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Ausgabe:

Juli/August/2009

Spalte:

787

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Rüpke, Malik, Jamal, Wobbe, Jörg u. Theresa [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Religion und Medien. Vom Kultbild zum Internetritual.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2007. 254 S. kl.8°. Kart. EUR 14,80. ISBN 978-3-402-00441-8.

Rezensent:

Thomas Klie

Was macht Religion mit den Medien? – Was machen die Medien mit der Religion? Definiert man mit den Herausgebern dieses Sammelbandes Religion als Kommunikation (9), dann führt die gegenseitige Verschränkung der beiden Eingangsfragen un­mittelbar in die Les­artenpluralität kultureller Perfomanzen (synchron) bzw. in die Ge­schichte der Kulturkontakte des Religiösen (diachron). Vom zweiten Relat her plausibilisiert sich der zunächst kryptisch anmutende Untertitel: »Vom Kultbild zum Internetritual«. Gerade die Medialität der Religion belegt, dass »Medienreligion« nicht erst ein Phänomen der »Neuen Medien« ist, wie der religionswissenschaftliche Eingangsbeitrag von Mitherausgeber Rüpke po­stuliert.
Die hier versammelten Beiträge gehen zurück auf eine vom »In­terdisziplinären Forum Religion« an der Universität Erfurt im Wintersemester 2005/6 verantwortete Ringvorlesung. Bei der expliziten Religion stehen Katholizismus (= Christentum) und Islam im Vordergrund, bei den Medien sind es Internet und Fernsehen. Die historischen Aspekte sind eher unterrepräsentiert. Multiperspektivität und Gegenstandsfülle machen in diesem akademischen Genre zwar immer einen gewissen Reiz aus, der sich aber nicht unbedingt auch bei fortlaufender, systematisch interessierter Lektüre er­schließt. Zu weit ist der thematische Bogen gespannt, und ge­gen­seitige Bezugnahmen oder Deutungsbrücken sucht man vergebens.
Die durchgängige Perspektive auf den bunten Strauß der Phä­nomene – vom Frauenkörper als Religionsmedium (Wobbe) über Religion im Kinderkanal (Huff, Derbetin) bis hin zur medialen Entgrenzung der Liturgie (Kranemann) – ist eine semiotisch-kon­struk­tivis­tische. Dies folgt aus dem Fokus auf öffentlichkeitswirksame Re­präsentanzen. Mehr oder weniger explizit werden die Inszenierungslogiken von Religion im Blick auf kulturelle Evidenzen und Verzerrungen befragt. Besonders deutlich zeigt sich dies am Beispiel der Religionskonstruktionen in der islamischen Medienrezeption (Malik, Richter), der pontifikalen Sepulkralperformance (Döveling) und den Paulus-Briefen (März).
Gut getan hätte der ansonsten sehr aufschlussreichen Aufsatzsammlung ein integraler Beitrag zur Bildtheorie, denn in vielen Abschnitten werden Probleme ikonischer Repräsentation im quasi vortheoretischen Raum behandelt, wie z. B. in den beiden Beiträgen zur Internet-Religion auf dem Bildschirm (Böntert, Ahn). Besonders interessant und darum auch hervorzuheben sind zwei in diesem Kontext zunächst wenig erwartbare Beiträge im zweiten Teil des Bandes: eine religionswissenschaftliche Analyse antiker Liebesro­mane (Waldner) und eine performative Rekonstruktion von Kleists Erzählung »Die Heilige Cäcilie« (Menke). Hier wird in beeindruckender Weise die Funktion impliziter Religion im jeweiligen medialen Kontext nachgezeichnet, und ihre ästhetischen Repräsentationsformen werden systematisiert. Positiv schlagen insgesamt zu Buche die instruktive Einleitung der Herausgeber und die Kurzzusammenfassungen am Schluss (fast) aller Aufsätze. So kann sich auch der flüchtige Leser schnell einen guten Überblick verschaffen.
Das Fazit und die Buch wie Ringvorlesung motivierende Leitidee formuliert Albrecht in seinem Beitrag zur »Evangelische[n] Publizis­tik« (153): »Religion braucht die öffentliche Kommunikation über Religion. Religion, soweit sie nicht nur Privatangelegenheit ist, sondern Anspruch auf überindividuelle und kulturelle Bedeutung erhebt, braucht überindividuelle und kulturelle mediale Kommunikationsformen, in denen über diese Religion kommuniziert wird.«