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Ausgabe:

Juni/2009

Spalte:

679–681

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Timmer, Daniel C.

Titel/Untertitel:

Creation, Tabernacle, and Sabbath. The Sabbath Frame of Exodus 31:12–17; 35:1–3 in Exegetical and Theological Perspective.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2008. 236 S. 8° = Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, 227. Geb. EUR 69,90. ISBN 978-3-525-53091-7.

Rezensent:

Henning Graf Reventlow

Der Band ist die überarbeitete Fassung einer Dissertation unter R. E. Averbeck an der Trinity International University (Deerfield, Illinois), einer evangelikalen Institution. Diesen Hintergrund seiner Entstehung muss man beachten, wenn man seiner Eigenart gerecht werden will.
Auf den ersten Blick scheint es sich vom Thema her um die Analyse eines eng begrenzten Textbereiches zu handeln – der beiden Abschnitte in Ex 31 und 35, die vom Sabbath handeln und im vorliegenden Text die Erzählung vom goldenen Kalb in Ex 32–35 umgeben. Wenn man liest, das Ziel der Untersuchung sei es, den beiden Abschnitten einen sinnvollen Platz als Rahmen dieses Berichtes vom zeitweiligen Abfall des Volkes zuzuweisen (18), könnte man denken, es handele sich um ein neues Beispiel der zurzeit so populären redaktionskritischen Methode. Aber dann liest man im gleichen Zusammenhang von der Absicht T.s, zur Untersuchung des Tabernakelbau-Abschnittes in Ex 25–40 fortzuschreiten (ein besonderes Kapitel widmet sich dort [103–131] der Goldenen-Kalb-Episode in Ex 32–34 und dem übrigen Sabbathmaterial im Pentateuch, angefangen bei Gen 2,1–3). Und wenn schließlich noch ein Ausblick auf die jüdische zwischentestamentarische Literatur und das Neue Testament (am Beispiel des Hebräerbriefs) unter dem Gesichtspunkt der Typologie (T. findet diese Methode nützlich, 29) angekündigt wird, ist die Tendenz des Werkes durchaus klar – ganz in Übereinstimmung mit dem Ort, an dem sie entstanden ist: Es handelt sich um eine evangelikale Arbeit. Dazu gehört auch, dass die historisch-kritische Methode, für die J. Wellhausen verschiedentlich als Kronzeuge dient (vgl. Index of Authors, 235), durchweg als völlig überholte Methode der Vergangenheit angesehen wird. Obwohl Anhänger der redaktionskritischen Sicht sich programmatisch auf die Analyse des Endtexts beschränken, würden sie wegen ihres andersgerichteten Interesses doch nie zu einem solchen Urteil gelangen, sich dessen wohl bewusst, dass die eine Methode die historische Weiterentwicklung der anderen darstellt. T. ist andererseits der festen Überzeugung – und macht sie zur Grundlage seiner Arbeit – »that the biblical text [als Ganzer!] is coherent when taken on its own terms« (20).
Als solche hat die Untersuchung manche Pluspunkte aufzuweisen: Der Gesamtaufbau ist sehr klar, und wie er am Anfang angekündigt wird, wird er bis zum Ende durchgeführt. Die vielen nummerierten Unterabschnitte der einzelnen Kapitel erleichtern den Überblick erheblich. Auch kann man die Behandlung des Ausgangspunktes: die Einordnung der beiden Sabbathabschnitte in ihren Zusammenhang als Umrahmung der dazwischen stehenden Kapitel Ex 32–34 (Kapitel II, 28–60) teilweise durchaus als erwägenswert ansehen. Dies ist ein neuer Aspekt, da frühere Exegeten mit einem literarkritischen Ansatz hier nicht weitergekommen waren. Hinzu rechnen kann man auch die sorgfältige Analyse des Begriffes ןותבש תבש (47–50). Hier ergibt sich als Resultat, dass in dieser Steigerungsform statt eines einfachen תבש eine strengere Definition gemeint ist: An solchen herausgehobenen Tagen sei jegliche Arbeit kategorisch verboten, während an einfachen Sabbathtagen gewisse Betätigungen noch erlaubt seien.
Anders ist es mit der Schöpfungsvorstellung. T. hat auch das Thema Schöpfung einbezogen und sogar an den Anfang des Buchtitels gesetzt. Dessen Einbeziehung als literarisches Element im Rahmen eines durchlaufenden Erzählungszusammenhanges ist jedoch alles andere als ausreichend begründet. Zwar ist der Rück­verweis auf Gen 1,1–2,3 auch in der kritischen Literatur nicht selten anzutreffen, aber durch eine gemeinsame Quelle ist er keineswegs ausreichend zu begründen. In Ex 31,17 wird zwar auf die Schöpfungserzählung zurückverwiesen, aber das ist sehr wahrscheinlich kein Hinweis auf eine in der Form des Textes von Gen 1–2,3 tradierten Quelle, sondern der Inhalt einer mündlich überlieferten Tradition, die möglicherweise erst später als dieser Hinweis in Gen 1,1–2,3 in den heute dort vorliegenden Wortlaut gebracht worden sein könnte. Die Bedenken häufen sich, wenn man das Kapitel III (61–102) hinzunimmt.
Schon die Überschrift (»Hermeneutical and theological reflections on the sabbath frame«) verrät, dass hier zu einem anderen, der strikten Exegese fremden, Ansatz übergegangen wird. Hier werden in einer eine historische Abfolge implizierenden Weise in Zusam­menfassungen größerer Textkomplexe (wie Ex 19–Num 10 und deren Teilabschnitte) pentateuchische Textbereiche als historica veritas behandelt, deren historischer Charakter zu Unrecht einfach vorausgesetzt wird. Anschließend (Kapitel IV, 103–131, und Kapitel V, 132–145) wird der Abschnitt über das goldene Kalb (Ex 32–34) ausführlich unter dem Gesichtspunkt der Anwesenheit Gottes unter seinem Volk und von Sünde und Vergebung behandelt. Für sich genommen ist das eine gelungene biblisch-theolo­gische Ab­hand­lung. Die Grundthematik setzt sich fort im ersten Ab­schnitt von Kapitel VI (146-151),wo Jes 65-66 im Rahmen von Schöpfung, Tempel und Sabbath im Hinblick auf das theologische Thema der Gegenwart Gottes, die volle Vergebung, Heiligung und Ruhe als Grundthema des Sabbaths erneut in den Blick kommen. Die im Gesamtzusammenhang wichtigen Aspekte der außerkanonischen jüdischen Literatur aus der Zeit des zweiten Tempels (Jub; Damaskusschrift, Philo [151–157]) liegen für T. darin, dass die Thematik von Sabbath und Ruhe, auch mit einem eschatologischen Aspekt, zum Ausdruck kommt. Schöpfung, Tabernakel und Sabbath als eine Gesamtlinie werden auch hier sichtbar. Das lässt sich für T. auch bei den Schriftpropheten finden (165–174).
In dieser Darstellung findet man mancherlei theologische Anregungen im Einzelnen. Ein Grundbedenken bleibt angesichts der evangelikalen Denkvoraussetzung, die der ganzen Darstellung zu Grunde liegt. Die Hereinnahme von Gen 1–2,3 in einen ununterbrochenen Zusammenhang, die eine durchgehende Entwicklung von der Schöpfung bis zur nachkanonischen Periode ermöglicht, sieht diesen Zusammenhang als eine durchlaufende historische Entwick­lung aus lauter Fakten, angefangen mit der Schöpfung bis in die spätesten biblischen und nachkanonischen Texte hinein. Wenn man das alles liest, denkt man: Wenn der Umgang mit der biblischen Geschichte doch so einfach wäre!
Andererseits: Welcher Fleiß ist in das Werk investiert worden! Man sieht es neben den sorgfältigen Registern vor allem an der umfangreichen Bibliographie (183–219). Dort sind weit mehr Titel aufgelistet, als im Text selbst berücksichtigt werden konnten.