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Ausgabe:

März/1999

Spalte:

292 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Keen, Ralph

Titel/Untertitel:

Divine and Human Authority in Reformation Thought. German Theologians on Political Order 1520-1555.

Verlag:

Nieuwkoop: de Graaf 1997. VIII, 327 S. gr.8 = Bibliotheca Humanistica et Reformatorica, 55. Lw. hfl 120.-. ISBN 90-6004-428-2.

Rezensent:

Eike Wolgast

Keens Untersuchung versteht sich als Beitrag zur Geschichte der politischen Theorie; seine Fragestellung formuliert der Vf. S. 10: "To apply the analysis of theological thought to the political theory of theologians in the German-speaking world during the Reformation." Er argumentiert innerhalb einer von ihm entworfenen systematischen Konstruktion und stellt drei Typen von Gemeinwesen für das 16. Jh. vor: Purely Biblical Polity, Mixed Biblical Polity, Mixed Ecclesiastical Polity (13 f.). Dem entsprechen drei Möglichkeiten, theologisch zu denken: Exclusively Biblical Thought, Inclusively Biblical Thought, Inclusively Ecclesial Thought. Der ersten Art, theologisch zu denken, wird die "disjunctive interpretation" zugeordnet, der zweiten die "complementary interpretation", der dritten die "conjunctive interpretation" (vgl. 15 f.).

Nach dieser nicht immer leicht zu durchschauenden theoretischen Schematisierung in der Einleitung behandeln die ersten drei Kapitel die Denkweisen anhand ausgewählter Texte. Kap. 1 über "Inclusively Biblical Thought" erörtert "Magistracy as a Theological Theme", wobei K. die Orientierung am christlichen Fürsten und an der Überzeugung, daß die weltliche Ordnung eine göttliche Einrichtung sei, als für den deutschen Protestantismus prägend herausstellt. Als Referenzautoren zitiert er neben Brenz und Bucer vor allem Melanchthon. Das zweite Kapitel über "Inclusively Ecclesial Thought" konzentriert sich auf die Sicht der Kirche (locus de ecclesia) bei den altgläubigen Theologen. Für sie gibt es kaum einen "gap between ecclesiology and political power" (60), da die weltlichen Einrichtungen eindeutig der römischen Kirche untergeordnet werden. Einen spezifischen locus de magistratu kennt die katholische systematische Theologie nach K. im Reformationszeitalter nicht. Im dritten Kapitel über "Exclusively Biblical Thought: The Call of the Community" wird der Standpunkt der Radikalreformer dargelegt, deren sogenannte "simplicity" in ihrer Nutzung der Bibel als Norm gleichermaßen für das theologische wie das soziale Denken begründet ist.

Der Vf. räumt selbst ein (vgl. 274), daß diese ersten Kapitel inhaltlich nicht viel Neues bieten, originär ist vor allem das systematisierende Vorgehen und die gewählte Terminologie, die aber nicht eigentlich zu einem vertieften Verständnis auch bisher schon bekannter Positionen beiträgt.

In den Kapiteln 4-7 will der Vf. die "sub-traditions" hinter den drei Ansätzen politischer Theologie aufspüren. In der Analyse dieser "sub-traditions" sieht er zu Recht "newer and more speculative work, fraught with the risks which attend a preliminary investigation into a vast subject" (274). Behandelt werden in umfangreichen Kapiteln: Biblical Authority and Political Power; The Rule of Law; The Role of Reason; The Use and Abuse of History - jedesmal sind die protestantischen, altkirchlichen und radikalreformatorischen Positionen in Interpretation wichtiger, teilweise aber auch unbekannter Autoren dargestellt. Aus dieser vergleichenden Konfrontation von Standpunkten sind in der Tat manche Anregungen zu gewinnen, wenngleich sich wirklich neue Aspekte auch in diesem Teil kaum erkennen lassen. In einem Anhang wird kurz die Institutionalisierung der "Mixed Biblical Polity" besprochen: Philipp von Hessen als Beispiel des christlichen Fürsten, Visitation und Kirchenordnung, Behandlung von Täufern und Juden. Ein zweiter Anhang beschäftigt sich auf drei Seiten ziemlich belanglos mit "Marriage, Religion, and Law" am Beispiel der Doppelehe Philipps von Hessen.

Der Vf. konzentriert sich in seiner Untersuchung gan z auf die von ihm ausgewählten Quellen und läßt die moderne, insbesondere die deutschsprachige Literatur weithin außer acht; wo er sie benutzt, wirkt dies eher zufällig. Mitunter greift er auf längst veraltete Arbeiten zurück. So wird auch statt der NDB prinzipiell die ADB angeführt, ebenso sind die Texte des 16. Jh.s auch dort häufig nach den Originalen zitiert, wo moderne Editionen vorliegen.