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Ausgabe:

Juli/August/2009

Spalte:

808–810

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Smith, Barry D.

Titel/Untertitel:

What Must I Do to Be Saved? Paul Parts Company with his Jewish Heritage.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Phoenix Press 2007. XIV, 285 S. gr.8° = New Testament Monographs, 17. Geb. EUR 75,00. ISBN 978-1-905048-82-3.

Rezensent:

Timo Laato

Barry D. Smith behandelt drei zentrale Fragen, und zwar: 1. Wie ist die Soteriologie des Judentums (»Second-Temple Judaism«) zu beschreiben und zu beurteilen (Kapitel 1)? 2. In welcher Hinsicht unterscheidet sich die Soteriologie des Paulus von der des Judentums (Kapitel 2)? 3. Ist die Soteriologie des Paulus konsequent (Kapitel 3)? Zum Schluss folgt noch eine Zusammenfassung.
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, beachtet S. be­sonders die anthropologischen Voraussetzungen des Judentums und des Paulinismus. Das ist sehr lobenswert. Nach dem Stand der Forschung erweist sich ein solches Verfahren als Desiderat der theologischen Analyse (s. The Nordic Paul. Finnish Approaches to Pauline Theology. Ed. by L. Aejmelaeus and A. Mustakallio, ESCO 374, London-New York 2008, 13 f.40–44). Auf diesem Gebiet gibt es noch viel zu tun. S. hat seine Aufgabe in den Hauptzügen sehr gut gemeistert. Er untersucht die relevanten jüdischen Quellen und kommt zum Ergebnis, dass die Soteriologie des Judentums auf der Freiheit des menschlichen Willens beruht. (Doch scheint es gewagt zu sein, den Begriff js.r als »freier Wille« zu übersetzen, vgl. 8.) Die Willensfreiheit betont auch die Qumran-Sekte – was besondere Aufmerksamkeit verdient (22–25). Darum zeichnet die jüdische Soteriologie ein starker Synergismus aus.
Dagegen meint Paulus, dass die Freiheit des menschlichen Willens auf eine Illusion zurückgehe. Er lehnt daher die synergis­tischen Tendenzen der jüdischen Soteriologie vollständig ab. S. schreibt hierzu: »Unless Second-Temple Judaism is in part, at least, characterized by legalistic works-righteousness, Paul’s writings become unintelligible, in spite of attempts to rescue Paul from the damage inflicted by the new perspective.« (71f.) Immerhin scheint Paulus zu sich selbst in Widerspruch zu geraten, da er dann doch die guten Werke als conditio sine qua non der endgültigen Errettung versteht. Das große Problem löst sich durch die These, dass nicht einmal der Wille der Christen frei sei, sondern unter ständiger und gnädiger Wirkung des Heiligen Geistes stehe. Demzufolge tun die Christen notwendig das Gute und sammeln sich damit keine Verdienste (178 ff.).
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen von S. kann hier nicht geleistet werden. In Bezug auf seine Auslegung des paulinischen Begriffes »Gerechtigkeit Gottes« (122–133. 173–175) will ich auf meinen Artikel »›God’s Righteousness‹ – Once Again« im Sammelwerk The Nordic Paul (s. oben) hinweisen (40–73). Gewiss ist S. auf der richtigen Spur, wenn er meint: »Paul’s teaching about the ›righteousness of God‹ is an important aspect of his soteriology, and to eliminate it or obscure it by playing down its forensic aspect is to do an injustice to a uniquely Pauline concept.« (124) Es wäre notwendig, die Artikel von M. Seifrid im Hinblick auf die Bedeutung des Begriffs »Rechtfertigung« (Justification and Variegated Nomism. Volumes I & II. Ed. by D. A. Carson, P. T. O’Brien, and M. A. Seifrid, WUNT II/140 u. 181, Tübingen 2001 und 2004) zu be­rücksichtigen. Im Lichte seiner Schlussfolgerungen kann man nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass »Gottes Gerechtigkeit« ganz einfach mit »covenantal loyalty« (173) zusammenfällt.
Das Gericht geschieht nach den Werken, so meint S. (182–195). Eigentlich spricht Paulus vom Gericht nach dem Werk (Singular!) – außer in Röm 2,6 wo er das Alte Testament zitiert (Ps 62,13; Spr 24, 12). Eventuell unterstreicht er damit das ganze Lebenswerk des Einzelnen, das besonders in der Liebe als Erfüllung des Gesetzes kulminiert. Außerdem sollte stärker beachtet werden, dass Paulus oft den Glauben als conditio sine qua non des Heils betont (z. B. Röm 1,17; 11,20–23; 2Kor 1,24; 13,5–7 und der Galaterbrief, vor allem 2,20 etc.). Insofern hängt seines Erachtens die Errettung vom Anfang bis zum Ende vom Glauben ab. Die guten Werke folgen daraus (als Erweis des lebendigen Glaubens).

Hinsichtlich der Auslegung von Gal 3,10 (76–85) möchte ich auf meinen Artikel »Paul’s Anthropological Considerations: Two Problems« in Justification and Variegated Nomism II (s. oben, 343–359) hinweisen. Dort betone ich ausdrück­lich, dass es nicht nur um eine quantitative, sondern vor allem auch um eine qualitative Gesetzeserfüllung geht. Zudem denke ich streng genommen nicht, dass das Subjekt in Röm 7,7–13 auf Adam allein deutet (gegen S., 103). Eher identifiziert sich das Subjekt (sc. der Christ) als Repräsentant der adamitischen Menschheit mit Adam (s. mein Buch Paul and Judaism. An Anthropological Approach, Atlanta 1995, 138 f.). Zudem ist es sehr fragwürdig, im Licht von Röm 8,5–8 zu behaupten, dass »according to Paul, all human beings know and approve of the good and, at a basic level, would like to do the good« (105, Anm. 125). Gerade der paulinische Unterschied zwischen Sünde und Übertretung (»sin and tresspass«) sollte nicht ignoriert werden (doch 127, Anm. 214, und 171, Anm. 34).

Im Großen und Ganzen hat S. zur Genüge die wichtigste Sekundärliteratur beachtet. Gleich am Anfang gesteht er aber resigniert: »In fact, monographs are required to catalogue and evaluate the re­search on the topic.« (1) Im Literaturverzeichnis wird festgestellt, dass ich den Artikel »Paul, Predestination and Covenantal Nomism – Re-assessing Paul and Palestinian Judaism« geschrieben hätte. Das stimmt nicht. Der richtige Verfasser ist mein Kollege, Timo Eskola. Die Korrektur ist meistens fehlerfrei (doch vgl. z. B. 27.60. 67.92.107, Anm. 136.155.170). Auch das Griechisch ist meistens korrekt, doch mit einigen Ausnahmen (z. B. 86.95).
S. hat erneut die augustinisch-lutherische Position aus guten Gründen verteidigt – auch wenn selbstverständlich nicht alle seine Detailanalysen überzeugen. Um noch einmal S. das Wort zu geben: »The position defended in this study is often referred to as the Augustinian-Lutheran interpretation of Paul, and is now viewed by many Pauline scholars as moribund. But it would seem that the traditional interpretation of Paul’s soteriology is more resilient than that and has some vitality in it yet.« (1)