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Ausgabe:

Juni/2009

Spalte:

708–711

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Förster, Hans

Titel/Untertitel:

Die Anfänge von Weihnachten und Epipha­nias. Eine Anfrage an die Entstehungshypothesen.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2007. XII, 342 S. gr.8° = Studien und Texte zu Antike und Christentum, 46. Kart. EUR 79,00. ISBN 978-3-16-149399-7.

Rezensent:

Wolfram Kinzig

Lange Zeit hat man die Entstehung des Weihnachtsfestes am 25. Dezember in der Forschung durch die Annahme erklärt, dass hier ein christliches Fest eine alte pagane Feier zu Ehren der »unbesiegbaren Sonne« (Sol invictus) zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende ersetzen sollte. Vor allem Hermann Usener hatte dieser These gegen Ende des 19. Jh.s zum Durchbruch verholfen.
Hans Förster möchte in seiner mittlerweile zweiten Monographie zum Thema (nach: Die Feier der Geburt Christi in der Alten Kirche, Tübingen 2000 [STAC 4]) der seither sog. religionsgeschichtlichen Hypothese endgültig den Abschied geben und erklärt sie zu einem »Forschungsmythos« (299). Stattdessen stellt er die bisherige Erklärung auf den Kopf: Ergebnis seines erneuten Studiums der Quellen sei, »daß die Sonnensymbolik deswegen so eng mit Weih­nachten verknüpft werden konnte, weil kein heidnisches Fest an diesem Tag gefeiert wurde, weil gerade nicht die ganze römische Welt ein reichsweites Sonnenfest feierte. Die Wintersonnenwende war offenkundig – was heidnische Feiern anbelangt – kein bedeutsamer Tag« (ebd.).
Vielmehr sei die Wahl des Datums durch die Überzeugung der Kirchenväter zu erklären, »am historisch richtigen Tag zu feiern«. Ort der Entstehung dürfte Palästina sein, wo der Wunsch bestanden habe, »in der Geburtskirche in Betlehem … auch tatsächlich das Ereignis, dem diese Kirche errichtet war, zu feiern. Es lag, so möchte man fast sagen, in der Luft, daß ein Geburtsfest Jesu in dieser Zeit entstehen mußte« (306). Bei der Wahl des Termins habe man sich dann »wahrscheinlich von der Sonnenwende beeinflussen« lassen, wobei die allgegenwärtige Sonnensymbolik mitgespielt haben dürfte. Gleichwohl wählte man hier nicht den eigentlichen Termin für das Wintersolstitium, sondern den 6. Januar. Diese Wahl habe man getroffen, »um einige Tage von der Wintersonnenwende entfernt, der ja teilweise von Astrologen eine besondere Bedeutung beigemessen worden sein dürfte, an einem unverfänglichen Tag dieses Fest feiern zu können«. Alternativ wäre auch zu erwägen, ob es sich um »den Jahrestag der Kirchweihe der Geburtskirche in Bethlehem gehandelt haben könne«. Durch Pilger sei das Fest dann gewissermaßen exportiert worden und erkläre die »erstaunliche Verbreitung des Festes« innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne. Die Terminierung auf den 25. Dezember sei dann zuerst in Rom erfolgt, und zwar unter dem Einfluss der mit Christus mittlerweile verbundenen »Sonnensymbolik, aufgrund der Anwendung des Prophetenzitates aus dem Buch Maleachi auf Christus bei gleichzeitig vorhandenem Wissen um den Termin der Wintersonnenwende« (306–308).
Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, durchforstet F. erneut alle einschlägigen antiken Quellen zu Weihnachten und Ostern, nach Regionen geordnet. Er tut dies bisweilen mit der Attitüde des einsamen Rufers in der Wüste. Keineswegs aber ist die religionsgeschichtliche Hypothese so unkritisch rezipiert worden, wie F. suggeriert. Vor allem die den unklaren Quellenbefund vorsichtig abwägenden Überlegungen Martin Wallraffs erhalten bei F. nicht den Raum, der ihnen eigentlich gebührt hätte (Christus Verus Sol. Sonnenverehrung und Christentum in der Spätantike, Münster 2001 [JAC.E 32], 174–195). Denn schon Wallraff hatte es zu den populären »Mißverständnissen« gerechnet, »daß das Sonnenfest am 25. Dezember allein deshalb uralt oder zumindest deutlich älter ist als das christliche Weihnachtsfest, weil es aus paganer Tradition stammt« (175), und die Möglichkeit erwogen, »daß das pagane Sonnenfest eine Übernahme aus dem Christentum darstellt« (182), dann freilich aus guten Gründen verworfen und stattdessen vorgeschlagen, darin »parallele Erscheinungen« zu sehen, »gewissermaßen unterschiedliche Ausflüsse der gleichen Strömung des Zeit­geis­tes« (194).
Man wird F. zustimmen, dass die Aussagekraft der einschlägigen Texte oft überschätzt worden ist, auch wenn seine häufige Verwendung des argumentum e silentio in ihrer Reichweite ebenfalls begrenzt ist. Eine reichsweite (!) Verehrung des Sol invictus am 25. Dezember vor der Einführung des Weihnachtsfestes und auch sonst ist doch eher unwahrscheinlich und die religionsgeschichtliche Hypothese in diesem Punkt gewiss revisionsbedürftig. – Gleichwohl bleiben aber ein paar Äußerungen in Kirchenväterschriften, die sich nicht ohne Weiteres wegdiskutieren lassen.

Dazu zählt unverändert Augustin, sermo 190,1: »Habeamus ergo, fratres, so­lemnem istum diem; non sicut infideles propter hunc solem, sed propter eum qui fecit hunc solem.« Man muss hier nicht mit einem voll entwickelten Fest zu Ehren des Sol invictus rechnen. Aber irgendetwas scheint an diesem Tag von den Nichtchristen gefeiert worden zu sein, was sich auf die Verehrung der Sonne bezog.
Seltsamerweise verzichtet F. auch, wenn ich recht sehe, auf (erneute) Dis­kussion einer Reihe einschlägiger Belege, vor allem Chronograph von 354 CIL 12, 278 (ed. Mommsen; dazu lediglich beiläufig: 244); ders., MGH.AA 9,148 (Mommsen); Hieronymus, chron. ad ann. 275; Iulian. imp., or. 11(4),42 f. (dazu etwa Wallraff, 175–177); De solstitiis Z. 434 f. (Botte; vgl. Wallraff, 181 f.), aus denen hervorgeht, dass wenigstens seit der Mitte des 4. Jh.s, möglicherweise aber seit der Zeit Aurelians (so m. E. – trotz Wallraff, 176, Anm. 12 – aus MGH.AA 9,148 und Hieronymus zu erschließen) in Rom (!) zu dieser Zeit am natalis solis invicti ein Fest zu Ehren des Sonnengottes mit Kampfspielen gefeiert wurde, das damit älter ist als die allgemeine (!) Feier des Weihnachtsfestes. Für Rom als Zentrum des paganen Festes sprechen auch die einschlägigen Belege bei Leo d. Gr. (etwa tr. 22,6), die von F. doch allzu nonchalant behandelt werden (250 f.). Das bedeutet noch nicht, dass an anderen Orten dieses Fest ebenfalls gefeiert wurde. Ja, die vergleichsweise zurückhaltende Polemik Augustins könnte Indiz dafür sein, dass dies etwa für Nordafrika nicht der Fall war.


In diesem Zusammenhang wäre auch noch der Hinweis auf eine erneute Behandlung des Sonnenkults durch Stephan Berrens angebracht, die F. nicht berücksichtigt: »Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193–337 n. Chr.), Stuttgart 2004 (Historia Einzelschiften 185).
Nicht für ausreichend begründet und letztlich in sich widersprüchlich halte ich auch die alternative Erklärung F.s. Eine Entstehung des Festes am 6. Januar in Jerusalem mag nicht ausgeschlossen sein. F.s Gründe sind aber nicht zwingend: So führen die Pilgerströme nach Betlehem keineswegs notwendig zur Ausbildung eines Jahresfestes der Geburt Christi. Es hätte durchaus ausgereicht, den heiligen Ort der Geburt Christi zu feiern, eines besonderen Jahrgedächtnisses bedurfte es dazu nicht. Auch kann ich nicht erkennen, inwiefern die Wintersonnenwende sich als besonderer Termin angeboten hätte, wird doch in Jerusalem nun gerade nicht an diesem Termin, sondern am 6. Januar gefeiert! Schließlich bin ich auch nicht davon überzeugt, dass das Fest von Palästina aus quasi exportiert worden sein könnte. Pilgerfeste haften ja gerade am heiligen Ort und sind darum nicht ohne Weiteres in andere kultische Kontexte transponierbar.
Die oben angeführten Quellen deuten darauf hin, dass man in Rom evtl. zur Zeit Konstantins das Weihnachtsfest zum 25. Dezember als Alternative zu einem lokalen (!) Fest zu Ehren des Sol invictus, das wohl primär agonalen Charakter hatte und vermutlich seit den Zeiten Aurelians bestand, eingeführt hat. Mentalitäts- und religionsgeschichtlich ist für die Wahl des Termins sicher auch auf christlicher Seite – wie Wallraff eindrucksvoll gezeigt hat – die so­lare Frömmigkeit der Spätantike in Rechnung zu stellen. Auf Konstantin könnte dessen von Wallraff dargestellte imperiale Propaganda des Sonnenkultes, aber eben gleichzeitig auch seine Förderung des Christentums (im vorliegenden Fall: Bau der Ge­burts­kirche) hindeuten. Dieses Fest wurde dann ab 380 von Rom via Konstantinopel auch im Osten verbreitet.

Die von Wallraff erwogene Frühdatierung der Einführung im Osten in die Regierungszeit des Constantius (180) halte ich mit F. (184–187) aus quellenkritischen Gründen nicht für stichhaltig. Auffällig ist ja, dass in den von Konstantinopel beeinflussten Gebieten wie Syrien und Kleinasien für die Zeit nach 380 die ersten Belege vorliegen, was auf gezielte Propaganda hindeutet. Demgegenüber verlief die Entwicklung in den Patriarchaten Alexandrien (um oder vor 432) und Jerusalem (endgültig wohl erst 561 durch Justinian) deutlich langsamer.
Die Annahme, dass es in Konstantinopel vor 380 eine Weihnachtsfeier am 6. Januar gegeben hat, halte ich trotz Epiph., haer. 51,22,4 nicht für notwendig. Denn an dieser Stelle ist ja lediglich der Geburtstermin aus den Konsullisten der Stadt Konstantinopel angegeben, also einer dezidiert nichtliturgischen Quelle – eine liturgische Feier lässt sich daraus nicht ableiten (wenn sie auch nicht völlig auszuschließen ist). Die Einführung des Dezembertermins durch Gregor lässt sich jedenfalls viel zwangloser erklären, wenn man annimmt, die Geburt Jesu sei in Konstantinopel zuvor noch nicht gefeiert worden.


Die Verbreitung dieses Termins gehört in den größeren Rahmen der Bemühungen der beiden wichtigsten Patriarchate, die im Glaubensbekenntnis von Konstantinopel wie im Symbolum Romanum genannten, inhaltlich ja nicht zufällig identischen Stationen des irdischen Wirkens Jesu in Form von drei bzw. vier Herrenfesten (Weihnachten/Epiphanias, Leiden, Tod und Auferstehung als triduum sacrum an Ostern, Himmelfahrt/Pfingsten) liturgisch einheitlich umzusetzen (Belege hierfür z. B. Johannes Chrysostomos, De sancta Pentecoste 1, PG 50,454: Epiphania, Pascha, Pentekoste; Filastrius von Brescia, haer. 140: Weihnachten, Epiphanias, Ostern, Himmelfahrt; Augustin, ep. 54,1: Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten). Entscheidend ist dabei weniger die Uniformität des Festkalenders als dessen Ausrichtung am Glaubensbekenntnis, besonders klar erkennbar bei Chrysostomos.
Unabhängig davon gab es im Osten ein zweites Fest am 6. Januar, das mit unterschiedlichen Inhalten (Taufe Jesu, Geburt Christi, Magieranbetung, Hochzeit zu Kana, Verklärung) gefüllt war und möglicherweise auf Jerusalem zurückgeht. Im Zuge der römischen Förderung des Weihnachtsfestes am 25. Dezember kam es an einigen Orten wie Antiochien (vgl. Johannes Chrysostomos, In diem natalem, CPG 4334) und Palästina (Hieronymus, De nativitate do­mini) zu Kollisionen mit dem alten östlichen Erscheinungsfest.
In seiner Skepsis gegenüber der bisherigen religionsgeschichtlichen Hypothese in der seit Usener häufig vertretenen universalen Form ist F. gewiss Recht zu geben. Gleichwohl scheint der Dezembertermin für das römische Weihnachtsfest doch auf das kirchliche Bemühen um eine Alternative zum Fest des Sol invictus zurückzugehen.