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Ausgabe:

November/2009

Spalte:

1204–1205

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Genuyt, François

Titel/Untertitel:

L’Épître aux Romains. L’instauration du sujet. Lecture sémiotique.

Verlag:

Paris: Cerf 2008. 222 S. 8°. Kart. EUR 22,00. ISBN 978-2-204-08671-4.

Rezensent:

Kristina Dronsch

Wer die bisherigen Veröffentlichungen von François Genuyt, Do­minikaner und Mitglied bei CADIR (Centre pour l’Analyse du Discours Religieux an der theologischen Fakultät der katholischen Universität Lyon) verfolgt hat, darf sich freuen, dass nun in methodischer Kontinuität zu seinen bisherigen Schriften – besonders in der Zeitschrift »Sémiotique et Bible« – eine gut lesbare, mit minimalem Belegapparat versehene Auslegung zum Römerbrief vorliegt. G.s auf knapp 220 Seiten entfaltete Auslegung folgt dabei dem Anliegen des Instituts CADIR: nämlich eine Lektüre biblischer Texte auf der Grundlage der strukturalistischen Semiotik zu bieten, die sich der Erhebung der syntagmatischen und semantischen Textstrukturen verpflichtet weiß. Diese Fokussierung auf die intratextuellen Strukturen ist bei G. nicht einfach einem methodischen Imperativ geschuldet, sondern gekoppelt an eine existentielle Dimension, die bei der Interpretation biblischer Texte immer mit zu bedenken ist, denn: »Toute lecture du texte est lecture de soi-même« (6). Diese Verschränkung von Text- und Lebenswelt im Akt der Lektüre darf als der bestimmende Stimulus von G.s Römerbriefauslegung gelten, deren Ziel es ist, angesichts der Deutungs- und Überzeugungsstrategien der Textwelt, die sich in der Sprach- und Denkbewegung des Briefes offenbaren, die Leser in ihrem Selbstverständnis zu befragen. Die kurze methodologische Einführung (7–12) läuft deshalb auf die zentrale in diesem Kommentar zu lösende Aufgabe zu: »comment et à quelles conditions la Parole travaille par le discours de l’épître aux Romains à l’instauration du sujet« (12).

Auf der Grundlage dieser hermeneutischen Entscheidungen wird in Kapitel 2 als »thème initial« Röm 1,16–17 bestimmt – fokussiert auf die Aussage: »Der Gerechte wird aus Glauben leben«, an der die Verschränkung von Text- und Lebenswelt greifbar wird, weil sie zu den Fragen nötigt: »Qui est ce juste, anagramme du sujet? Comment est-il instauré dans son desir?« (6). Dass diese beiden Verse gerne als gesonderte Einheit in Kommentaren behandelt werden, in denen die Themaangabe des Römerbriefes zu finden sei, ist nicht neu, originell ist jedoch, dass G. sie einspannt in einen »parcours figuratif«. Nachdem G. Röm 1,1–7 als einen Lektürevertrag bestimmt hat, in dem die drei wirksamen Hauptakteure (Gott, Geist, Jesus Christus) vorgestellt werden, die »concourent pour intervenir en tiers dans la relation intersubjective entre Paul and ses lecteurs« (14), werden Röm 1,8–15 und 15,23–33 als »une clé de lecture« (17–23) interpretiert. In diesen Versen werde der figurative Parcours des Briefes aufgespannt anhand der Orte Jerusalem, Rom und Spanien, die in ein Netz der Signifikation und symbolischen Ordnung eingespannt sind: »voyage à Jérusalem pour l’attribution des biens temporel, Pauls se présente alors comme débiteur, agissant sous la ›loi des membres‹; voyage en Espagne pour l’attribution des biens spirituels des croyants à incroyants, Paul se présente alors comme apôtre, agissant sous la ›loi de la raison‹; voyage à Rome, pour le repos du sujet dans la joie d’un échange fructueux et, dans ce cas, la lettre, au-delà des enseignements qu’elle contient, est écrite sou la ›loi de désir‹ – elle en devient l’instance signifiante« (23). Indem sich Paulus als der Reisende zu den drei unterschiedlichen Orten darstelle, anhand derer ein Netz der Signifikation entworfen werde, das den gesamtem Römerbrief bestimmt, wird nach G. eine Struktur des glaubenden Subjektes etabliert, die auf der Ebene der Text-Leser-Relation die Aufgabe hat, eine konnektive Struktur durch ein geteiltes Universum des Sinns zu schaffen. Die folgenden sechs Kapitel dieses Kommentars zeichnen nach, wie die drei figurativen Grundlinien, ›loi des membres‹, ›loi de la raison‹ und ›loi de désir‹, sich innerhalb ihrer diskursiven Strukturen, in die sie eingebunden sind, konkretisieren und zu bestimmenden Bezugspunkten für die »instauration du sujet« werden.

Mag es an einigen Stellen auch so scheinen, dass diese interpretationsbestimmende topographische Ordnung über Gebühr in diesem Kommentar strapaziert wird, so werden in der Einzelauslegung durchaus Exegesen geboten, deren Ertrag nicht an der topographischen Zuspitzung hängt, wie beispielsweise die Auslegung zu Röm 4 (61–72). Zugleich ist jedoch anzuerkennen, dass hier der Versuch unternommen wird, die Nennung der drei den Römerbrief bestimmenden topographischen Angaben im Rahmen einer intratextuellen Analyse des Diskursuniversums des Briefes zu verankern und so die Ortsangaben mit einer Bedeutung zu versehen.
Insgesamt liegt mit dem Kommentar von G. eine lesenswerte Auslegung des Römerbriefes vor, die in methodischer Klarheit den Brief als ein genuin theologisches Monument versteht, welches die Leser über die entfaltete Textwelt mit der Einsicht versehen soll, dass der Glaube »ratification de la naissance du sujet à la vie selon l’Esprit« (218) ist.