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Ausgabe:

Juni/2009

Spalte:

670–672

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Berlejung, Angelika u. Frevel, Christian [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Handbuch theo­lo­gischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006. XII, 468 S. m. Abb. gr.8°. Lw. EUR 119,00. ISBN 978-3-534-15138-7.

Rezensent:

Joachim Conrad

In der gegenwärtigen Situation fehlt es an sich nicht an größeren und kleineren Nachschlagewerken, in denen sich nicht nur Fachvertreter, sondern auch breitere Kreise innerhalb und außerhalb der Theologie zu bibelwissenschaftlichen Fragen und Sachverhalten informieren können. Die Herausgeber des vorliegenden Handbuchs, einer Ge­meinschaftsarbeit von evangelischen und katholischen Bibelwissenschaftlern, schlagen aber insofern einen neuen Weg ein, als sie den Stoff in einem ersten Teil in zwölf »Dachartikeln« bündeln, in denen Hauptthemen biblischer Theologie sowie die für das Verständnis der Bibel wesentlichen gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten behandelt werden (Anthropologie, Eschatologie, Ethik, Ge­schich­te/Geschichtsdarstellung/Heils­ge­schichte, Gottesvorstellungen, Kult, Kultur und Mentalität, Schrift/Schriftverständnis, Soteriologie, Gesellschaft und Institution, Gesetz, Weltbild/Kosmologie, 1–72), und in einem zweiten Teil rund 180 »Begriffsartikel« folgen lassen, die jeweils einem der »Dachartikel« zugeordnet sind und in denen der dort zusammengefasste Stoff entfaltet wird (73–437).
So kann sich der Benutzer einerseits einen Überblick über größere Themenbereiche verschaffen und sich andererseits über be­stimmte Einzelaspekte genauer informieren, wobei mit den Dachartikeln zugleich ein Kompendium der biblischen Theologie ge­boten wird. Das Handbuch soll damit Studierenden, Pfarrern, Re­ligionslehrern und nicht zuletzt den Vertretern der anderen theologischen Disziplinen den Zugang zu den wesentlichen Fragestellungen und Ergebnissen der bibelwissenschaftlichen Forschung erleichtern. Die Artikel sind durchweg auf das Alte und das Neue Testament aufgeteilt und auch überwiegend von zwei zuständigen Fachvertretern verfasst. Nur da, wo keine gravierenden Unterschiede in der Problematik bestehen, werden beide Fächer in einem einheitlichen Artikel behandelt. Den Begriffsartikeln folgen noch ein Glossar, in dem alle wichtigen Fachausdrücke erklärt werden (439–444), ein Autoren- (445) und ein Abkürzungsverzeichnis (446–451) sowie ein Register der biblischen und antiken Namen (452–454) und ein Sachregister (455–468).
Zusammenfassend kann nur gesagt werden, dass das Vorhaben der Herausgeber nach Anlage und Durchführung gelungen ist. Die Kombination von Überblicks- und Spezialartikeln, bei der dem Benutzer zunächst größere Zusammenhänge erschlossen werden, in die er die Einzelprobleme einordnen kann, ist überzeugend. Ein dichtes System von Verweisen ermöglicht ihm eine schnelle Orientierung nach beiden Seiten, wobei er ergänzend noch auf die ausführlichen Register der Namen und Sachen zurückgreifen kann. So ist besonders für den vorgesehenen Benutzerkreis ein sehr brauchbares Handbuch entstanden.
Insgesamt besticht das Buch durch seinen weiten Horizont. Für die Erklärung der Begriffe werden in hohem Maße Vorstellungen und Verhältnisse in der jeweiligen Umwelt und dabei auch sozialwissenschaftliche Erkenntnisse einbezogen und außerdem frühjüdische Schriften wie die aus Qumran bis hin zu rabbinischen Zeugnissen berücksichtigt. Einen besonderen Schwerpunkt bilden die Ergebnisse der archäologischen Forschung, die vor allem für das Verständnis des Alten Testaments erhebliche Bedeutung gewonnen hat und für deren Veranschaulichung rund 50 Abbildungen im Text beigegeben sind. Angesichts dessen ist das Buch, auch im Vergleich mit anderen und umfänglicheren Nachschlagewerken, sehr reichhaltig und gewichtig. Bemerkenswert ist außerdem, dass in vielen Artikeln und teilweise in gesonderten Vorbemerkungen zu diesen auf die Unterschiede in den Lebensverhältnissen, Weltvorstellungen und Denkvoraussetzungen zwischen der damaligen und der heutigen Zeit aufmerksam gemacht und damit die Notwendigkeit einer sachgemäßen Hermeneutik der biblischen Aussagen verdeutlicht wird.
Dieses Gesamturteil gilt auch für die Darstellung in den einzelnen Artikeln. So bieten vor allem die Dachartikel ein umfassendes Kompendium der jeweiligen Problematik, das klar und übersichtlich gegliedert ist und den gegenwärtigen Stand der Forschung, der sich besonders im Alten Testament in neuester Zeit erheblich verändert hat, verständlich macht. Etwas verwunderlich ist, dass man eine zusammenfassende Darstellung der jüdischen Religionsparteien der hellenistisch-römischen Zeit und der philosophischen Richtungen dieser Zeit in dem Artikel »Weltbild/Kosmologie« findet (69 f.), da es dabei nicht nur um Weltzeiten und Weltordnung geht, sondern generelle Informationen über diese Parteien und Richtungen gegeben werden, die man an dieser Stelle eigentlich nicht suchen würde. Man kann auch fragen, ob es angemessen ist, Weisheit und Gesetz unter einem »Dach« zu behandeln. Wie die Darstellung beim Alten und Neuen Testament zeigt, handelt es sich doch um zwei eigene Bereiche, die erst in der späten Weisheit ausdrücklich korreliert worden sind, auch wenn natürlich mancherlei Einflüsse von dem einen auf den anderen Bereich zu beobachten sind.
Bei dem begrenzten Umfang des Buches waren die Autoren natürlich genötigt, sich auf das jeweils Wesentliche zu konzentrieren und sich auch bei komplizierten Problemen möglichst kurz zu fassen. Das war vor allem im Hinblick auf die Forschungslage im Alten Testament keine leichte Aufgabe, wobei ja bedacht werden musste, dass das Buch für einen breiteren Benutzerkreis und nicht für Fachspezialisten bestimmt ist. Auch dieser Aufgabe sind die Autoren durchweg gerecht geworden. Bedenken erheben sich allerdings bei einigen Begriffsartikeln. So setzt der alttestamentliche Teil des Artikels »Israel/Juda« (258 f.) mit den nur andeutenden Bemerkungen zur judäischen Königszeit Kenntnisse voraus, die einem mit der Forschungslage weniger Vertrauten auch in Verbindung mit dem zugehörigen Dachartikel »Geschichte/Geschichtsdarstellung/Heilsgeschichte« oder dem Begriffsartikel »König« doch schwerlich ganz durchsichtig sind. Zu kurz ist auch der Begriffsartikel »Prophet« (343–345), in dem zwar für die vorexilische Prophetie eine Reihe von Belegen herangezogen wird, für die Herausbildung der spezifisch alttestamentlichen Prophetie nach der Katastrophe Jerusalems aber nur einige allgemeine Hinweise gegeben werden, die dem Benutzer doch nur eine sehr vage Vorstellung von dem hier vorausgesetzten Prophetenbild und der Entstehung der Prophetenbücher vermitteln. Angesichts der Bedeutung, die ihr im alttestamentlichen Schrifttum zukommt, und ihrer Problematik in der gegenwärtigen Forschung wäre es vielleicht sinnvoller gewesen, die Prophetie in einem Dachartikel und da ausführlicher zu behandeln. Es versteht sich, dass die Autoren unterschiedliche Positionen in der Forschung einnehmen und dass auch ein Gemeinschaftswerk wie das vorliegende nicht uniform sein kann. Aber dass in dem Begriffsartikel »Tempel/Heiligtum« der biblische Bericht von Salomos Tempelbau als historisches Zeugnis für dessen Regierungszeit vorausgesetzt wird (386 f.), ohne wenigstens anzudeuten, dass dies gegenwärtig umstritten ist, muss doch bemängelt werden. Natürlich wäre, wenn man von der jetzt verbreiteten Spätdatierung der alttestamentlichen Texte ausgeht, auch in anderen, weniger gravierenden Fällen zu fragen, wieweit die herangezogenen Texte oder Einzelbelege für die Erschließung der vorexilischen Geschichte Israels benutzt werden können.
Abschließend ist nur noch zu betonen, dass das Handbuch mit Nachdruck zu empfehlen ist und dass man ihm viele Benutzer wünscht, die intensiven Gebrauch davon machen.