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Ausgabe:

Juni/2009

Spalte:

666–667

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Raiser, Konrad

Titel/Untertitel:

»Mache dich auf und werde licht!« »Arise, shine!« Ökumenische Visionen in Zeiten des Umbruchs. Ecumenical Visions in Times of Change. Festschrift für Konrad Raiser. Hrsg. v. D. Heller, Ch. Kayales, B. Rudolph, G. Rüppell u. H. Schäfer.

Verlag:

Frankfurt a. M.: Lembeck 2008. 421 S. m. Abb. gr.8°. Kart. EUR 24,80. ISBN 978-3-87476-550-3.

Rezensent:

Theo Sundermeier

Als Professor für Ökumenik in Bochum rief K. Raiser vor 20 Jahren eine Studiengemeinschaft für junge Nachwuchswissenschaftler ins Leben, die an Themen der Ökumene arbeiten, aber an ihren Heimatuniversitäten niemanden haben, der sie wissenschaftlich begleitet. Ausländische und deutsche Studierende bekamen so die Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch und zu Beratung von weiteren Professoren, die auf diesem Gebiet arbeiteten. Noch immer besteht diese Gruppe. Nun haben einige von denen, die von dieser Initiative profitierten, und Begleiter aus Raisers jahrelanger Mitarbeit in den verschiedensten Abteilungen des ÖRK und als dessen Generalsekretär ihm zum 70. Geburtstag eine Festschrift dediziert.
Dass das Schiff der Ökumene sich theologisch, kirchlich und ökonomisch auf stürmischer See befindet, ist allen bewusst. Bietet die Festschrift nun auch »Visionen« für die Zukunft, wie der Buchtitel verspricht? Soweit sich die Aufsätze auf das zentrale Thema des ÖRK, die Einheit der Kirchen, beziehen, bestimmt Resignation den Tenor der Beiträge. »Freilich das Entscheidende ist ausgeblieben. Zu einem wirklichen Durchbruch zur Einheit der Kirchen ist es nicht gekommen, das Ziel der kirchlichen Einheit ›aller unter dem einen Christus‹ erscheint möglicherweise weiter entfernt als je … Es ist Zeit, die Grenzen ernst zu nehmen, die der ökumenischen Bewegung gesetzt zu sein scheinen, nicht zuletzt unsere eigenen ökumenischen Grenzen, auch wenn es schmerzt«, schreibt H. J. Held (Die Wahrnehmung der Grenzen, 51–57, ebd. 53 f.). S. Wesley Ariarajah, langjähriger Weggefährte Raisers aus Sri Lanka, ist noch resignierter. Reformen werden nichts mehr helfen, sondern nur noch ein radikaler Neuansatz wird Chancen haben: Die Ökumene muss eine neue Basis bekommen, sich neu ausrichten, kurz, sie muss »neu erfunden werden« (Re-inventing the Ecumenical Movement, 33–39).
Dass bei einer solchen Neubesinnung die Frage nach der Identität der Kirchen zentral ist, wird subtil von H. H. Aram I (Keshi­shian) bedacht: Identity: A Source of Unity and Division (63–68). Andere Autoren könnten zitiert werden, die die Situation ähnlich beurteilen, aber dennoch meinen, wichtige Hinweise zu Erneuerung geben zu können, z. B. V.-M. Kärkkkäinen, ›The Nature and Mission of the Church‹ in the Light of the global ›Macroreformation‹, 93–99; H. Falcke, Flexible Beharrlichkeit in Ungleichzeitigkeiten, 116–124.
Während der zweite Teil des Bandes »Gaben aus der Ökumene« (125–252) in eher meditativen Beiträgen den Reichtum ökume­nischer Erfahrungen thematisiert, halte ich die Texte des letzten Teiles »Ökumene in der Welt« (291–384), die sich ethischen Fragen unserer Zeit zuwenden, für besonders lesenswert und weiterführend. Ich greife heraus: W. Stierles Aufsatz, Entwicklung der Entwicklungspolitik, der nicht nur auf die theologischen Defizite der bis heute gültigen Entwicklungsdenkschrift der EKD hinweist, sondern sie neu fokussiert, 309–314; J. de Santa Ana, Against the Stream, 334–339, der wie auch andere (z. B. F. Enns) noch einmal auf die Dringlichkeit der Friedensinitiative des ÖRK hinweist, und zwar aus der Perspektive der südlichen Länder, und ihre Dringlichkeit formuliert, oder U. Duchrow, der unter Verweis auf das brillante, posthum herausgegebene Buch von D. Conrad »Gandhi und der Begriff des Politischen« (2006) sich von Gandhi inspirieren lässt zur Überwindung westlicher ökonomischer (!) Gewalt (340–346).
Eine ausführliche Bibliographie der Arbeiten K. Raisers schließt für alle, die die Hoffnung für eine Zukunft der Ökumene noch nicht aufgegeben haben, die informationsreiche, lesenswerte Festschrift.