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Ausgabe:

Juni/2009

Spalte:

757–758

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Rotzetter, Anton

Titel/Untertitel:

Lexikon christlicher Spiritualität.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2008. 676 S. gr.8°. Geb. EUR 99,90. ISBN 978-3-534-16689-3.

Rezensent:

Karl-Friedrich Wiggermann

Es ist erstaunlich, dass ein Forscher allein ein Lexikon zu den unterschiedlichen Bereichen der Spiritualität vorlegt. Der Schweizer Kapuziner Anton Rotzetter hat es gewagt, ein solches Lexikon zu verfassen. Er war Leiter des Instituts für Spiritualität der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Kapuziner in Münster sowie Präsident der Franziskanischen Akademie. Als Fachmann hat er sich auch ausgewiesen durch zahlreiche praktische und wissenschaftliche Veröffentlichungen. Jetzt ist er verantwortlicher Leiter des von seinem Orden geführten Hauses der Stille in Altdorf (Schweiz). R. ist sich bewusst, dass er in einem einzigen Band zu einem weit umfassenden Bereich nicht nur den Stoff raffen, sondern auch zu einer Auswahl der einzelnen Lexikon-Artikel entschlossen sein muss.
Zunächst geht es bei den Stichworten um Sachbegriffe. Sie werden zumeist gegliedert in folgende Bereiche: Bedeutungsebenen, Aktualisierung und Übung; letzterer Begriff enthält oft Textbeispiele, die einen weiteren Zugang ermöglichen und zeigen, dass es in spirituellen Übungen immer um Worte bzw. Texte geht. Das ist eine angemessene Vorentscheidung in der Beschäftigung mit der Spiritualität und ihren Einzelbereichen. Am Ende der Artikel sind Quellen und Literatur aufgeführt.
Herausragende Sachbegriffe seien in Kürze genannt: Acedia, Arbeit, Aszese, Eschatologie, Evolution, Exerzitien, Gebet, geistliche Begleitung, Gottesdienst (sehr kurz!), Meditation, Mystik (mit vielen Nebenbegriffen wie mystische Sprache u. a.), Nichts, Selbstlosigkeit sowie Selbstverleugnung und Selbstverwirklichung, Tier, Torheit des Kreuzes. Einzelne Stichworte zeigen, dass R. in Sachbegriffen, die man zunächst nicht im Bereich der Spiritualität vermutet, eine spirituelle Tiefenregion erfasst. Hier zeigt sich ein besonderer Vorzug des Lexikons: Es geht über klassische Stichworte hinaus, um Spiritualität in einem weiten Horizont zu erfassen.
Nach den Sachbegriffen sind Artikel zu Personen zu finden. Sie sind gegliedert in die einzelnen Stichworte: Name, Kurzbiographie, Bedeutung für Spiritualität, Textbeispiele, Quellen und Literatur. Besonders wichtig ist natürlich die Bedeutung für Spiritualität; auch hier wird – neben den Textbeispielen – ein weiterer Zugang ermöglicht. Deutlich ist R.s Auswahl.
Zunächst sind Klassiker der Spiritualität zu nennen: u. a. Meis­ter Eckhart, Charles de Foucault, Franz von Assisi, Gertrud die Große, Ignatius von Loyola, Johannes vom Kreuz, Klara von Assisi, Teresa von Avila. Wichtig sind die Artikel zu Johannes Calvin und Martin Luther, deren Bedeutung für Spiritualität klar herausgestellt wird. Zu Calvin heißt es: »Der Ansatz seiner S. ist die Demut bzw. die Erkenntnis der totalen Sündigkeit. Daraus erwächst der Schrei nach Gott, der allein daraus erlösen kann (aber nicht muss!). So kreist die Demut ständig um die Allmacht Gottes, der Mitte calvinistischer S. Der Mensch kann sich v. sich aus in keiner Weise zu Gott erheben od. gar sich mit ihm einen.« (82) Von Personen aus der jüngeren Geschichte seien die Folgenden genannt: Hans Urs von Balthasar, Dietrich Bonhoeffer, Martin Buber, Eugen Drewermann, Sigmund Freud, Anselm Grün, Romano Guardini, Dag Hammarskjöld, Hermann Hesse, Willigis Jäger, Franz Kafka, Johann Baptist Metz, Rudolf Otto, Hugo und Karl Rahner, Reinhold Schneider, Albert Schweitzer, Edith Stein, Max Weber. Diese Namen zeigen die Vielfalt der Spiritualität. Von evangelischen Personen hätten u. a. Karl Barth, Friedrich v. Bodelschwingh d. J. und Paul Tillich genannt werden sollen. – Sodann zeigen sich konkrete und oft gemeinschaftliche Ausdrucksformen, z. B. die katholischen Orden, die Basisgemeinschaften, Einsiedler/Einsamkeit, Taizé und geistliche Tagesgestaltung.
R. erinnert daran, dass das Wort Spiritualität eine christliche Neuschöpfung aus dem 5. Jh. ist. So bietet er vor allem christliche Spiritualität. Es werden aber u. a. die folgenden Stichworte ge­nannt: Bhagavadgita, Martin Buber, dazu die nichtchristlichen Religionen. R. verfällt nicht einer Banalisierung des Begriffs Spiritualität, die jeden religiösen Rahmen verlässt.
Der Band ist wissenschaftlich ausgerichtet und in jeder Weise verlässlich. R. geht über den Binnenbereich römisch-katholischer Theologie hinaus. Sein Lexikon ist für weitere Erkenntnisse offen.