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Ausgabe:

November/2009

Spalte:

1180–1181

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bd. 6/2: Esra I. Hrsg. v. B. Gesche. Lfg. 1: Einleitung. Esra I 1,1–2,16.

Titel/Untertitel:

Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petrus Sabatier neu gesammelt und hrsg. von der Erzabtei Beuron unter der Leitung von R. Gryson.

Verlag:

Freiburg: Herder 2008. 80 S. 4°. Kart. EUR 64,00. ISBN 978-3-451-00301-1.

Rezensent:

Gert Haendler

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Vetus Latina. 52. Bericht der Stiftung. Red.: B. Steimer. 41. Forschungsbericht des Instituts. Red.: R. Gryson. Hrsg. v. d. Stiftung Vetus Latina. Freiburg: Herder 2007. 39 S. 8°. Kart.


Der von Bruno Steimer erstattete 52. Bericht der Stiftung teilt mit, »dass auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten das Stiftungsvermögen durch auf langfristigen Substanzerhalt ausgerichtete Anlagen gesichert sei« (5). Den folgenden 41. Bericht über die Vetus Latina-Forschung gab Institutsleiter Roger Gryson. Er meldet als größten Erfolg den Abschluss des Buches Hester als Band 7/3. Der Bearbeiter Jean-Claude Haelewyck (Louvain-La-Neuve) hatte 2008 die abschließenden Lieferungen 4 und 5 vorgelegt. In ThLZ 134 [2009], 324 f. war über diese so überraschend zügige Vollendung des Bandes 7/3 berichtet worden.

Grysons Bericht nennt weitere sieben Texte, an denen derzeit weltweit gearbeitet wird. In französischer Sprache berichten Jean-Marie Auwers (Louvain-La-Neuve) über das als Bd. 7/1 vorbereitete Buch Tobit (9–11) sowie Pierre-Maurice Bogaert (Maredsous) über das Buch Judith, dessen Faszikel 1 in Bd. 7/2 vorliegt. Auf Deutsch informieren Eva Schulz-Flügel (Tübingen) über Vorbereitungen zum Buch Ecclesiastes in Bd. 10/2 (14 f.) und Wilhelm Blümer (Mainz) über die als Bd. 20 geplante Apostelgeschichte (18–20). Auf Englisch gibt A. J. Forte vom Pontificio Istituto Biblico in Rom Einblick in seine Arbeit zur Fortsetzung des von Walter Thiele als Bd. 11/2 vorgelegten Textes Sirach/Ecclesiasticus (15 f.). Es folgen Informationen von P. H. Burton, H. A. G. Houghton und D. C. Parker von der Universität Birmingham über Vorbereitungen zu Bd. 19 mit dem Johannes-Evangelium (16–18). Kurz erwähnt wird Jeff Kloha vom Concordia Theological Seminary in St. Louis, dessen Arbeit am Text des 1. Korintherbriefes in Bd. 22 keine Fortschritte erbracht hat (20). Ausführlich berichtet Roger Gryson, der den VL-Text der Apokalypse als Bd. 22 in den Jahren 2000–2003 zügig vorgelegt hatte, über sein weiterhin bestehendes Interesse an diesem Text. Ihn fasziniert ein Kommentar zur Apokalypse des Tyconius, dessen Gedanken zu einer Quelle der Inspiration für spätere Kommentatoren der Apokalypse geworden waren (20–30).

Noch eine wichtige Lieferung ist 2008 erschienen: Bonifatia Gesche verweist in Faszikel 1 des Bandes 6/2 auf überaus komplizierte Voraussetzungen für die Arbeit am Buch Esra I. Die Edition beginnt »mit der Übersetzung des Buches Esdras A der Septuaginta, die das erste Buch Esdra der Vetus Latina darstellt. Dieser Text ist, nachdem nicht mehr die Septuaginta, sondern die hebräische Bibel Grundlage für die Auswahl des Kanons geworden ist, als apokryphe Schrift in den Anhang der lateinischen Bibelausgaben gestellt worden, und er fehlt in den meisten modernen Übersetzungen« (5). Für die frühe Kirche, die sich ganz auf den griechischen Bibeltext stützte, galt jedoch Esdras A als kanonisch.

Die Kirchenväter hatten wenig Interesse, es gibt kaum Zitate und Anspielungen (22). Es ergeben sich jedoch Einsichten in die Textgeschichte: Zwei Texttypen sind bekannt, »von denen der ältere die Grundlage der Vulgata-Ausgabe bildete. Bei eingehender Beschäftigung mit der Textrekonstruktion stellte sich heraus, dass jener verbreitete Text, der auch in den modernen Ausgaben der Vulgata verwendet wird, nicht die Übersetzung, sondern vielleicht einen überarbeiteten Text darstellt« (5). In ihrer Einleitung berichtet B. Gesche über die verwendeten Handschriften, die durchweg »zum ersten Mal oder neu kollationiert wurden« (9).
Für ihre Edition sind bestimmte Texttypen entscheidend (14–21). Zur unterschiedlichen Bezeichnung der Bücher wird bemerkt: »Unser Text, also die Übersetzung von Esdras A, entspricht dem Buch ›3. Esra‹ in der Clementina, aber für die Vetus Latina handelt es sich bei dem Text nicht um das dritte Esra-Buch, sondern um das erste von zweien. In der vorliegenden Edition verwenden wir somit die latinisierte Bezeichnung Esra I, während das Buch Esra B der Septuaginta als Esra II bezeichnet wird. Das ist sinnvoll, obwohl in dieser Ausgabe auch die Vulgata-Fassung ediert ist, die sonst den Titel 3 Esra trägt« (23). Die Bearbeiterin spricht mit Recht von einer »verwickelten Überlieferung«, die sie aus der Tatsache erklärt, »dass die Septuaginta ein zusätzliches Esra-Buch gegenüber der hebräischen Bibel enthält« (23).


Insgesamt war das Jahr 2008 erfolgreich für die Vetus Latina mit einem abgeschlossenen Band (7/3) sowie dem Erscheinen einer wichtigen Faszikel 1 von Bd. 6/2, die besonders komplizierte Zu­sam­menhänge darlegt. Feste Terminzusagen für 2009 werden nicht gegeben, aber insgesamt stimmt das weltweite Interesse an dieser hochspezialisierten Arbeit durchaus optimistisch.