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Ausgabe:

Juni/2009

Spalte:

748–749

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Pannenberg, Wolfhart

Titel/Untertitel:

Analogie und Offenbarung. Eine kritische Untersuchung zur Geschichte des Analogiebegriffs in der Lehre von der Gotteserkenntnis.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. 215 S. gr.8°. Geb. EUR 69,90. ISBN 978-3-525-56158-4.

Rezensent:

Gunnar Hindrichs

Wolfhart Pannenbergs Habilitationsschrift Analogie und Offenbarung wurde 1955 von der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommen. Um zwei Kapitel erweitert ist sie nun als Buch erschienen. Die ursprüngliche Arbeit behandelte, in großer Kundigkeit, die Geschichte der Analogie vom griechischen Denken über die Alte Kirche und die Scholastik bis zu Thomas von Aquin. Zu ihr sind nun zwei ergänzende Kapitel getreten, eines über Duns Scotus und eines zum Verblassen des Analogiegedankens in der neuzeitlichen Philosophie. Auch diese Kapitel wurden unmittelbar im Anschluss an die damalige Arbeit verfasst. Nur das Nachwort stammt aus dem Jahr 2006.
Der Inhalt des Buches im Einzelnen muss hier nicht erneut dargestellt und abgeschätzt werden. Denn die Arbeit – eine Qualifi­kationsschrift – liegt seit über einem halben Jahrhundert der akademischen Öffentlichkeit vor und wurde, spätestens mit dem zunehmenden Bekanntheitsgrad ihres Autors, auch gelesen, affirmiert und kritisiert. Angesichts dieses Tatbestandes kann nur eine Frage den Rezensenten beschäftigen: Aus welchem Grunde wird eine in ihrer Existenz bekannte und von den Interessierten auch gelesene Arbeit nach 53 Jahren zum ersten Mal in Buchform veröffentlicht? Altersfreude an den eigenen Jugendschriften, Verlagspolitik oder auf eine zukünftige Gesamtschau verweisende Protoklassizität seien geschenkt. Was aber ist der sachliche Grund für die Buchveröffentlichung einer Arbeit, die ihre Schuldigkeit doch auch so bereits ganz gut getan hat? Da P. nicht irgendein Begriffshistoriker ist, kann die Hilfestellung, die das Buch in begriffsgeschichtlicher Hinsicht leistet, nicht ausschlaggebend sein. Jedenfalls war sie es über ein halbes Jahrhundert lang nicht. Warum also jetzt?
P. nennt einen Grund: die Diskussion um den Bruch zwischen vormodernem und modernem Denken. In dieser Diskussion wurde, von Gilles Deleuze und anderen, geltend gemacht, dass der Übergang von einer analogen Ontologie zu einer univoken für die Herausbildung der neuzeitlichen Philosophie wichtiger gewesen sei als die Wende zum Subjekt. Diese These ist in der Tat von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Denn sie verdrängt das zunächst als vorstellende, später schärfer als urteilende Größe verstandene Subjekt sowie den in ihm verkörperten Begriff der Reflexion aus dem Kern des modernen Denkens, um statt ihrer die Neufassung des Seienden selbst zu setzen. Frankreichs vom Strukturalismus ge­prägtes Denken vertrat die These wohl nicht zuletzt deshalb, weil sie die Gestalt der übersubjektiven Ordnung gegen die subjektive Reflexion auszuspielen erlaubte. Ja, die Wendung zur univoken Ontologie erscheint geradezu als eine Abschwächung reflexiver Momente, die im Begriff der Analogie enthalten sind; dieser nimmt schließlich eine Reflexion auf die Zuschreibung von Prädikaten vor. Im Rahmen einer univoken Ontologie hingegen wird solche Reflexion überflüssig: Die Prädikate sind ohnehin gleichsinnig. Die Diskussion um Analogie und Univozität birgt so eine Entscheidung darüber, ob der Begriff des reflektierenden Subjektes oder eine Form vorsubjektiver Ordnung das Merkmal der Modernität – und also das Denken der Modernen, unser Denken – ausmache.
P. hat mithin Recht. Hier liegt ein gewichtiger Grund vor, Überlegungen zum Analogiebegriff und zu seinem Verblassens erneut vorzulegen. Da diese Überlegungen zudem theologischer Natur sind, könnte in ihnen das theologische Denken sich für die Diagnose der Moderne als entscheidend erweisen. Doch leider tragen P.s Überlegungen zu jenen Fragen nichts bei. P. unternimmt nichts, außer wenigen Hinweisen, um seine Schrift von vor 53 Jahren in die Debatte einzubringen. Es bleibt bei Begriffsgeschichte, ohne je zu der systematischen Frage zu gelangen, die nach der eigenen Auskunft den Anlass zur Veröffentlichung darstellt.
Der Grund einer Buchveröffentlichung bleibt also unklar. Man lernt viel über die Geschichte des Begriffs, nichts jedoch über den Streit um das neuzeitliche Denken. Dennoch birgt die Veröffentlichung eine wichtige Erkenntnis. Denn zum Abschluss des Buches kommt ein zweiter Punkt zur Sprache. P. benennt hier sein theologisches Interesse an dem Analogiebegriff. Er habe die Gotteserkenntnis mittels eines Rückschlusses aus der Welt auf eine gött­liche Ursache, wie sie – seinem Urteil nach – das Analogiedenken des Mittelalters bestimmte, von der Gotteserkenntnis aus der Offenbarung absetzen wollen. Letztere sieht P. bekanntlich durch Gottes geschichtliches Handeln vollzogen. Die Folge solcher Absetzung sei daher, dass man nicht von Eigenschaften der Welt per analogiam auf Gottes Eigenschaften schließe, sondern dass Gott sich durch sein geschichtliches Handeln Eigenschaften zueigne. Das ist deutlich. Denn der Buchtitel »Analogie und Offenbarung« müsste so eigentlich »Analogie oder Offenbarung« lauten. An dieser Stelle aber macht P. eine Wende. Er gibt zu, dass der Begriff von Gottes Handeln, der die Offenbarung gegen die Analogie auszeichnen soll, bereits selbst eine Analogie darstellt: zum menschlichen Handeln. Die Konfrontation zwischen Analogie und Offenbarung gerät sonach ins Wanken. Vielmehr scheint die Rede von Gott bereits von der Analogie durchdrungen, wenn sie den Begriff der Offenbarung durch Gottes geschichtliches Handeln zu denken unternimmt. Dann aber gibt es keinen Anfang der Theologie im geschichtlichen Handeln Gottes. Vielmehr muss die Rede von Gott sich in ihren Formen verstehen; Formen, die noch ihre grundlegenden Voraussetzungen prägen. Eine dieser Formen bildet die analoge Zuschreibung von Prädikaten.
Mithin führt die Buchausgabe der alten Qualifikationsschrift unausgesprochen zu dem Schluss, dass eine Systematische Theologie, die vor der Reflexion auf ihre Aussageformen beginnen will, schwer gelingen kann. Sie scheint nur als reflexive Dogmatik möglich. Der Anfang in Gottes geschichtlichem Handeln muss hiervor zurücktreten.