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Ausgabe:

November/2009

Spalte:

1185–1187

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Xeravits, Géza G., and József Zsengellér [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Books of the Maccabees: History, Theology, Ideology. Papers of the Second International Conference on the Deuterocanonical Books, Pápa, Hungary, 9–11 June, 2005.

Verlag:

Leiden-Boston: Brill 2007. XII, 252 S. gr.8° = Supplements to the Journal for the Study of Judaism, 118. Lw. EUR 99,00. ISBN 978-90-04-15700-2.

Rezensent:

Evangelia G. Dafni

Das hier anzuzeigende, hervorragend ausgestattete Sammelwerk ist die Frucht der zweiten internationalen Konferenz für deuterokanonische Schriften, die vom Shime’on Centre for the Study of Hellenistic and Roman Age Judaism and Christianity der Reformierten Theologischen Akademie in Pápa, Ungarn, organisiert wurde. Der aus 15 Beiträgen bestehende Band vermittelt einen aufschlussreichen Eindruck von den vielfältigen Problemen, die mit den deuterokanonischen Makkabäerbüchern unauflöslich zusam­men­hängen.

Es ist erwähnenswert, dass die Erforschung der deuterokanonischen Schriften im deutschen Sprachraum in den letzten zwei Jahrzehnten auf besondere Weise von Otto Kaiser gefördert wurde. Von ihm wurde auch die Begründung der International Society for the Study of Deuterocanonical and Cognate Liter­ature (ISDCL) inspiriert, die seit 2003 bereits vier internationale Konferenzen abgehalten hat. Hier aber handelt es sich offensichtlich um ein parallel laufendes Projekt.

Der Sammelband ist klar und einfach in fünf Teile gegliedert (I. Introductory Matters, 1–10; II. On History, 11–43; III. On History and Theology, 45–111; IV. On Theology and Ideology, 113–195; V. On Cog­nate Literature, 197–221) und durch ein kurzes Vorwort (VII) und ein weiterführendes Register von modernen Autoren und zitierten Textstellen (223–245) abgerundet. Die folgenden knappen Inhaltsangaben dürften andeuten, in wie kräftiger Bewegung sich die Erforschung der deuterokanonischen Schriften in den letzten Jahren befindet und wie die gründliche Beschäftigung mit den Makkabäerbüchern den Blick auf die jüdischen Verstehensweisen der heiligen Schriften des antiken Israel im hellenistischen Zeitalter öffnen kann.

I. Gilles Dorival (1–10) stellt klar, dass die Bezeichnung »Deuterokanonische Bücher/Schriften« nicht erst von den Vätern des römisch-katholischen Konzils in Trient (1545–63) geschaffen wurde, sondern von Sixtus von Siena (1520–69), einem zum Christentum konvertierten Juden.

II. John Kampen (11–30) verfolgt die Frage nach der Bedeutung des Jerusalemer Tempels in 1 und 2Makk und stellt folgende erwägenswerten Überlegungen auf: a) In 1Makk wenden sich die Gesetzlosen unter der hasmonäischen Herrschaft gegen den Tempel. b) Die Damaskusschrift sowie 1Enoch bieten Beispiele solcher Oppositionen in der Entwicklungsgeschichte des jüdischen Sektarianismus. c) In 2Makk wird der Tempel durch Gottes Schutz und Souveränität verteidigt und gerechtfertigt. Daraus schließt er, dass die Infragestellung der Legitimität des Jerusalemer Tempels als Zentrum des Judentums sich als eines der wichtigsten Merkmale der Selbstdefinition der Sekte im 2. und 1. Jh. v. Chr. erweist. – Die Ausführungen Jack Pastors (31–43) gehen von einer Definition der Hungersnot aus und wollen 1Makk 9,23–24 nicht als Apologie, sondern als Geschichte verstehen. Dieses Verständnis hängt mit der Sicht zusammen, dass in der betreffenden Einheit eine Erklärung für die Verhaltensänderung der jüdischen Bevölkerung in den Jahren unmittelbar nach dem Tod des Judas gegeben wird und keine Entschuldigung.

III. Katell Berthelot (45–60) versteht a) die Bezugnahme auf Josua in 1Makk als ein Indiz für die hasmonäische Propaganda und b) den Hinweis auf die Gottestreue zu seinem Volk in 2Makk als eine Reflexion der theologischen Agenda seines hellenistisch-jüdischen Autors. Trotz des nachweisbar starken deuteronomischen Einflusses auf beide Bücher wird hierin kein Bezug auf das verheißene Land und seine Besatzung genommen. Dies führt Berthelot zu dem Gedanken, dass die Hasmonäer, die als große Krieger in den Me­moi­ren abgebildet sind und fast das verheißene Land wiedererobert hätten, sich selbst nicht als diejenigen betrachteten, die die Verheißung erfüllt haben. – Thomas Hieke (61–74) deutet a) die Rolle der Schrift in den letzten Worten von Mattatias (1Makk 2,49–70) sowie b) die wörtlichen und ideellen Anspielungen insbesondere auf die Torah als literarische Anker für das politische und religiöse Programm der makkabäischen Bewegung. Hierin soll der Versuch vorgenommen sein, zum einen das hasmonäische Regime unter Johannes Hyrkanus als biblisch begründet nachzuweisen und zum anderen das Volk zu überzeugen, jener Regierung zu folgen, die von der Schrift als göttlich-geordnet angekündigt wird. – Friedrich V. Reiterer (75–100) wendet sich 1Makk 2,52–60 zu und schildert, wie Mattatias auf Grund von bedeutenden Vorbildern aus früheren Zeiten und aus der Notzeit der Verfolgung im babylonischen Exil, die sich persönlich durch ihren Glauben auszeichneten, seine Söhne belehrte. Reiterer meint, dass diese Vorbilder ausgeprägt zum Ausdruck bringen sollen, dass nicht der eifrige Einsatz des Menschen zur Rettung führt, sondern Gott allein, wobei die menschliche Einstellung zu ihm in nahezu aussichtslosen und von brutaler Härte gezeichneten Zeiten ein entscheidender Faktor ist. – Einige ironische Züge aufweisende Passagen aus 2Makk bespricht Tobias Nicklas (101–111), die von negativen Charakteren – hauptsächlich von großen Opponenten – des jüdischen Aufstandes handeln. Er stellt fest, dass in 2Makk nur solche Charaktere einer ironischen Betrachtung unterzogen werden. Dabei hält er die Ironie für ein perfektes Mittel zur Beschreibung der gegensätzlichen Behauptungen der Opponenten zur Wahrheit, ihrer Haltungen und Meinungen.

IV. Marie-Françoise Baslez (113–130) lenkt den Blick auf die Wirkungsgeschichte der Vorstellungen vom Märtyrertod. Auf Grund von Märtyrersagen aus den Büchern Daniel, Judith, Esther im Vergleich zu hellenistischen Mustern vom Heldentod versucht sie klarzustellen, wie die Idee des Martyriums sich innerhalb von drei Jahrhunderten – von der Makkabäerzeit bis zu den ersten Christenverfolgungen – im Judentum entwickelte und zu einer neuen Komponente jüdischer Identität wurde. – An theologisch-ideologischen Ge­sichtspunkten orientiert sich János Bolyki (131–139), die in 2Makk 4,14 bzw. 4,7–17 mit dem Tauschhandel zwischen dem König und dem Hohenpriester um die Durchsetzung der griechischen Institution der Gymnasien in Jerusalem zusammenhängen und die Begegnung von Hellenismus und Judentum im 2. Jh. v. Chr. reflektieren. Angesprochen wird hier u. a. auch die Verwandtschaft der Juden mit den Spartanern mit Hinblick auf die Globalisierung und Vereinheitlichung von Identitäten zwischen den Kontinenten. – Beate Ego (140–154) untersucht 2Makk und stellt fest, dass Gottes Gerechtigkeit, Einzigkeit und die besondere Rolle des Tempels die zentralen theologischen Themen des Buches darstellen, die durch das Vergeltungsprinzip besonders akzentuiert werden. Das Handeln Gottes gegen sein Volk reflektiert sich im jus talionis und will das endgültige Gerichtsurteil Gottes über die griechischen Unterdrücker und die prominenten Hellenisten wie Jason und Menelaus demonstrieren. Das Handeln Gottes gegen die Seleukiden deutet auf Gottes Betrübnis über Israel hin und ist im Rahmen des Konzepts der pädagogischen Strafe zu verstehen, eine Strafe deren Ziel es ist, die Umkehr Israels aus seinen sündenhaften We­gen zu bewirken. – Armin Lange (155–167) überblickt zunächst die antiken Bibliotheken, die Archivdokumente enthielten und in Verbindung mit dem Tempel standen, und wendet sich dann dem zweiten Festbrief an die ägyptischen Juden und an die Bibliothek von Judas Makkabäus (2Makk 1,10–2,18 bzw. 2,13–15) zu. Dabei hält er es für eher unwahrscheinlich, dass man mit 2Makk 2,14 den Ab­schluss des hebräischen Kanons markieren wollte. – Stefan Schorch (169–180) wendet sich ebenfalls 2Makk 2,13–15 zu und schlägt eine Datierung am Ende des 2. Jh.s v. Chr. vor, da die betreffende Einheit eine frühere Phase des Judentums bestätigt als jene, die das Aufkommen der Lesekultur im 1. Jh. v. Chr. aufweist. – József Zsengellér (181–195) wendet sich der Diskrepanz zwischen geschichtlicher Realität und Theologie zu, die die Heiligkeit des Jerusalemer Tempels und die Einheit des jüdischen Volkes hervorhebt. Hinsichtlich der Tempel-Propaganda in den Makkabäerbüchern führt er den Begriff »Monotemplismus« ein im Sinne der Erfüllung aller vorangehenden Äußerungen in den prophetischen und poetischen Büchern des Alten Testaments im neuen nachexilischen Tempel. Er betont, dass weder 1Makk noch 2Makk zum Teil der Heilsgeschichte der Juden wurden. Die Tatsache aber, das s 1Makk ein hebräisches Original hatte, ist für Zsengellér ein Kennzeichen für den Status des Tempels in der makkabäischen und hasmonäischen religiösen Politik und für die breite Differenzierung des theologischen Denkens dieser Ära.

V. Matthias Weinhold (197–210) untersucht die altjüdische Re­zeption der Flut-Erzählung in 4Makk 15,31–32 und seinem Kontext. Die wirkungsgeschichtliche Perspektive, die er vorschlägt, findet in den innovativen Gedanken, die der Autor von 4Makk zur Geltung bringt, ihre Begründung. – Die Qumran-Perspektive bzw. die negative Auswertung der Hasmonäer überprüft Géza G. Xeravits (211–221) anhand von a) den Pescharim 4Q169 und 1QpHab, die von der kompletten Spaltung zwischen Qumran-Gemeinde und Jerusalemer-Führer zeugen, b) dem grammatisch, lexikalisch und syntaktisch dubiosen, apokryphen Psalm/Gebet gegen Alexander Jannäus (4Q448) und c) der Liste der falschen Propheten (4Q339).

Trotz vieler Druckfehler, vor allem in griechischen Wörtern (siehe z. B. 131–139), über die der Leser bedauerlicherweise hinwegsehen muss, ist zu wünschen, dass die Einzelbeiträge des hier besprochenen Sammelbandes das ihnen gebührende Gewicht in der Erforschung der Makkabäerbücher erhalten.