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Ausgabe:

Juni/2009

Spalte:

721–723

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Weigel, Valentin

Titel/Untertitel:

Informatorium. Natürliche Auslegung von der Schöpfung. Vom Ursprung aller Dinge. Viererlei Auslegung von der Schöpfung. Hrsg. u. eingeleitet v. H. Pfefferl. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2007. CXXXII, 402 S. gr.8° = Valentin Weigel – Sämtliche Schriften, 11. Lw. EUR 386,00. ISBN 978-3-7728-1850-9.

Rezensent:

Ernst Koch

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Weigel, Valentin: Seligmachende Erkenntnis Gottes. Unterricht Predigte. Bericht vom Glauben. Hrsg. u. eingeleitet v. H. Pfefferl. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2008. XLVI, 145 S. m. Abb. gr.8° = Valentin Weigel – Sämtliche Schriften, 9. Lw. EUR 386,00. ISBN 978-3-7728-1848-6.


Innerhalb von zwei Jahren liegen zwei weitere Bände der Neuen Edition vor. Ihr Aufbau folgt dem angesichts der speziellen Probleme der Weigel-Forschung auch für den Nachvollzug von Editionsentscheidungen bewährten Muster: Eine Einleitung gibt Rechenschaft über die Überlieferung der einzelnen Schriften, stellt dann die Schriften vor und teilt Entscheidungen für die Edition mit. Nicht nur für die Benutzung des jeweiligen Bandes ist die Einleitung nützlich und wichtig. Sie stellt auch den gegenwärtigen Stand der Weigel-Forschung unter dem Gesichtspunkt der Weigel-Überlieferung vor und lässt somit an Ergebnissen aktueller Er­kenntnisse teilhaben. In den beiden vorliegenden Bänden nehmen die Einleitungen etwa ein Viertel des Gesamtumfangs ein.
Die Bedeutung der beiden Bände wird dadurch unterstrichen, dass der äußerst verdienstvolle Herausgeber auf dem Wege der kritischen Edition zur Revision eigener früher vertretener Positionen gekommen ist. Das gilt für Band 9 ebenso wie für Band 11.
Band 9 bietet zunächst die Texte von »Seligmachende Erkenntnis Gottes« (1574) und »Unterricht Predigte«, des einzigen zu Weigels Lebzeiten im Druck veröffentlichten Werks des Zschopauer Pfarrers, einer Leichenpredigt für Martha von Rüxleben geb. von Breitenbach (1576). Konnte die mit Datum versehene gedruckte Predigt keinen Zweifel weder hinsichtlich ihrer Verfasserschaft noch hinsichtlich ihrer zeitlichen Einordnung aufkommen lassen, so stellten sich die Probleme bei dem erstgenannten, nur in einer einzigen Handschrift überlieferten Text ganz anders. Er war sowohl von Winfried Zeller und Fritz Lieb Weigel ganz oder teilweise abgesprochen worden. Erst die Entdeckung einer bis dahin unbekannten handschriftlichen Fassung in Erfurt und ihre Analyse führten H. Pfefferl nach 1991 entgegen der Übernahme der Meinung der bisherigen Forschung zu der Überzeugung, dass der Text sehr wohl von Weigel stamme, die Datierung der Erfurter Handschrift auf 1574 als Zeit der Abfassung durch Weigel zutreffe und somit ein Zwischenglied zwischen den beiden großen erkenntnistheoretischen Schriften »Gnothi seauton« (1571) und »Güldener Griff« (1578) darstellen müsse. Als ein solcher Text ist er in Band 9 aufgenommen worden.
Umgekehrt verhält es sich mit dem dritten in Band 9 aufgenommenen Text »Bericht vom Glauben«, den Zeller als echten Weigel-Text angesehen hatte. Hier kommt Pfefferl zu dem Ergebnis, dass es sich um das Fragment einer von zwei unbekannten Bearbeitern zusammengestellten Schrift handelt, in der höchstens zwei der 11 Kapitel authentisch sind. Darum ist sie dem Band als Anhang beigegeben.
Band 11 umfasst die Edition von vier Weigel- bzw. Pseudo-Weigel-Texten (»Informatorium«, »Natürliche Auslegung von der Schöpfung«, »Vom Ursprung aller Dinge«, »Viererlei Auslegung von der Schöpfung«). Hier haben sich die Komplikationen durch miteinander verschränkte Inhalte und Textpassagen mehrerer Schriften gehäuft, so dass auf Grund der Neudatierung der »Viererlei Auslegung« (von 1588 als Spätwerk auf 1577 bzw. 1582 als Werk der mittleren Schaffenszeit Weigels) und ihrer Einstufung als nicht von Weigel stammender Text auch dieser in den vorliegenden Band aufzunehmen war. Auch hier war von Pfefferl seine früher vertretene Position zu revidieren. Mit guten Gründen ordnet er gleichzeitig den nur drei überlieferten Kapiteln der Schrift die separat überlieferte Schrift »Vom Ursprung aller Dinge« als viertes Kapitel zu. Im »Beschluss« des Textes entscheidet sich der Herausgeber zu einem Eingriff in die handschriftliche Überlieferung, um den erkennbaren Sinn einer Aussage wiederherzustellen, der in der Vorlage verloren gegangen war (193, Anm. 2). Es sind u. a. Partien in einzelnen Teilen des Buches, die ihn zum »Eindruck einer noch nicht endgültig bearbeiteten Schrift« veranlassen (LXXXIV).
Das »Informatorium« weist neben den späteren Drucken die um­fangreichste handschriftliche Überlieferung auf, was differenzierte Überlegungen über Urfassung, Urtext und Überarbeitungen nötig macht und Paralleltexte in anderen Weigeliana an den Tag bringt. Pfefferl versteht die Schrift als methodische Anleitung für Anfänger, findet Parallelen für sie in dem in Band 4 der Neuen Ausgabe edierten Gebetbuch und widmet auch ihren Anhängen (u. a. einer Auslegung des Zwei-Wege-Bildes) Aufmerksamkeit.
Bei aller Distanz zu Fragen der Auslegung der edierten Texte kommt Pfefferl doch zu dem Schluss, dass für Weigel die Christologie zentrale Bedeutung hat (Bd. 11, LXV f., Anm. 101). Vielleicht ist diese Beobachtung im Laufe der Zeit nochmals zu differenzieren. Zumindest stellen sich aus der Lektüre der Texte weitere Fragen, so z. B. die nach dem Verhältnis von Weigels Christologie zu seiner bisweilen überbordenden Weisheitsspekulation. Ohne Zweifel nimmt er hier Traditionen auf, die eine Verbindung zur Christologie zeigen (vgl. Bd. 11, 84, Anm. 4). Dennoch muss sich erst noch zeigen, wie der Zschopauer Pfarrer sie mit einer eigenen Soteriologie verbindet.
Großen Respekt fordert der Einsatz des Herausgebers für die Textkritik und damit auch für die Texterstellung, die bei der extrem differierenden, einmal äußerst knappen, einmal reichhaltigen, dann aber auch variierenden Quellenlage eigene Aufmerksamkeit erfordert. Die Bände sind in ihrer Ausstattung bequem zu nutzen. Beachtung verdient auch, dass das Niveau der Edition ge­halten werden konnte.
Wichtig im Blick auf mögliche Identifizierungen ist die Wiedergabe von Titelseiten bzw. Titelblättern der Weigel-Texte und die Abbildung von Zeichnungen, die Bestandteil der Manuskripte sind. (Einen Druckfehler werden die Benutzer selbst korrigieren – Bd. 11, 95, Anm. 6, Z. 13 von unten muss es heißen: Entgegensetzung. Im Text von Band 11, LXXVI, Z. 3 von unten sollte es besser statt »chiliastisch« heißen: apokalyptisch.)
Die beiden Bände stellen einen weiteren wichtigen Beitrag in der Editionsreihe dar. Noch zu früh ist es, aus den Texten Folgerungen für die Weigel-Forschung zu ziehen, jedoch ist bereits zu vermuten, dass sie das Bild des Zschopauer Pfarrers in der Forschung deutlich verändern werden. Dem Herausgeber und allen, die fördernd und begleitend an der Arbeit teilgenommen haben, gebührt großer Dank.