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Ausgabe:

Juli/August/2009

Spalte:

836–838

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Kinzig, Wolfram, u. Volp, Ulrich [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

God and Murder. Liter­ary Representations of Religion in English Crime Fiction. Darstellungen von Religion in englischsprachiger Kriminalliteratur.

Verlag:

Würzburg: Ergon 2008. 192 S. m. 1 Abb. u. 2 Taf. gr.8° = Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft, 3. Geb. EUR 34,00. ISBN 978-3-89913-641-8.

Rezensent:

Ekkehard Mühlenberg

Mit Hilfe der Lutherbibel findet man das erste Fußballspiel (›Der Herr sprach zu Noah: Geh du in den Kasten, ich will stürmen.‹ Gen7). King James’ Bible führt uns zur ersten Eisenbahn (›God’s train filled the temple.‹ Jes 6,1). W. Kinzig und U. Volp entdecken für uns: »Der Gott der biblischen Tradition kann als der erste Detektiv gelten, wenn er den ›ersten Mordfall der Menschheitsgeschichte‹, den Mord Abels durch Kain (Gen 4), in kurzer Zeit aufklärt und löst« (7). Die Einleitung der beiden Kirchengeschichtler beginnt: »Zwischen Gott und Mord, Religion und Verbrechen, Detektivromanen und religiöser Reflexion scheinen vielfältige Zusammenhänge zu bestehen« (7). Einige solcher Zusammenhänge werden in dem Sammelband vorgestellt. Nachdem in der Einleitung resümiert wurde, dass es an wissenschaftlicher Literatur bisher fehle (15), sollen einige Beiträge einen anregenden Anfang machen. Das Phänomen Religion in Kriminalromanen, vornehmlich englischsprachigen und insbesondere bei P. D. James, wird dabei in zwei verschiedenen Weisen namhaft gemacht, nämlich im Setting und in der Grundthematik.
Dem Setting sind die ersten drei Beiträge gewidmet; sie heben auch hervor, wie sich englische Kriminalromane in die postmoderne Literatur einreihen. Die Anglistin Gislind Rohwer (Murder in Cathedrals. The Church as a Gothic Crime Scene in Peter Ackroyd’s Hawksmoor, 17–27) demonstriert überzeugend, wie in diesem Ro­man von 1986 das Genre »gothic novel« wieder auflebt und sich das »Erhabene« (the sublime) schaudererregend mit dem Charakter des Bösewichts vermischt. Der Literaturwissenschaftler Uwe Baumann erläutert, wie »Pilgerreisen nach Canterbury« in Anknüpfung an Chaucers »Canterbury Tales« einen erfolgreichen Typ historischer Kriminalromane begründen (Paul C. Doherty und sein Pseudonym Celia L. Grace). Der historische Kriminalroman könne auch Detektivfiguren wie Nonnen, Mönche und Priester aufnehmen, aber Religion sei darin kein literarisches Motiv (29–57). Der Erziehungswissenschaftler Volker Ladenthin belegt, wie die Detektivfigur in Abgrenzung von der Allwissenheit Gottes eingesetzt wurde (73–93). Zu Recht, Gerechtigkeit und Schuld als dem Grundthema des Detektivromans tragen bei W. Kinzig (95–105) und, in Interpretation von P. D. James’ »A Certain Justice« (dt. »Was gut und böse ist«), der praktische Theologe Kristian Fechtner (153–164). Interessant sind die Beobachtungen U. Volps zur Frage des Selbstmords im Kriminalroman, der je nach seiner ethischen Wertung in der De­tektivgeschichte aufgeworfen und ausgeschaltet wird (107–128). Der systematische Theologe Michael Roth fragt tiefsinnig nach der moralischen Perspektive in Detektivromanen (129–151). Quer zum Thema steht der Beitrag des Strafrechtlers Thorsten Verrel, weil er statistisch belegt, dass Mord ein sehr seltenes Verbrechen und dass Mord aus religiösen Motiven nicht aktenkundig sei.
Über Erträge, die in diesem Sammelband für die theologische Reflexion formuliert werden, kann man unterschiedlich urteilen. Ich begnüge mich damit, drei Aussagen zu zitieren. Das Strickmus­ter des klassischen Detektivromans ist bekannt: eine Leiche und die am Ende erfolgreiche Suche nach einem Mörder. Über das Rätselraten des ›Whodunit‹ hinaus kann noch gesagt werden, dass ein Mord die menschliche Rechtsordnung abgründig stört und die Überführung eines Schuldigen die Welt wieder in Ordnung bringt, weil das Böse dingfest gemacht ist. Roth erwartet vom Detektivroman die »literarische Aufarbeitung eines Verbrechens: nachvollziehbar zu machen, wie dieses in der Tat exklusive Verbrechen Konsequenz derselben Mechanismen ist, die wir bei uns selbst beobachten können, und damit zu zeigen, wie in den in uns wirksamen Mechanismen immer schon der Keim des Mordens steckt« – mit dem Ziel: » unserer Verurteilung« (150 f.). – Fechtner zu P. D. James: »Das Ritual der Aufklärung bricht sich selbst, indem es vollzogen wird. Seine theologische Wendung wäre dann: dass Schuld nicht (mehr) dadurch geklärt wird, indem sie zugewiesen oder nachgewiesen wird, sondern (erst) dort, wo sie übernommen und akzeptiert wird« (163). – Kinzig: »This is the ultimate paradox of the crime writer’s existence: to describe the horror and the irresistible force of evil and yet deny that it prevails. In the world as it is described in Chris­tian terms, there is no end, no satisfaction. Evil can go on as long as this world exists. Its force is so powerful that it cannot be overcome by human effort but will be overcome by the Divine Detective alone in the future world in a way which we are unable to anticipate« – aber Hoffnung, die ermutigt, das Böse einzudämmen (105).
Am Schluss wird eine Lesung von P. D. James in Bonn reproduziert. Sie liest und kommentiert Passagen, in denen Religion explizit behandelt wird: »... primarily for our entertainment and relief. But it seems to me that the religious impulse in human beings is so powerful that it’s difficult to write a book which doesn’t have at least some aspect of spirituality about it« (182).