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Ausgabe:

Oktober/2009

Spalte:

1052–1054

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Pohlmann, Karl-Friedrich

Titel/Untertitel:

Ezechiel. Der Stand der theologischen Diskussion.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2008. 232 S. 8°. Geb. EUR 59,90. ISBN 978-3-534-16527-8.

Rezensent:

Johanna Erzberger

Der emeritierte Münsteraner Alttestamentler Karl-Friedrich Pohlmann bietet einen strukturierten Überblick über die Ezechielforschung der letzten 30 Jahre, die eine sich im Anschluss an B. Lang, Ezechiel. Der Prophet und das Buch, Darmstadt 1981, ergeben ha­bende Lücke schließt.
P.s Literaturberblick orientiert sich an unterschiedlichen me­thodischen Herangehensweisen der untersuchten Literatur einerseits und ihren unterschiedlichen Fragestellungen andererseits. Mit beiden Kriterien interferiert ein drittes inhaltliches, das die untersuchte Literatur nach den von ihr über die Genese des Ez-Buches getroffenen Aussagen sortiert. In­nerhalb dieses Rasters stellt P. die Forschungsliteratur in ihren eigenen Traditionen dar.
P. beginnt mit einem kurzen Abriss der Geschichte Israels, dem eine zusammenfassende Darstellung der Textzeugen folgt. Innerhalb der übergreifenden Literatur zum Ezechielbuch unterscheidet P. drei Gruppen. Eine erste Gruppe bildet die Literatur, die den Endtext auf der Basis einer synchronen Herangehensweise auslegt. Darunter fällt Literatur, die das gesamte Werk mindestens in groben Zügen einem historischen Autor, entweder dem historischen Ezechiel oder dem Autor einer pseudepigraphen Schrift, zuordnet, gegen P.s Anspruch punktuell aber auch eine, die von einer komplexeren Genese des Buches durchaus ausgeht, sie aber entweder nicht für entschlüsselbar hält oder nicht nach ihr fragt (45). Entsprechend beschreibt P. in den beiden anderen Gruppen weniger Literatur, die das Ezechielbuch als Ergebnis sukzessiver Fortschreibung und Überarbeitung wertet, als vielmehr solche, deren Bemühen dahin geht, diesen Fortschreibungsprozess sichtbar zu ma­chen. Selbstverständlich ordnet P., der sich auch selbst rezipiert, sich der abschließend dargestellten Gruppe zu. In der sich anschließenden Darstellung einer Genese des Buches, die P. als die ihm wahrscheinlichste Lösung präsentiert, verbindet er vier sukzessive Überarbeitungsschichten mit aufeinander folgenden Stadien theo­logischer Reflexion in sich ablösenden historischen Kontexten. Eine Grundstufe verortet sich in zeitlicher Nähe zum Propheten. Zwei darauf aufbauende Bearbeitungsstufen reflektieren zunächst die Situation der babylonischen Gola, um dann den Blick auf das in aller Welt verstreut lebende Israel zu richten. Eine vierte zeigt Züge apokalyptischer Literatur. Auch diese Darstellung dient der Präsentation von Publikationen. Die Gesamtentwürfe, die P.s Gewährsleute für einzelne der von ihm veranschlagten Redaktionen, von dessen Gesamtkonzept ab­weichend, selbst vertreten, werden allerdings nicht mehr als angerissen.
Ein nachfolgendes Kapitel geht unter Zuhilfenahme eines dem vorausgegangenen Forschungsüberblick entsprechenden Ras­ters Li­teratur zu in der Forschung häufig untersuchten und also als zentral empfundenen Textkomplexen des Ezechielbuches durch. Es folgt ein kürzeres über zentrale übergreifende Fragestellungen. Im Zuge der Darstellung solcher Literatur, die nach dem historischen Ezechiel fragt, verweist P. auf die Disparatheit der Forschungslage. Sicherheiten gibt es nicht. Dies allerdings gilt auch für von P. selbst zur Diskussion gestellte Da­tierungen. Ein letztes, die Genese des Ezechielbuches betreffendes Kapitel weitet den Blick über das Ezechielbuch hinaus und stellt den Einfluss anderer bib­lischer wie außerbiblischer Größen auf das Ezechielbuch zur Dis­kussion. Die Bezeichnung ›Intertextualität‹ trifft den beschriebenen Sachverhalt insofern nicht, als es P. nicht eigentlich, auch nicht im Sinne von Abhängigkeitsverhältnissen, um Bezüge zwischen Texten geht, sondern eher um Traditions- als um Redaktionskritik. Ein kurzer Überblick über Arbeiten zur Wirkungsgeschichte be­schließt den Band.
Die historische Genese des Textes scheint P. die der Forschung eigentlich zukommende Fragestellung zu sein. Das eigene Forschungsinteresse P.s spiegelt sich in der Struktur seines Buches. Dass er die Beschreibung der behandelten Literatur auf das eigene abschließende Konzept hin sortiert, ist P. nicht vorzuwerfen. Eine doppelte Differenzierung nach solchen Autoren, die nach der historischen Genese des Buches fragen – darunter solchen, die auf den historischen Ezechiel selbst zurückgehen, und solchen, die eine später einsetzende und länger andauernde Genese voraussetzen – und solchen Autoren, die den Endtext unter – weitgehender – Absehung von seiner Vorgeschichte in den Blick zu nehmen beanspruchen, wäre unabhängig von ihrer Wertung exakter gewesen.
Das Gegenüber von synchroner und diachroner Herangehensweise ist in der Darstellung P.s ein ständiges Begleitmotiv. Gegen P. blendet Endtextexegese »kontrovers reflektierende Stimmen in den Texten« (106) jedoch nicht notwendig aus. Denkbar bleibt, sie als kontroverse Stimmen im Endtext zu verstehen, deren für seine historische Genese konstitutiver Charakter in ihm selbst nicht thematisch wird. Nichtsdestotrotz weist P. auf synchroner Exegese inhärente Gefahren hin: 1. Wo jemand, wenn ein Gesamtentwurf sich nicht bis in alle Details einer Schrift hinein durchhalten und durchgehend behaupten lässt, im Einzelfall auf historische Verwick­lungen verweist (42), widerspricht das zwar nicht zwingend den Vorannahmen P.s (41). Dem Anspruch, Endtextexegese zu treiben, ist er aber nicht gerecht geworden. 2. Umgekehrt be­steht die Gefahr einer Harmonisierung der Aussagen im biblischen Text (107.123.210). Die Darstellung der Textzeugen lenkt den Blick positiv darauf, dass auch ein Ausleger des Endtextes diesen erst zu benennen hat. P.s Postulat, »Sofern man sich der Möglichkeit begibt, auf literar- und redaktionskritischem Wege den die Genese des Ez-Buches begleitenden Fragestellungen und theologischen Reflexionsprozessen deutlicher auf die Spur zu kommen, wird man letztlich auch die theologischen Anliegen der Endversion(en) in ihrer Besonderheit nicht wahrnehmen können.« (106), ist bedenkenswert.
Mancher Anfragen ungeachtet ist P.s Systematik durch das Netz von Bezügen, mit dem sie einzelne Werke verknüpft, hilfreich. Sie erleichtert dem Leser die Verortung der in großer Vollständigkeit aufgeführten Literatur in bezug auf den eigenen Standpunkt. Stellenweise geht P. über eine Darstellung der vorhandenen Literatur hinaus, auch über eine wertende.