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Ausgabe:

Juni/2009

Spalte:

715–716

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bullinger, Heinrich

Titel/Untertitel:

Briefe des Jahres 1541. Bearb. v. R. Henrich, A. Kess u. Ch. Moser. Unter Benützung der Abschriften v. E. Egli u. T. Schieß. Philologische Beratung durch R. Jörg u. B. Schnegg.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2005. 385 S. gr.8° = Heinrich Bullinger Werke, Zweite Abt.: Briefwechsel, 11. Lw. EUR 80,00. ISBN 978-3-290-17339-5.

Rezensent:

Ernst Koch

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Bullinger, Heinrich: Briefe des Jahres 1542. Bearb. v. R. Henrich, A. Kess u. Ch. Moser. Unter Benützung der Abschriften v. E. Egli u. T. Schieß. Philologische Beratung durch R. Jörg u. B. Schnegg. Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2006. 299 S. gr.8° = Heinrich Bullinger Werke, Zweite Abt.: Briefwechsel, 12. Lw. EUR 83,00. ISBN 978-3-290-17431-6.


Mit Band 11 ist ein neues Editorenteam in die Arbeit eingetreten, an dessen Spitze Rainer Henrich steht. Dieser teilweise altershalber bedingte Wechsel bedeutet, dass unter den jahrzehntelang be­währten Mitarbeitern auch Kurt Jakob Rüetschi ausgeschieden ist und sich die neue Herausgebergruppe in die eigenen Schwierigkeiten der Edition des Bullinger-Briefwechsels einzuarbeiten hatte – Rudolf Schnyder und Emidio Campi sprechen im Vorwort vom »Labyrinth der Edition«.
Aus dem Briefwechsel Bullingers im Jahr 1541 sind 144 Einzelstücke überliefert, von denen 44 bereits in anderen Editionen vorliegen und darum in Band 11 nur als Regest aufgenommen worden sind. Von besonderer Wichtigkeit sind die Briefe von Rudolph Gual­ther, der als Student die hessische Delegation zum Reichstag in Regensburg begleiten und eine Fülle von Einzelheiten berichten konnte, die als Kommentar auch nützlich für die Edition der Reichstags- und Religionsgesprächsakten sein dürften. Mit dem Jahresende 1541 tauchte der »Mordbrenner« Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel erstmals auf, der im Briefwechsel des Jahres 1542 (Bd. 12) eine herausragende Rolle spielen sollte. Unter den bis dato unbekannten Zeitgenossen ist in Bullingers Korrespondenz ein Memminger Arzt, Johannes Regel, vertreten. Im Übrigen hin­terlässt allein der geringe Anteil der Schreiben Bullingers selbst – 23 Briefe, darunter solche, bei denen er als Mitverfasser gezeichnet hat– den Eindruck, dass über ihn weniger zu erfahren ist als über seine Korrespondenten bzw. deren Umgebung. Dieser Eindruck differenziert sich allerdings durch die Tatsache, dass der Jahrgang 1541 zwei umfangreiche theologische Schreiben zu den Themen Abendmahl und Christologie enthält, die in ihrem Cha­rakter kleinen thematischen Traktaten nahekommen. Interessant erscheint der Versuch des Torgauer Lehrers Martin Crodel, Bullinger dazu zu bewegen, eine für Juden lesbare und wissenschaftlich akzeptable Auslegung der messianischen Weissagungen des Alten Testaments zu erstellen (Brief vom 23. März 1541).
Im Briefwechsel Bullingers nicht zu vermuten und darum auch speziell anzuzeigen, sind drei zeitgenössische Texte, die anderswo nicht überliefert zu sein scheinen: ein Gedicht Melanchthons (176) sowie je ein Zitat aus einem Brief Martin Bucers (171) und aus einem Brief Martin Frechts (172).
Band 12, mit 114 Briefen schmaler als Band 11, in der anteilig geringen Anzahl von Briefen Bullingers selbst mit Band 11 jedoch vergleichbar, enthält als Schwerpunkte die Anteilnahme an den bedrohlichen militärischen Auseinandersetzungen in Westeuropa im Konflikt zwischen Karl V. und Franz I. von Frankreich und in Ostmitteleuropa in der Bedrohung durch die Osmanen. Eine ausführlich kommentierte Wiedergabe erhält die Vorrede Bullingers zu seinem an mehreren Orten mit Spannung erwarteten Matthäus-Kommentar, für die als Vorlage eine handschriftlich überlieferte Rede des Zürcher Antistes nachgewiesen wird. Die Reaktionen auf den Kommentar, die sich im Briefwechsel finden, geben Kunde von der weit verzweigten Wirkungsgeschichte, die der Zürcher bereits zu Lebzeiten erfahren hat. Beziehungen entspinnen sich zu Petrus Martyr Vermigli und Bernardino Ochino. Wiederum tauchen mit Johannes Arlius Spaldinus in Bologna und Bartholomäus Beness (wo?) bisher unbekannte, nirgendwo nachgewiesene Personen als Briefpartner Bullingers auf, und weiteren Nachforschungen ist der Fund eines Briefes von Joachim Vadian an Bullinger zu verdanken (163 f.). Der im Briefwechsel seit einigen Jahren greifbare Sympathisantenkreis in Zittau (Oberlausitz) gewinnt weitere Konturen. Im Unterschied zu anderen Entscheidungen ist der Brief der Pfarrer und Lehrer von Zürich an Kaspar Schwenckfeld trotz bereits erfolgter Veröffentlichung in die Edition aufgenommen worden. Immer wieder bereiten die oft mit spitz-ironischen Be­merkungen und Kommentaren gespickten Briefe von Oswald Myconius Lesevergnügen.
Die Texterstellung der beiden Bände lässt keine Wünsche offen. Für die Forschung wertvoll sind die gründlichen biographischen Skizzen, die teilweise auf eigenen Nachforschungen der Bearbeiter beruhen. Die Register setzen die kumulativ angelegten Korrespondentennachweise fort. Zur Kommentierung sind wenige Korrekturen bzw. Ergänzungen anzumerken: Bd. 11, 211, Kommentar linke Spalte: statt Altenzelle: Altzella. 102, Z. 7 ist ein Verweis auf Ex 30,13 zu ergänzen. Bd. 12, 38, Z. 7: Lk 14,28. 76, Z. 53–54 fehlt ein Verweis auf Ez 13,5.
Erfreulich bleiben der zügige Fortgang der Edition und die bereits gewohnte Qualität der für sie aufgewendeten Arbeit. Die Erforschung der Reformationsepoche wird von ihr reichlich profitieren.