie mitgetragenen Annäherungen an die reformatorische Tradition sowie der Bereitschaft zur kritischen Prüfung der eigenen Lehrpositionen zu erfahren. Zwei Beispiele: 1. Es kommt nicht zur Sprache, dass die Transsubstantiationslehre auch aus römisch-katholischer Sicht auf der Basis der Überzeugung formuliert ist, dass das eucharistische Geheimnis durch menschliche Verstehensweisen nicht als »durchschaut« erachtet werden soll (vgl. 329). Keiner der neueren römisch-katholischen Zugänge zum Verständnis der eucharistischen Realpräsenz wird thematisiert. 2. Die als rö­misch-katholische Position formulierte Sicht des priesterlichen Amtes nimmt eine Interpretation vor, die dem römisch-katholischen Verständnis nicht entspricht. Hinweise auf neuere ökumenische Dokumente zum ordinierten Amt fehlen (vgl. 334 f.).

Im Südwesten Frankreichs und insbesondere im französischsprachigen Raum der Schweiz wird das Verständnis für die Vorentscheidung der Herausgeber groß sein, eine weitgehend aus evangelischer Sicht geschriebene Einführung in die Systematische Theologie vorlegen zu wollen. In weiten Teilen des frankophonen Sprachgebiets ist jedoch die römisch-katholische Konfession in der Mehrheit. Eine stärkere Einbindung entsprechender Autoren in das Gesamtkonzept hätte dieser im französischsprachigen Raum gewiss wichtigen Publikation möglicherweise eine größere Verbreitung sichern können. In der vorliegenden Form handelt es sich um eine für Studierende der Theologie anspruchsvolle Gestalt einer Einführung in die Systematische Theologie, die nach meiner Erfahrung in ihrem Gehalt das Maß weit überschreitet, das in der gegenwärtigen Zeit im Studienalltag als Anforderung zu stellen ist. Dieses Buch kann mit den vielen in ihm geleisteten Hilfen (Glossar zu Personen sowie zu Begriffen; Personen-, Sach- und Bibelstellenregister; sehr ausführliche Bibliographie mit Hinweisen auf weiterführende Literatur) zu einem Nachschlagewerk werden, in dem zahlreiche Themen der Systematischen Theologie auf engem Raum verständlich präsentiert werden. Bedauerlich ist aus meiner Sicht, dass sich Verkürzungen der römisch-katholischen Lehrtraditionen auf diese Weise umso besser einprägen.