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Ausgabe:

September/2009

Spalte:

938–939

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ziemann, Benjamin

Titel/Untertitel:

Sozialgeschichte der Religion. Von der Reformation bis zur Gegenwart.

Verlag:

Frankfurt a. M.-New York: Campus 2009. 189 S. m. 1 Abb. 8° = Historische Einführungen, 6. Kart. EUR 16,90. ISBN 978-3-593-38916-5.

Rezensent:

A. B.

Der an der University of Sheffield (United Kingdom) lehrende Neuzeit-Historiker Z. hat eine bündige, präzise und differenzierte Einführung in die »Sozialgeschichte der Religion« vorgelegt. Dass er sich dabei in dreifacher Hinsicht beschränkt – historisch auf die Zeit von der Reformation bis zur Gegenwart, geographisch auf Mittel- und Westeuropa sowie die USA, gegenständlich auf die christlichen Konfessionen und das Judentum –, erscheint, auch ohne eingehend begründet zu werden, als sachdienlich und legitim.

Angesichts einer sowohl massenmedial wie auch geschichtswissenschaftlich unübersehbar gewordenen »Wiederkehr der Götter« (F. W. Graf) will – und kann! – diese Einführung verlässlichen Überblick bieten über die durch allerlei praktische Beispiele veranschaulichten wichtigsten Begriffe, Konzepte und Probleme einer neuzeitlichen Sozialgeschichte der Religion.

Nach einleitender Verständigung über »Leitbegriffe und Fragestellungen« rekonstruiert Z. zunächst drei »Prozesse religiösen Wandels«, nämlich den in der Säkularisierung greifbar werdenden sozialen Funktionswandel (nicht: Funktionsverlust!) von Religion, ferner den durch die Reformation ausgelösten Prozess der Konfessionalisierung und schließlich die dadurch beschleunigte religiöse Organisationsbildung. Ein weiteres Kapitel analysiert »Dimensionen religiöser Vergesellschaftung« anhand der sich wandelnden religiösen Rollen- und Berufsbilder, der geschlechtergeschichtlichen Relevanz der Religion und der Modernisierungsgeschichte der religiösen Kommunikationsmedien. Zwei knappe Kapitel erörtern abschließend das nicht allein in den »politischen Religionen« greifbare Phänomen der »Ersatzreligion« sowie die spezifisch neuzeitlichen »Differenzierungen des Religiösen«.

Das in der auf die veränderten Studienbedingungen zugeschnittenen Reihe »Historische Einführungen« erschienene Ta­schenbuch bietet in präziser Sprachgestalt durchweg verlässliche Information und leitet zu vertiefenden selbständigen Studien an. Marginalien geben die Schwerpunkte der Darstellung auf den ersten Blick zu erkennen, und ein lustiges Symbol verweist immer wieder auf im Internet zusätzlich bereitstehende, kommentierte Schrift-, Bild- und Audioquellen.

Erfreulich ist nicht zuletzt, dass Z. die Verkürzungen einer »säkularen Sozialgeschichtsschreibung, die Religion lange Zeit als randständiges Phänomen oder sogar als Hindernis des Fortschritts betrachtet hat« (8), konsequent korrigiert. Wenn er andererseits die moderne Kirchengeschichtsschreibung ebenfalls distanziert, in­dem er ihr nacheinander konfessionelle Bindung (8), eine »heilsgeschichtliche Perspektive« (13) und »konfessionelle Separierung« (15) unterstellt, dann wird man den dadurch angesprochenen Fachvertretern am besten eine aus selbstkritischer Prüfung resultierende solide Gelassenheit anraten wollen. Dass es Z. in Wirklichkeit besser weiß, zeigt schon ein Blick in das Verzeichnis der von ihm konstruktiv genutzten Forschungsliteratur, die fast zur Hälfte aus der Feder von Kirchenhistorikern stammt.