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Ausgabe:

Dezember/1996

Spalte:

1144 f

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Schäfer, Peter und Klaus Herrmann [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Übersetzung der Hekhalot-Literatur, I: §§ 1–80. In Zusammenarbeit mit U. Hirschfelder u. G. Necker

Verlag:

Tübingen: Mohr 1995. LXIII,191S. gr.8° = Texte und Studien zum Antiken Judentum, 46. Lw. DM 128,­. ISBN 3-16-145194-5

Rezensent:

Stefan Schreiner

Mit dem jetzt erschienenen ersten (und zugleich letzten) Band der Übersetzung der Hekhalot-Literatur ­ die Bände II-IV waren bereits in den Jahren 1987-1991 herausgekommen (vgl. Rez. in ThLZ 120, 1995, 134-136) ­, liegt nunmehr das vierbändige Übersetzungswerk zur Hekhalot-Literatur vollständig vor. Ergänzt werden soll es nur noch durch einen bereits angekündigten, separat erscheinenden Registerband. Damit ist das 1981 von P. Schäfer begonnene großeProjekt der Erschließung der Hekha-lot-Literatur insgesamt zum Abschluß gebracht worden, wofür ihm und allen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ebenso wie dem Verlag an dieser Stelle ausdrücklich zu danken ist.

Wie im Titel angezeigt, enthält der Band I die Übersetzung der §§ 1-80 der Synopse der Hekhalot-Literatur, also die Makroform jenes Textes, der üblicherweise der 3. Henoch genannt wird. Die Übersetzung selber ist im wesentlichen wiederum nach den in Bd. II (XXXII ff.) bereits festgelegten Richtlinien erarbeitet worden. Im vorliegenden Band zugrunde gelegt ist ihr die Handschrift "MS Vatikan ebr. 228" (abgedruckt in der Synopse [4-39], jeweils auf den Seiten mit ungeraden Nummern). Ausgewählt wurde sie, weil sie "insgesamt das älteste Überlieferungsstadium der europäischen Handschriften-Tradition bewahrt hat" (LIV). Konsultiert wurden darüber hinaus gleichwohl weitere 20 Handschriften (XI ff.), von denen 14 sogar durchgängig verglichen wurden (LXII f.), darunter auch solche, die in der Synopse noch nicht berücksichtigt werden konnten. Anordnung und Gliederung des Stoffes folgen der Paragrapheneinteilung der Synopse. Abweichende Lesarten sowie Varianten werden in den Fußnoten zur Übersetzung geboten. Nur gelegentlich werden einzelne Paragraphen synoptisch übersetzt abgedruckt, so in den §§ 5, 20, 22, 25 f., 35, 61 f., 71-78 u. 80 (LXII f.).

Die Übersetzung selber gibt den zugegebenermaßen oft spröden Text trotz allem gut lesbar und zuverlässig wieder (1-191). Erläuterungen, soweit sie zum unmittelbaren Verständnis des Textes erforderlich sind, einschließlich Querverweise auf parallele Überlieferungen und evtl. Anklänge an rabbinische Texte, sind ebenfalls in den Fußnoten untergebracht. Eine durchgehende Kommentierung ist freilich auch in diesem Band weder beabsichtigt noch angestrebt. Vorangestellt ist der Übersetzung eine ausführliche Einleitung (VII-LXIII). Sie schließt mit einer detaillierten Übersicht über Aufbau und Inhalt des 3. Henoch, die zugleich eine thematische Gliederung des Textes enthält (LV-LXII). Besonders aufschlußreich, da weit über die entsprechenden Abschnitte in der Synopse hinausgehend, sind die Kap. 1-3 der Einleitung (VII-XLIX), in denen alle bis heute bekannt gewordenen Handschriften (Liste: XII-XV) sowie relevanten alten Drucke eingehend analysiert und jeweils im Hinblick auf eine/die Textgeschichte des 3. Henoch ausgewertet werden. Demnach dürfte der durchgängig in Hebräisch verfaßte und "ungleich stärker als andere Hekhalot-Texte an der traditionellen rabbinischen Theologie orientierte" 3. Henoch (L) zwischen dem 6. und 10. Jh. entstanden sein; als Entstehungsort kommt am ehesten das gaonäische Babylonien in Betracht (LIII f.).

Mit dieser vorzüglichen Bearbeitung des 3. Henoch, ihrer Neuedition und verläßlichen Übersetzung, ist für alle weitere Beschäftigung mit diesem Text, der nicht zuletzt unter den haside ashkenaz, den Frommen im mittelalterlichen Deutschland, auf spezifisches Interesse gestoßen ist und (s)eine besondere Rezeption(sgeschichte) erlebt hatte (XLIX), nicht nur eine neue tragfähige Grundlage geschaffen worden; vielmehr hat sie zugleich auch die erstmals 1928 veröffentlichte und zu ihrer Zeit zweifellos sehr verdienstvolle Edition des 3. Henoch durch Hugo Odeberg ebenso wie die auf ihr basierenden Übersetzungen und z. T. auch monographischen Bearbeitungen obsolet werden lassen.