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Ausgabe:

September/2009

Spalte:

950–952

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Eustathii Thessalonicensis De emendanda vita monachica.
Recensuit germanice vertit indicibusque instruxit K. Metzler.

Verlag:

Berlin: de Gruyter 2006. 56*, 270 S. gr.8° = Corpus Fontium Historiae Byzantinae, 45. Lw. EUR 98,00. ISBN 978-3-11-018904-9.

Rezensent:

Peter Schreiner

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Metzler, Karin: Eustathios von Thessalonike und das Mönchtum. Untersuchungen und Kommentar zur Schrift De emendanda vita monachica. Berlin: de Gruyter 2006. XIII, 624 S. gr. 8° = Supplementa Byzantina. Texte und Untersuchungen, 9. Lw. EUR 128,00. ISBN 978-3-11-018905-6.


Im Gegensatz zum lateinischen Westen sind tiefgreifende Reformen des Mönchtums in Byzanz ebenso selten wie Mönchs- und Klosterkritik und die damit verbundenen Reformschriften. Mönchskritik findet sich in kirchenrechtlichen Kommentaren und in der in gehobenen Laienkreisen zirkulierenden Satire (vgl. G. Podskalsky, Zur byzantinischen Mönchskritik, in: W. Seibt, Ge­schichte und Kultur der Palaiologenzeit. Wien 1996, 183–196). Die einzige Ausnahme (neben zwei kleinen Traktaten des Symeon von Thessalonike aus dem 15. Jh.) stellt die unter dem (von Erstübersetzer Theophilos Tafel gewählten) lateinischen Titel »De emendanda vita monachica« bekannte ausführliche Schrift des Gelehrten und Metropoliten von Thessalonike, Eustathios, dar, die im Original den Titel »Betrachtung ( episkepsis) des mönchischen Lebens zur Besserung seiner Anhänger« trägt. Sie war bisher nur in der auf einer einzigen Handschrift basierenden Ausgabe von Theophilus Tafel (Frankfurt 1832, Nachdruck Amsterdam 1964) zusammen mit einer deutschen Übersetzung zugänglich, nachgedruckt, mit lateinischer Übersetzung, in Band 135 der Patrologia Graeca. Beginnend 1995 hat Karin Metzler – klassische Philologin, Byzantinistin und Patristikerin – eine neue textliche Grundlage erstellt, die die Voraussetzung für den Kommentarband bildet. Der Textband ist in der Berliner Serie des Corpus Fontium Historiae Byzantinae erschienen und folgt auch dessen internationalen Normen in der äußeren Anlage und den editorischen Grundsätzen, auch wenn die Schrift von ihrem Inhalt her nur cum maximo grano salis in dieses Corpus passt und Eustathios über eine solche Platzierung sicher etwas erstaunt gewesen wäre.

M. kann drei nicht unmittelbar miteinander zusammenhängende Handschriften zu Grunde legen, von denen eine (die Tafel als einzige benutzte) einem Eustathios-Corpus in Basel entstammt, die zweite (in Wien) einer theologischen Sammelhandschrift und die dritte einer noch nicht katalogisierten kirchenrechtlichen Sammlung in der Bibliotheca Vaticana. Es ist schade, dass kein einziges Handschriftenspecimen dieser Ausgabe beigegeben ist. Die Edition ist, erstmals in der Series Berolinensis, synoptisch von einer deutschen Übersetzung begleitet. Der Bearbeiterin und dem Reihenherausgeber (Athanasios Kambylis) kann für diese längst fällige »Neuerung« nur der wärmste Dank aller Benutzer ausgesprochen werden. Der griechische Text enthält einen gründlich gearbeiteten Quellenapparat und den üblichen kritischen Apparat. Er folgt in der Interpungierung den im deutschsprachigen Bereich üblichen Regeln, nicht der in jüngster Zeit immer häufiger geforderten Zeichensetzung der (byzantinischen) Handschrift, eine Festlegung, die der Rezensent nur nachdrücklich begrüßen kann. Es ist nicht Aufgabe einer Rezension an dieser Stelle, sich mit der philologischen Gestaltung des griechischen Textes auseinanderzusetzen. Da Eustathios stilistisch und lexikalisch zu den kompliziertesten Autoren der byzantinischen Literatur zählt, wird sich der Leser in erster Linie an die deutsche Übersetzung – neben einer neugriechischen aus dem Jahr 2003 die einzige in eine moderne Sprache – halten, die, nicht ohne dann und wann auf Tafels Version hinzusehen, M. in werkgetreuer und gut lesbarer Form neu ge­staltet hat. Die zahlreichen inhaltlichen, stilistischen und lexika­lischen Probleme, die sich aus der Übersetzung ergeben, sind Ge­genstand eines zweiten Bandes, der nun kritisch präsentiert werden soll.

Er stellt, um ein Ergebnis schon vorwegzunehmen, eine un­erlässliche Ergänzung zum Text und Übersetzungsband dar und gliedert sich in Untersuchungen (1–309) und Kommentar (311–600). Der erste Teil widmet sich im Wesentlichen zwei Problemkreisen: a) der Entwicklung des byzantinischen Mönchtums bis ins 12. Jh. mit einem Schwerpunkt auf jenen Erscheinungen – Bereicherung, Gyrovagie, Unbildung, Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit –, die auch die Abfassung dieser Schrift veranlassten. b) den verschiedenen literarischen Aspekten, einschließlich einer philologisch minutiösen Untersuchung von Stilistik und Lexik. Dabei bereitet das Genus der Schrift (80 ff.) M. vielleicht etwas zu viel Kopfzerbrechen. Sicher ist sie keine Satire (was für die Mönchskritik der Ptochoprodromika zutrifft), sondern eine Rede, die als Kern den Psogos (Tadel) zum Inhalt hat. Den Adressatenkreis behandelt M. an mehreren Stellen und unter unterschiedlichen Gesichtspunkten (162 ff.166.182 f.293 ff.). Sicher waren es nicht die getadelten Mönche in der thessalonizenser Diözese und der Text entstand bald nach 1180 während einer erzwungenen Präsenz in Konstantinopel. Der gehobene, oft bis ins manieriert Unverständliche reichende Stil und viele gelehrte Anspielungen lassen an ein Publikum in den hohen Hofkreisen Konstantinopels denken, wofür sich mit gewissem Zögern auch M. entscheidet. Wie bei allen Reden und Predigten des Eustathios stellt sich m. E. auch hier die Frage, ob nicht eine kürzere, dem mündlichen Vortrag dienende Version existiert hat, ein Problem, das der gesamten byzantinischen Hofrhetorik eigen ist. Aus der Fülle der von M. angeschnittenen literarischen und philologischen Fragen möchte ich nur noch das »Register monastischer Kernbegriffe« herausgreifen (213–255), da eine derartige lexikalisch-semasiologische Zusammenstellung bisher nicht existierte. So geht M., um nur ein Beispiel herauszugreifen, beim Begriff »angelikos« (engelgleich) zunächst von einer Zusammenfassung aller Stellen in der »Episkepsis« aus, um sie dann mit den gleichen Be­griffen in ausgewählten anderen Werken der monastischen Literatur zu vergleichen. Mit 57 Begriffen entsteht ein kleines Lexikon zur byzantinischen (oder orthodoxen) Mönchsterminologie. Im Kommentarteil, den wir hier nur unzureichend und nicht seiner Bedeutung entsprechend werten können, resümiert M. zunächst jedes Kapitel nach Art eines Regestes und schließt dann einen (überwiegend) philologischen Kommentar an, der auch auf besondere Problemstellen der Übersetzung eingeht und zusammen mit dem Textband zu verwenden ist.
Mit den beiden Bänden hat M. nicht nur einen entscheidenden, zukunftsweisenden Beitrag zu Person und Werk eines der größten Gelehrten der byzantinischen Welt geleistet, sondern in gewissem Sinn auch ein Handbuch zum (nicht: des) byzantinischen Mönchtum geschaffen, vorbildhaft in philologischer und literarischer Akribie und der jahrelangen Mühen (VIII) wert, die keinem ernsthaften Forscher erspart bleiben.