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Ausgabe:

Mai/2009

Spalte:

553–555

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Fee, Gordon D.

Titel/Untertitel:

Pauline Christology. An Exegetical-Theological Study.

Verlag:

Peabody: Hendrickson 2007. XXXI, 707 S. gr.8°. Geb. US$ 39,95. ISBN 978-1-59856-035-0.

Rezensent:

Friedrich W. Horn

Die Darstellung der Christologie des Apostels Paulus hat immer dann Hochkonjunktur, wenn innerhalb der Forschung methodisches Neuland beschritten wird. Ich denke hierbei an Boussets Werk ›Kyrios Christos‹ und seine religionsgeschichtliche Arbeit aus dem Jahr 1913, an Werner Kramers Arbeit zu den christologischen Hoheitstiteln aus dem Jahr 1963, der das sog. Formelmaterial und die damit verbundene Unterscheidung einer vorpaulinischen von einer paulinischen Linie beachtet hat, sowie an Larry Hurtados Buch ›Lord Jesus Christ‹ aus dem Jahr 2003, das unverkennbar Anstöße aus der Monotheismus-Debatte aufgenommen hat und überdies die christologischen Aussagen aus dem Blickwinkel der devotion, also der Frömmigkeitspraxis betrachtet. Eine diesen Beispielen entsprechende Prägung durch einen spezifischen Neuansatz erkenne ich in Gordon D. Fees Buch jedoch nicht. F. beschreibt den Anlass für sein Werk mit seinem über Jahre bestehenden Eindruck, dass es keine vollständige Studie zur Christologie des Paulus gäbe und dass dieses Thema in den vergangenen 25 Jahren in der Forschung eine vernachlässigte und untergeordnete Rolle gespielt habe (XXVII–XXVIII).
F. verzichtet durchgehend auf religionsgeschichtliche Arbeit, was spätestens bei einem Blick in das Stellenregister deutlich wird. Es sind wenige Belege aus den Apokryphen und Pseudepigraphen verzeichnet, ganz wenige Belege aus Josephus und Philo und nur ein einziger frühchristlicher Beleg außerhalb des Neuen Testaments; Belege aus den Schriftrollen Qumrans und aus der griechisch-römischen bzw. der insgesamt hellenistischen Religions­geschichte fehlen ganz. Auch die etwa von Loren Stuckenbruck behandelte Thematik der Engelverehrung und der Christologie wird völlig ausgeblendet. Die religionsgeschichtlichen Arbeiten der Forscher Dieter Zeller, Samuel Vollenweider, Martin Karrer und weiterer deutschsprachiger Wissenschaftler zu christologischen Fragen wären unbedingt zu berücksichtigen gewesen. Insofern bleibt F.s Darstellung der paulinischen Christologie vom Ansatz her ausschließlich der Bibelwissenschaft im engeren Sinn, genauer der philologisch-theologischen Kommentierung neutestamentlicher Textbelege verpflichtet. Hierfür konnte er auf umfangreiche Vorarbeiten zu den von ihm verfassten großen Kommentaren zu 1Kor, Phil, 1 und 2Tim und Tit zurückgreifen.
Dennoch ist der vorliegende Band mit einer schweren Hypothek belastet. F. untersucht das gesamte Corpus Paulinum, also alle unter der Autorschaft des Paulus verzeichneten Schriften, gleichrangig, und er geht auf die nun wirklich breit und intensiv geführte Dis­kussion der Einleitungswissenschaft zur Pseudepigraphie innerhalb der Paulusbriefe nie zentral ein, sondern nur mit wenig aussagekräftigen Hinweisen in seinen Anmerkungen (z. B. 18, Anm. 43; 19, Anm. 44; 31 f., Anm. 4; 339, Anm. 2; 419, Abs. 1). Eine Sachentscheidung in dieser Frage wird aber vermisst. Ich kann nur vermuten, dass sich F. in einer wissenschaftlichen oder kirchlichen Ge­sprächssituation befindet, in der diese Fragen irrelevant geworden sind. Einleitungswissenschaftlich ist dieses an einem canonical Paul (5) orientierte Vorgehen ein schwerwiegender Rückschritt, der das gesamte Werk belastet. Hier hätte F. einleitend grundsätzlich zu dem von ihm eingeschlagenen Weg Position beziehen müssen.
F. unterteilt seine Darstellung der paulinischen Christologie in zwei Teile: Analysis (31–478) und Synthesis (482–593). In dem ersten Teil (analysis) werden nacheinander, verteilt auf die Kapitel 2–10, christologische Aussagen in den Thessalonicherbriefen, im 1. Korintherbrief, im 2. Korintherbrief, im Galaterbrief, im Römerbrief, im Kolosser- und Philemonbrief, im Epheserbrief, im Philipperbrief und in den Pastoralbriefen wie in einem Kommentar behandelt, also auch Bezug nehmend auf die Abfolge im jeweiligen paulinischen Brief. Jedes Kapitel ist mit einer sehr knappen Zusammenfassung abgeschlossen. Überdies sind jedem Kapitel zwei Appendizes angefügt, von denen der eine die behandelten Texte in ihrem griechischen Wortlaut wiedergibt und durch gelegentlichen Fettdruck, Klammern und Unterstreichungen für die Leserschaft aufarbeitet, der andere enthält jeweils eine Wortstatistik.
Der zweite Teil (synthesis) ist viel knapper ausgefallen. In ihm werden in den Kapiteln 11–16 folgende Themen besprochen: Christ, the Divine Savior; Preexistent and Incarnate Savior; Jesus as Second Adam; Jesus: Jewish Messiah and Son of God; Jesus: Jewish Messiah and Exalted Lord; Christ and the Spirit: Paul as a Proto-Trinitarian. Zusätzlich finden sich in diesem Teil noch zwei Appendizes zu Christ and the Personified Wisdom und zu Paul’s Use of Kyrios for Christ in Citations and Echoes of the Septuagint. In diesem zweiten Teil werden die Texte und Exegesen des ersten Teils beständig vorausgesetzt und oftmals wieder aufgegriffen, hier aber thematisch unter der jeweiligen Kapitelüberschrift zusammengeführt. Das Herzstück des Gesamtwerks ist zweifelsfrei der erste Teil, in dem F. bewusst auch seine Sicht der neutestamentlichen Texte zum Ausdruck kommen lassen möchte und das Gespräch mit der Sekundärliteratur erst in einem nachgeordneten Arbeitsschritt sucht (XXIX). Der ganzen Untersuchung ist eine kurze Besprechung der Texte 1Kor 8,6; Kol 1,13–17 und Phil 2,6–11 vorgeordnet, da »these three primary christological texts have embedded in them all the key elements of that Christology« (20), wobei Phil 2,6–11 als acropolis aller Textaussagen der paulinischen Briefe zur Christologie bezeichnet wird (19).
F. widerspricht eindeutig der Annahme, die Christologie des Paulus sei mit einer Weisheitschristologie in Verbindung zu bringen (594–630). Paulus habe keine Kenntnis der Sapientia Solomonis gehabt und sie auch nie erwähnt (619).
»It is certainly not Paul who intends us to read ›Wisdom‹ for ›Lord‹ or ›Son‹, but rather some NT scholars in their wishfulness to see it so« (619). Die Verwendung des Kyrios-Titels für Jesus Christus wird ausschließlich von der in der Septuaginta vorgegebenen Übersetzung des Gottesnamens durch Kyrios abgeleitet und mit der Wertung verbunden: »Furthermore, his appropriation of OT Yahweh language to refer to the divine activity of the reigning Lord has inher­ent in it an understanding of Christ as assuming roles that traditionally and exclusively belong to God alone« (585). Im Zentrum der paulinischen Christologie steht »this understanding of Christ as the messianic Son of God who at the same time is the eternal Son« (552). Befragt man F. nun aber nach den entscheidenden Faktoren, die zu seiner mehrfach als high Christology (9 f.) angesprochenen Lehrbildung geführt haben, so wird eine präzise Antwort vermisst: »In any case, however an understanding of the preexistence of the Son of God arose in the earliest communities – whether by revelation, remembrance of Jesus himself, or thoughtful reflection – the reality exists in Paul; and toge­ther with his κύριος Christology it presupposes, as well as expresses, the kind of ›high‹ Christology that finds very open, articulate expression in the Gospel of John. Paul and John are on the same Christological page in the story« (554).