Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juli/August/2009

Spalte:

805–807

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Matera, Frank J.

Titel/Untertitel:

New Testament Theology. Exploring Diversity and Unity.

Verlag:

Louisville-London: Westminster John Knox Press 2007. XXXI, 485 S. gr.8°. Kart. US$ 49,95. ISBN 978-0-664-23044-9.

Rezensent:

Friedrich Wilhelm Horn

Das zu besprechende Werk erhebt laut Auskunft des Vorwortes in keiner Weise den Anspruch, eine neue oder originelle Position einer »Theologie des Neuen Testaments« darzulegen, und möchte auch nicht seine Vorgängerwerke ersetzen. Vielmehr wird der Zweck dieses Buches klar darauf begrenzt, Studierenden und Kollegen, vor allem solchen aus der Systematischen Theologie, eine Synthese der im Neuen Testament vorliegenden Theologien darzubieten, die um die Stichworte diversity und unity, also Vielfalt und Einheit kreist, und nach dem zu suchen, was die im Neuen Testament versammelten 27 Schriften zusammenhält (XV–XVI). Die Antwort, die hier gegeben wird, benutzt durchgehend die Stichworte ›humanity in need of salvation‹ und ›the salvation the gospel brings‹. Dass wiederum die Suche nach der Einheit nicht vergeblich sein wird, begründet Frank J. Matera mit Bezug auf die ›presupposition of faith‹. »That is, faith presupposes that these writings, as diverse as they may be, are related to one another because they witness to God’s self-revelation in Christ.« (423)
M. ist Professor for Biblical Studies an der Catholic University of America, Washington, D. C. Er reiht sich in die noch relativ kleine und junge Gruppe derjenigen katholischen Neutestamentler ein, die eine Darstellung der Theologie des Neuen Testaments vorlegen, ist doch diese Disziplin seit ihren Anfängen im 19. Jh. fast ausschließlich von protestantischen Theologen bestimmt und besetzt. Auf die Geschichte der Disziplin und ihre einzelnen Entwürfe geht M. jedoch nur sehr knapp und eklektisch ein (XIX–XXIV). Er möchte jedenfalls nicht einen derjenigen Wege beschreiten, die in den vergangenen 25 Jahren mehrfach eingeschlagen wurden, nämlich entweder die Theologie des Neuen Testaments als Geschichte der urchristlichen Religion oder als redaktionsgeschichtlich orientierte Beschreibung der einzelnen Theologien darzustellen. »The task, then, is neither the history of early Christianity (Wrede, Räisänen) nor a historical description of the theology in the New Testament (Balla) but a theological interpretation that makes sense of the New Testament« (XXIII). An dieser Stelle, aber auch nur an dieser berührt M. sachlich und sprachlich die jüngst von Udo Schnelle vorgelegte Theologie des Neuen Testaments (2007), der die Aufgabe der Neutestamentlichen Theologie als Sinnbildung beschreibt.
M. wählt einen strikt kanonischen Ausgangspunkt. Traditionsgeschichtliche, historische oder religionsgeschichtliche Forschungen werden daher ausgeblendet, was zweifelsfrei zu Lasten der historischen Tiefenschärfe der Texte geht. Jedoch unterscheidet M. ebendie Aufgabe einer Geschichte der urchristlichen Religion strikt von derjenigen einer Theologie des Neuen Testaments, ja, er stellt die historische Rekonstruktion und die ›postmodern New Testament theology‹ schroff einander gegenüber (XXIII). M. gliedert den Stoff in vier Abschnitte von neutestamentlichen Textgruppen, ist im Einzelnen aber schon von chronologischen Aspekten geleitet, indem etwa die älteren Schriften innerhalb der paulinischen oder johanneischen Tradition vor den jüngeren behandelt werden. Er setzt im ersten Teil mit der Synoptischen Tradition unter Einschluss der Apostelgeschichte ein. Hierbei werden die drei Evangelien und die Apostelgeschichte nacheinander abgearbeitet. Die Verkündigung Jesu wird nicht eigens behandelt, was im Rahmen der kanonisch orientierten Vorgehensweise konsequent ist, aber doch ein paar erklärende Worte verdient hätte. Es schließt sich die Darstellung der paulinischen Tradition an, in der sowohl die authentischen wie auch die deuteropaulinischen Briefe ge­meinsam aufgeführt und einzelnen Sachthemen zugeordnet werden. M. entscheidet sich folglich für den kanonischen Ansatz, in­dem er den Ansatzpunkt »to present a historical account of Paul’s own theology« (101) zu Gunsten der Zielsetzung »to construct a theology of the writings themselves« (101 f.) verwirft. So setzt M. etwa unter dem Stichwort der Theologie der Erwählung mit einer Analyse beider Thessalonicherbriefe ein. Das einleitungswissenschaftliche Problem der vermutlich pseudepigraphen Abfassung des 2. Thessalonicherbriefs und des komplizierten Bezugsverhältnisses beider Briefe zueinander wird mit einem Satz angesprochen: »Al­though this debate is important for reconstructing the history of Christian origins and Paul’s theological thought, these letters can and should be treated together since they share a common theo­logy of election as well as a vibrant hope for the Lord’s parousia« (105). Im dritten Abschnitt geht M. auf die johanneische Tradition ein, ohne allerdings die Offenbarung des Johannes aufzunehmen. Die Johannesbriefe werden einem einzigen Autor zugewiesen und dem Evangelium nachgeordnet, die beiden kleinen Briefe werden nur in Nebengedanken mitbehandelt. Die Johannesoffenbarung kommt gemeinsam mit dem Hebräerbrief und den katholischen Briefen im vierten Teil zur Sprache, der unter ›other voices‹ gefasst wird. Die Schriften dieses vierten Teils erfahren hinsichtlich ihrer Darstellung (333–422) und Wertschätzung eine erhebliche Aufwertung, unter anderem auch, weil M. die in der Folge Rudolf Bultmanns erfolgte Konzentration auf Paulus und Johannes beklagt.
Die Zusammenfassung (423–480), vorgetragen unter dem Stichwort der ›Diverse Unity of New Testament Theology‹, bündelt nun das in den genannten vier Abschnitten zu den neutestamentlichen Schriften Gesagte in insgesamt fünf Themen, die ein wenig an einen klassischen Aufriss der Glaubenskunde oder Dogmatik in Kurzform erinnern: a) Humanity in Need of Salvation, b) The Bring­er of Salvation, c) The Community of the Sanctified, d) The Moral Life of the Sanctified, e) The Hope of the Sanctified. Noch knapper bündelt die Zusammenfassung im letzten Absatz von Seite 427 f. diese fünf Themen. Auf einzelne exegetische Entscheidungen in M.s Werk, das fraglos einen profunden Überblick über die neutestamentlichen Schriften bietet, aber doch oftmals einfach nur Texte paraphrasiert, soll hier nicht eingegangen werden.
Bietet sein Vorschlag, die Gegebenheit von Vielfalt und Einheit aufzunehmen und in ein theologisches Raster zu überführen, eine Hilfe? Wird vor allem der klar benannten Zielgruppe (s. o.) ein Vermittlungsdienst erwiesen, wenn die Vielfalt des Neuen Testaments in einem zunehmend reduktionistischen Verfahren auf wenige Sätze fokussiert wird? Hier bleiben doch starke Zweifel. Die Vielfalt sollte als Gewinn und nicht als Problem aufgenommen werden. Wenn sich ein kanonischer Zugang jedoch von vornherein von historischen, traditionsgeschichtlichen und religionsgeschichtlichen Fragen so deutlich distanziert, dann verschenkt er hermeneutisches Potential und beeinträchtigt die Aussagekraft der Texte. Eine knappe Bibliographie schließt das Werk ab. Ein Sach- und Stellenregister, das gewiss hilfreich gewesen wäre, um Themen zu erschließen, wird vermisst.