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Ausgabe:

Mai/2009

Spalte:

621-622

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Titel/Untertitel:

Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive. Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2008. 128 S. 8°. Kart. EUR 5,95. ISBN 978-3-579-05905-1.

Rezensent:

Andreas Pawlas

Wer geglaubt hatte, nach seiner »Armutsdenkschrift« von 2006 und der darin vorgenommenen Selbstverpflichtung zur Orientierung an der »vorrangigen Option für die Armen« und zur Analyse »struktureller Ungerechtigkeit« habe der Rat der EKD die evangelische Kirche auf eher »sozialistische« Positionen festlegen wollen, muss sich durch die neue Denkschrift eines Besseren belehren lassen. Es ist wohltuend, wie unbefangen und realistisch er unternehmerisches Handeln als entscheidend für die wirtschaftliche Entwick­lung und zur Bewältigung weltweiter sozialer und ökologischer Probleme beschreibt, weshalb das Land »überzeugende, glaubwürdige und tatkräftige Unternehmer und ein positives Leitbild für unternehmerisches Handeln« brauche (18). Hierbei wird daran erinnert, dass christlicher Glaube zu vernünftigem, sachgemäßem und verantwortlichem Handeln befreie und damit auf eine Wirtschaftsordnung in der Tradition der Sozialen Marktwirtschaft ziele (32), in der sich »ursprünglich protestantische Werthaltungen« verwirklichten (51 ff.).
Biblische Bezüge fallen knapp aus, weil sich aus ihnen direkte Anweisungen für das Arbeitsleben »nur bedingt« ableiten ließen (33). Mit Rekurs auf Luther und seine Freiheitsschrift wird jedoch herausgestellt, dass unternehmerische Freiheit in evangelischer Perspektive nicht unbegrenzt, sondern durch die Verantwortung vor Gott und den Menschen bestimmt sei. Einen verlässlichen Kompass auch für Unternehmer stellen dabei vor allem die Zehn Gebote, das Gebot der Nächstenliebe und die Goldene Regel dar (41 ff.). Zu Recht wird sodann darauf hingewiesen, wie produktiv Luthers Berufsidee auch »zur Begründung und Legitimation unternehmerischen Handelns« gewesen sei (49).
Ein eigenes Kapitel bilden dann die Beziehungen zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern (58 ff.), in dem die Verantwortung der Unternehmer für Schaffung, Erhalt und Abbau von Arbeitsplätzen herausgestellt wird. Hier seien in fairer Partnerschaft mit allen Betroffenen Mitbestimmung und Mitverantwortung (66 ff.) sowie Mitarbeiterbeteiligung an Kapital und Ertrag (69 ff.) verantwortungsvoll zu gestalten und sei die Teilhabe aller zu ermöglichen (9). Darüber hinaus trügen Unternehmen auch Verantwortung für die Konsumenten (72 ff.), wobei für mehr Transparenz plädiert wird (76).
Bemerkenswert ist, dass im Blick auf die Kapitalmärkte (77 ff.) der klassische ethische Topos des kanonischen Zinsverbots nicht mehr diskutiert wird. Dagegen wird berechtigt die Forderung nach mehr Transparenz und zur Besinnung auf die »Christliche[n] Werte eines ehrbaren Kaufmanns« erhoben (77 ff.). Relativ unvermittelt erfolgt sodann eine Überleitung auf die gegenwärtig aktuelle Frage nach einer angemessenen Höhe der Managergehälter (87 ff.), die sozial­ethisch »prinzipiell auch vor den Empfängern der geringsten Einkommen gerechtfertigt« werden müsse (90). Anschließend wird im Hinblick auf die Globalisierung zutreffend hervorgehoben, wie sehr sie gegenwärtig das unternehmerische Handeln beeinflusse (93 ff.). Der Rat fordert hier kühn aber berechtigt, die »Leitlinien der Sozialen Marktwirtschaft Schritt für Schritt weltweit tragfähig zu machen« mit dem Ziel, eine gerechte Teilhabe aller zu ermöglichen und insbesondere faire Arbeitsstandards zu bewirken (98 f.).
Im Hinblick auf die gesellschaftliche Verantwortung von Wirtschaftsunternehmen wird betont, dass sie die zum einen durch »nachhaltiges, effizientes und erfolgreiches Wirtschaften« erfüllten, aber z. T. auch durch Übernahme bürgerschaftlicher Verantwortung (102 ff.). Bezüglich Kirche und Diakonie selbst wird dabei betont, dass beide keine Unternehmen seien, aber dennoch gelegentlich als direkte Folge des Glaubens unternehmerisch handeln müssten (109). Vielfach hätten aber Kirche und Diakonie dabei auch von der Unterstützung durch Unternehmer und ihrer Kompetenz profitiert (107 f.).
Am Ende wird resümiert, dass künftig die Belastungen von Unternehmern steigen würden. Umso wichtiger seien für sie ein »gesteigertes ethischen Bewusstsein«, »klare Orientierungen« sowie »spirituelle Beheimatung« (116). Hier ist dem Rat zu danken, dass er mit dieser Denkschrift nach diversen theologischen Ausgrenzungsversuchen (nicht nur) christlichen Unternehmern eine theologische Verortung gibt, die sie brauchen, um sachkundige ethische Orientierungen nicht nur gern hören zu können, sondern auch Motivation zu schöpfen, sie umzusetzen – was in diesen Zeiten bitter nötig ist.