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Ausgabe:

Mai/2009

Spalte:

578–579

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Sommer, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Die lutherischen Hofprediger in Dresden. Gründzüge ihrer Geschichte und Verkündigung im Kurfürstentum Sachsen.

Verlag:

Stuttgart: Steiner 2006. 313 S. m. Abb. 8°. Geb. EUR 42,00. ISBN 978-3-515-08907-4.

Rezensent:

Volker Gummelt

In dem Leben eines jeden Wissenschaftlers gibt es wohl jeweils ein oder zwei Themen, die einen stetig begleiten und die einen im Laufe der Jahrzehnte zu einem ausgewiesenen Spezialisten auf diesem Gebiet machen. Für den (emeritierten) Neuendettelsauer Kirchenhistoriker Wolfgang Sommer ist dieses die Geschichte der evangelischen Hofprediger in Deutschland in der Frühen Neuzeit (vgl. beispielsweise auch dessen Aufsatz-Band; ThLZ 126 [2001], 79–81). Die besondere Faszination an diesem Thema begründet sich für S. vor allem darin, dass sich in dem Gegenüber von Regenten und Hofprediger das Grundthema der Kirchengeschichte von Staat und Kirche widerspiegelt. Da S. in das Zentrum seiner Untersuchungen stets die Predigttätigkeit jener Theologen setzt, ergeben sich zugleich so auch wertvolle Beiträge zur Geschichte der Homiletik und ein Brückenschlag zur Praktischen Theologie.
In diesem Band werden von S. ausschließlich Prediger betrachtet, die am kursächsischen Hof zu Dresden und damit an der bedeutendsten Residenz des lutherischen Deutschlands wirkten. Die Auswahl der 14 hier vorgestellten Persönlichkeiten wurde gewiss auf Grund ihrer überregionalen Bekanntheit und/oder ihrer jeweils markanten Rolle als Theologen ihrer Zeit getroffen. Denn S.s Absicht besteht darin, anhand dieser Beispiele Grundzüge einer Geschichte der sächsischen Hofprediger von der Mitte des 16. Jh.s bis zum Jahre 1763 (Frieden von Hubertusburg) und damit für einen Zeitraum von 200 Jahren aufzuzeichnen.
Nach einer Einleitung (9–16), die zur Einführung in das Thema und zur Kurzvorstellung der nachfolgend behandelten Theologen dient, wird in einem ersten Kapitel (17–30) ein äußerst informativer Überblick zur kulturellen Entwicklung Dresdens als lutherische Residenzstadt gegeben. Dabei konzentriert sich S. auf die bauliche Tätigkeit, wie sie sich unter den jeweiligen Kurfürsten gestaltete, nimmt aber auch die Musikpflege am dortigen Hof (etwa unter dem bedeutenden Komponisten Heinrich Schütz) in den Blick.
In den weiteren Kapiteln des Bandes werden dann im Einzelnen die ausgewählten Hofprediger betrachtet. Hier schlägt S. theologiegeschichtlich gesehen einen Bogen von der lutherischen Frühorthodoxie (Nikolaus Selnicker) über die pietistische Bewegung (Phi­lipp Jacob Spener) bis hin zur Frühaufklärung (Johann Gottfried Hermann). Mit den Biographien der Geistlichen wird die Unterschiedlichkeit von Gelehrtenkarrieren in jenem Zeitraum deutlich. S.s zum Teil sehr detaillierte Untersuchungen zu den Predigten der jeweiligen Hoftheologen zeigen indirekt, welche Aufgabenvielfalt jene zu bewältigen hatten. So werden beispielsweise Huldigungs-, Gratulations- und Leichenpredigten sowie Landtags- und Reformationsjubiläumspredigten, aber auch ganze Predigtreihen zu biblischen Büchern wie dem Psalter und der Johannesoffen­barung vorgestellt. Alles in allem kann S. auch in den sächsischen Verhältnissen die in der bisherigen Forschung vertretene grundlegende These klar bestätigen, nach der in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg ein Funktionswandel des Hofpredigeramtes von einer politischen Berater- zu einer geistlichen Mahnerfunktion stattfand. S.s Ausführungen werden je mit einem Bildnis der Theologen (mit Ausnahme von Oberhofprediger Hermann) illustriert.
Anders als oft üblich schließt S. diesen Band nicht mit einem zusammenfassenden Fazit oder mit einem Abschnitt ab, in dem er die doch mehr oder weniger regionalen Aspekte der einzelnen Studien in einen größeren Zusammenhang einordnet. Möglicherweise jedoch sollte mit diesem »offenen« Schluss deutlich gemacht werden, dass die Geschichte der (sächsischen) Hofprediger eine Fortsetzung hatte. Denn bekanntlich endete erst im Jahre 1918 mit dem Ende der Monarchie offiziell das Amt des Hofpredigers in Deutschland. Diese Darstellung könnte jedoch erst durch weitere Untersuchungen geleistet werden. Von daher wäre es wünschenswert, dass S.s Buch anderen Wissenschaftlern eine Anregung gäbe, dieses Thema weiterzuführen oder mit dem Vergleich zu Hofpredigern, die an anderen fürstlichen Residenzen tätig waren, zu ergänzen.