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Ausgabe:

September/2009

Spalte:

966

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Probst, Manfred

Titel/Untertitel:

Besessenheit, Zauberei und ihre Heilmittel. Dokumentation und Untersuchung von Exorzismushandbüchern des Girolamo Menghi (1523–1609) und des Maximilian von Eynatten (1574/75–1631). Unter Mitarbeit v. M. Reinhold, M. Hermann u. M. Kristopeit.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2007. XXIV, 302 S. gr.8° = Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen, 97. Kart. EUR 45,00. ISBN 978-3-402-04076-8.

Rezensent:

Volker Leppin

Der Band kündigt an, mit zwei von der DFG geförderten Forschungsprojekten »Schneisen in einen Dschungel« zu schlagen (X) – hinterlässt bei der Lektüre allerdings den Eindruck, dass der Dschungel wohl recht dicht sein muss, denn die Weise der hier vorgenommenen Ergebnispräsentation ist kaum geeignet, in größerem Ausmaß erhellend zu wirken. Der Forschungsgegenstand aber ist tatsächlich interessant: P. rückt in den Mittelpunkt seiner Präsentation drei Exorzismushandbücher aus dem zeitlichen Umfeld des Rituale Romanum von 1614, zwei von dem Franziskaner Girolamo Menghi aus den Jahren 1576 und 1584 und eines von dem Antwerpener Domherren Maximilian von Eynatten aus dem Jahre 1619.

Diese Handbücher werden über weite Strecken »sachgetreu« (7 u. ö.) übersetzt, mal paraphrasiert und gelegentlich auch interpretiert; dass dabei Kursivdruck mal für Zusammenfassungen (6), mal für Überschriften und mal für rubrikale Anweisungen (33, Anm. 39) verwendet wird, erleichtert das Zurechtfinden in den Übersetzungen ebenso wenig wie das Einstreuen wertender Bemerkungen (49: »mit einem vollmundigen Titel«) in die Paraphrasen. Für den akademischen Gebrauch in Forschung und Lehre hätte man sich ohnehin auch eine Edition der Ursprungstexte, gegebenenfalls eine zweisprachige Ausgabe gewünscht; dass im Falle eines Gedichts dann doch der lateinische Text wiedergegeben wird und nur in der Fußnote eine Übersetzung (47), kann diesen durchgängigen Mangel nicht ausgleichen.

In interpretatorischer Hinsicht erfolgt bei dem Werk Eynattens immer wieder ein Vergleich mit dem Rituale Romanum, der die Besonderheit des Werkes Eynatten hervorhebt. Hauptaspekt der Gesamtinterpretation ist, dass man in Menghi eher den klassischen Typus des Hexenverfolgers vor sich hat, in Eynatten hingegen einen Vertreter pastoraler Zuwendung zu den Betroffenen. Im größeren Bogen wird deutlich, dass die Exorzismushandbücher als eigener liturgischer Buchtypus gesehen werden können und ihre Vielfalt um vieles höher ist, als es die übliche Konzentration der Rekonstruktionen auf das Rituale Romanum erkennen lässt.

Bedenkt man die großen Leistungen historisch orientierter römisch-katholischer Liturgiewissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten, so ist man über das geringe Maß an historischer Kontextualisierung erstaunt. Eine Einordnung wie die, dass Eynatten »Kind[er] seiner Zeit« gewesen sei und »man ihm zugute halten« müsse, »dass er als Mensch der frühen Neuzeit noch keine oder nur wenige Kenntnisse der Naturgesetze besaß« (234), zeigen in ihrer freundlichen Bemühtheit wenig Brührung mit der regen Erforschung gerade des Konfessionellen Zeitalters in der Kirchengeschichte. Dankenswerterweise gibt P. in seinem Quellenverzeichnis zum Teil auch die bibliothekarischen Fundorte der von ihm vorgestellten Werke an. Das gibt der weiteren Forschung vielfältige Gelegenheit, sich den interessanten Aspekten dieser Werke zuzuwenden, die geeignet sind, einen Einblick in die konfessionelle Welt des sich formierenden nachtridentinischen Katholizismus und seiner, trotz Trient, beibehaltene Vielfalt zu verschaffen. So kann das vorliegende Werk vielleicht andere ermuntern, sich in den Dschungel aufzumachen und zu versuchen, weiteres Licht in ihn zu bringen.