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Ausgabe:

Juli/August/2009

Spalte:

802–803

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Green, Joel B.

Titel/Untertitel:

1 Peter.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2007. XIV, 331 S. gr.8° = The Two Horizons New Testament Commentary. Kart. US$ 20,00. ISBN 978-0-8028-2553-7.

Rezensent:

Christoph G. Müller

Joel B. Green hat einen flüssig geschriebenen und gut lesbaren neuen Kommentar zum 1Petr vorgelegt, der – dem Konzept der Reihe entsprechend – aus zwei Kommentarteilen besteht. »The format of the Two Horizons Commentary … moves from commentary to theological horizons, with reflection on the theology of the book preceding theological conversations of a more constructive sort« (189); einer analysierenden und kommentierenden Auslegung der einzelnen Perikopen (13–186) ist von daher ein stärker systematisch orientierter Teil beigefügt (187–288). Beide Großkapitel versuchen, eine breitere Leserschaft zu erreichen und das Gespräch mit der systematischen Theologie zu intensivieren.
Einleitungsfragen werden in diesem Kommentar relativ knapp behandelt. G. erkennt als primäre Adressaten zum einen Judenchristen in Kleinasien, mehrheitlich allerdings Heidenchristen (5.39), für die sich eine persönliche Bekanntschaft mit Petrus nicht nachweisen lasse (14 f.). G. versteht Petrus selbst »as the genuine author of this letter« (10); dennoch wolle er nicht den Versuch unternehmen, »to construct a portrait of the historical Peter and his theology beyond the evidence we find in the letter itself« (ebd.). Später gibt G. zu verstehen, dass – wen auch immer man sich unter dem Autor des Schreibens vorzustellen habe – »Peter works to form a community consciousness at home in the Jewish diaspora« (33). Was den Aufbau des Schreibens angeht, unternimmt G. eine Grobgliederung des Briefkorpus anhand der wiederholten Anrede mit »Geliebte«, so dass sich nach 1Petr 1, 1­–12 und 1,13–2,10 (vor dem Abschluss in 5,12–14) zwei weitere Hauptteile, nämlich 1Petr 2,11–4,11 und 4,12–5,11 ergeben (64; vgl. auch 109.147).
In den Auslegungen der einzelnen Perikopen wird eine mit der Forschungsliteratur zum 1Petr vertraute Leserschaft wenig Neues entdecken. Zuweilen sind der Auslegung kurze textkritische An­merkungen beigefügt; philologische oder semantische Überlegungen sind nur selten anzutreffen. Leider unterbleibt an vielen Stellen eine differenzierte Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Fachliteratur, die im Fall des 1Petr auch (noch) in deutscher Sprache erscheint. Das betrifft zentrale Fragestellungen wie die nach dem Exil-Begriff (vgl. u. a. Jörn Kiefer, Exil und Diaspora, Leipzig 2005), nach der mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmenden Pseudepigraphie (vgl. u. a. Karl Matthias Schmidt, Mahnung und Erinnerung im Maskenspiel, Freiburg i. Br. 2003, der – wie andere – für die Bezugnahme zum 2Petr [234-239] nicht herangezogen wird) oder den religionsgeschichtlich (evtl. auch lokal) zu differenzie­renden Vorstellungen von einer neuen Geburt. Bezüge zur pauli­nischen Theologie (vgl. 231 u. a.) oder zur Worttradition des Matthäus-Evangeliums werden so gut wie nie (vgl. 156.179.228–229) ausführlicher dargestellt oder behandelt. Ausführungen zu markanten theologischen Akzentsetzungen des 1Petr, wie die Frage nach dem in 1Petr 3,15 eingeforderten Zeugnis der Hoffnung (117), nach der Rettung durch die Taufe (137–138) oder dem Wandel in den Fußspuren Christi (vgl. 81-90), fallen ausgesprochen knapp aus.
Im systematischen Hauptteil des Kommentars beschäftigt sich G. mit verschiedenen Aspekten theologischer Anthropologie (258–279), die im 1Petr erkennbar werden. Er betont eine »emphasis on embod­ied existence« (265; vgl. auch 270) und die Konsequenzen, die sich aus dem im Brief vertretenen Heiligkeitskonzept ergeben: »For the reborn, holiness is also a mandate, for the call to holiness is a call to live in accordance with the will of God or in imitation of God« (277). Leider zeigt sich G. im Anschluss (wie schon im Auslegungsteil) wenig bemüht, die herausfordernde Situation der primären Adressaten genauer zu beschreiben (27 9–288), so dass diese aus ihrem spezifischen Kontext heraus orientierend wirken könnten. Wer behauptet: »The violence directed toward Christians is primarily verbal, at least at present« (286), sollte sich auch der Mühe un­terziehen, in annähernder Beschreibung erkennbar werden zu lassen, was man sich darunter vorzustellen hat. Das gilt vor allem auch dann, wenn man – wie G. – konstatiert: »we can also recognize that Peter can draw on common Christian tradition while orienting it in ways peculiar to the circumstances he addresses« (233).
Mit Beda Venerabilis (18) macht G. in besonderer Weise darauf aufmerksam, dass der 1Petr in verschiedenen Zeiten auf eine je­weils neue Hörerschaft zielt. Wenn sich Glaubende in der Gegenwart in einer zunehmenden Diaspora-Situation vorfinden, ge­winnt dieser Text des Neuen Testaments sicher eine besondere Aktualität, in den Worten G.s: »1 Peter invites a reading among those who are ready to embrace the identity and status of exiles in the dispersion« (18). Der 1Petr wie auch seine neue Kommentierung zielen letztlich auf Identitätsbildung (286 u. a.) ab, was G. auch deutlich unterstreicht: »a theological hermeneutics of Christian Scripture, with which we are interested here, concerns the theological role of Scripture in the formation of persons and ecclesial communities« (244). Dabei wird– zumindest nach meinem Eindruck – nicht hinreichend zur Kenntnis genommen, dass das von sorgfältig analysierenden Exegeten, die sich der Mühe unterziehen, das Gespräch mit der Fachliteratur gegenwärtiger wie vergangener Tage zu suchen, durchaus auch versucht und in erfreulichem Maß auch geleistet wurde und wird.