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Ausgabe:

November/1996

Spalte:

1101 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Goller, Hans

Titel/Untertitel:

Psychologie. Emotion, Motivation Verhalten

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1995. 196 S. 8° = KonTexte. Wissenschaften in philosophischer Perspektive, 1. Kart. DM 34,­. ISBN 3-17-013912-6

Rezensent:

Michael Dieterich

Wer sich vor dem Hintergrund der umfangreichen einführenden Literatur zur Psychologie (vgl. z. B. Zimbardo/Ruch) aufmacht, eine weitere Publikation zu schreiben, muß dies genau begründen. Vor allem auch deshalb, weil viele dieser Bücher ­ entsprechend ihres angelsächsischen Standards ­ mit didaktisch sehr anspruchsvollem Niveau (Abbildungen, Tabellen, Glossare usw.) aufwarten ­ Erleichterungen, die man in Hans Gollers Buch so nicht findet. Eine erste Begründung liefert die Buchreihe, in der das Werk erscheint: "Kon-Texte. Wissenschaften in philosophischer Perspektive" wollen fächerübergreifende Themen und Grenzfragen der Sozial- und Naturwissenschaften angehen und mit ihrer Reihe interdisziplinäres Denken fördern. Prof. Dr. Hans Goller SJ lehrt Psychologische und Philosophische Anthropologie an der Hochschule für Philosophie in München und legt in seiner Publikation die Ergebnisse einer Vorlesungsreihe über Psychologie für Studierende der Philosophie und Theologie vor. Diese Hintergrundstruktur zieht sich auch didaktisch durch das Buch: Es ist kein Lehr-, sondern eher ein Begleitbuch, das mit Gewinn wegen seiner ausgezeichneten Struktur und vernünftiger Begrenzung parallel zu einer Übersichtsvorlesung gebraucht werden kann. Bei einem Lehrbuch müßte man an vielen Stellen nach Vertiefung, nach neueren Forschungsergebnisse usw. fragen, hier zählt mehr die Übersicht, der Blick für das Ganze und, was Gollers erklärtes Ziel ist, die Psychologie aus dem für viele Nichtpsychologen immer noch vorhandenen Zerrbild herauszuführen. Dieses Ziel hat der Autor erreicht, es ist ihm gelungen, den empirisch-wissenschaftlichen Status der akademischen Psychologie überzeugend darzustellen.

Seine bereits in der Überschrift vorgenommene Auswahl der Behandlung von Emotion, Motivation und Verhalten entspricht der (sinnvollen) Beschränkung auf das Teilgebiet der "Allgemeinen Psychologie" aus dem Fächerkanon der wissenschaftlichen Psychologie. Das Buch ist in fünf Kapitel unterteilt. Bildlich gesprochen stellen die Kapitel 1 und 5 den "Rahmen" dar. In den zentralen Kapiteln 2, 3 und 4 werden "Emotion, Motivation und Verhalten" als "Bilder" der Psychologie abgehandelt. Der Rahmen des Bildes ist auch derjenige Teil, der die Besonderheit der Publikation ausmacht. Hier finden die wissenschaftstheoretischen Überlegungen und Verknüpfungen, die im Klappentext angekündigt werden, statt. Zum einen (Kapitel 1) werden die Notwendigkeit der Definition von "Seele" und die Veränderungen, die sich hierbei vor historischem Hintergrund ergeben haben, beschrieben. Die Notwendigkeit einer Abgrenzung vom philosophischen Seelenbegriff ("dieser kann durch weitere Deutungen... keine Fortschritte erzielen") führt zum empirischen Ansatz, der Psychologie als Wissenschaft vom Erleben und Verhalten beschreibt und zur Überprüfung dieser Aspekte dann auch konsequent einsetzt. Zum andern geht G. im 5. Kap auf das "Leib-Seele-Problem" ein. Auch dieser Teil des Rahmens führt über die üblichen Themen von Einführungen in die Psychologie hinaus und rechtfertigt die Notwendigkeit des Buches. Hier zeigt sich, wo möglicherweise die Grenzen der in der akademischen Psychologie üblichen empirischen Disziplinen liegen können. Es wird aber auch deutlich, daß der Autor einen weiteren Schritt über die Philosophie hinaus in den Bereich des christlichen Glaubens scheut. Hier hätte er für seine Hörer aus dem Bereich der Theologie ­ und auch Leser, die Wissenschaften in ganzheitlichem Sinne suchen ­ einen weiteren Blick aufzeigen können.

Was die Kap 2 bis 4 anbelangt, so findet man, wie schon angeführt, recht gedrängt aber dennoch übersichtlich, wichtige Einzelheiten zu der Gesamtfrage "Was ist der Mensch?". Im Kap 2 wird dabei der Schwerpunkt auf die Zusammenhänge zwischen erlebtem Gefühl und den damit zusammenhängenden kognitiven und verhaltensbedingten Dimensionen des Menschen beschrieben. Im Kap 3 werden drei bekannte Motivationstheorien (und damit auch verschiedene Anthropologien) vorgestellt, die auch heute noch erklären können, welche Bedürfnisse den Menschen dazu bewegen, sich zu bewegen. Die den größten Raum einnehmende Darstellung der Psychoanalyse wird jedoch vom Vf. selbst deutlich relativiert (92) und so ist zu fragen, wie lange noch Autoren unserer Tage, insbesondere wenn sie sich zum Ziel setzen, der "tiefenpsychologischen Art des Psychologisierens" (8) ein Ende zu setzen, trotzdem der Faszination des analytischen Ansatzes verfallen. Im 4. Kap werden schwerpunktmäßig Lernprozesse und die sich für das Verhalten ergebenden Konsequenzen behandelt.

Zusammenfassung: Ein Buch, das in die Psychologie einführt, wichtige Linien zeigt und insbesondere im ersten und letzten Kapitel auch den Anspruch der fächerübergreifenden Sichtweise einlöst. Was mir fehlte, ist der deutlichere Bezug der Rahmenkap 1 und 5 zu den Zentrumskap 2 bis 4 ­ d. h. eine an der Emotion, Motivation und dem Verhalten orientierte Ganzheitlichkeit ist nicht zu erkennen. Eine solche Integration, die dann auch die unter theologischer Sichtweise wichtigen Glaubensaspekte beinhalten könnte, steht für nachfolgende Schriften noch aus.