Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2009

Spalte:

471-472

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Wood, Donald

Titel/Untertitel:

Barth’s Theology of Interpretation.

Verlag:

Aldershot-Burlington: Ashgate 2007. XIV, 189 S. gr.8° = Barth Studies. Geb. £ 50,00. ISBN 978-0-7546-5457-5.

Rezensent:

Stefan Holtmann

Bei der Studie handelt es sich um die leicht überarbeitete Fassung einer im Jahr 2004 der Universität Oxford vorgelegten Dissertation, die von John Webster betreut wurde. In den vier Kapiteln seiner Studie zeichnet W. in knappen Zügen den Charakter von Barths Interpretation nicht nur der biblischen Schriften, sondern auch der Theologiegeschichte des 18./19. Jh.s (vgl. 50–99) nach. Dabei geht W. vor allem auf frühe Vorträge Barths, Vorlesungen aus der Göttinger Zeit, die Darstellung der Geschichte der protestantischen Theologie sowie Passagen der Kirchlichen Dogmatik ein. W. sieht einen dem Denken Barths angemessenen Zugang zu dessen »Theologie der Interpretation« darin, vor allem den Vollzug exegetischer Arbeit in den Blick zu nehmen und die Frage nach Barths »Hermeneutik« demgegenüber zurückzustellen: »It was exegesis and not hermeneutics, to which Barth called his students.« (X) Hermeneutische Fragestellungen folgten einem Leseprozess, einer durchgehenden exegetischen Grundierung, die Barths Werk seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges kennzeichne. Dabei wahre Barth eine relative Freiheit von philosophischen Denkmodellen, derer er sich zum Ausdruck theologischer Einsichten bediene (44).
W. zeigt Merkmale einer Kontinuität in Barths »Theologie der Interpretation« auf, welche die verschiedenen Phasen seines Werks durchziehen. So kann Barth von der Schrift in »aktiven« Kategorien sprechen (vgl. XII): Die Schrift macht ihre Leser zu Hörern des »Wortes Gottes«, insofern sie als Zeugnis auf dessen »Realität« hinweist und von ihm in Anspruch genommen wird. Dabei wird die Wirkung dieser »Aktivität« auf die Lesenden in Kategorien der Soteriologie entfaltet: »›Hearing‹ in the fullest sense is an event of reconciliation; we hear as our sins are forgiven.« (147, vgl. 173) Erkenntnistheoretische Fragen sind so in die dogmatische Entfaltung ein­geholt, und die »Theologie der Interpretation« lässt eine »Theologie des Heiligen Geistes« als ihren Hintergrund erkennen.
Diesem Verständnis der Schrift korrespondiert eine bestimmte Haltung der Lesenden: W. hebt die Rolle des Gebets hervor, die bei Barth im Kontext einer »Ethik des Lesens« zu verstehen sei. Sachlichkeit, Gehorsam – all dies kennzeichnet das Lesen des »prayerful reader« (35) als eine Haltung, von der festzustellen sei: »… the reader will bring to the text a genuine Sachlichkeit, by which Barth means a self-forgetful interest in what is said for its own sake. If this objectivity is not identical with faith and obedience, it can follow it and lead towards it.« (148)
W. zeigt auf, wie stark Barth die Schriftlehre als Prolegomenon der Dogmatik in diese selbst eingezogen hat. Insofern ist das Problem der »Geschichte« kein Problem, das im Vorfeld, sondern nur im Vollzug theologischer Arbeit zu behandeln ist. Dabei hebt Barth die sachliche Verbundenheit der Zeiten hervor: »All history is the history of God’s saving work, the history of his patience with creative renewal of sinful humanity.« (15)
W. zeichnet Barths »Theologie der Interpretation« stringent vor dem Hintergrund von dessen Selbstverständnis nach. W.’s »Barth« ist so der Historisierung (etwa im Horizont der Weimarer Zeit) enthoben. Ein solcher Deutungsansatz wird in der neueren Barthforschung nicht unumstritten bleiben. Gleichwohl markiert gerade die Frage nach Barths »Theologie der Interpretation« einen Punkt, an dem Entscheidungen für das Verständnis der Theologie Barths als Ganzer fallen. Am Verständnis von Barths »Römerbrief« tritt dies deutlich hervor: Ist er ein philosophischer Traktat im biblischen Sprachgewand oder doch ein Kommentar zum Paulusbrief, der sich ganz in die Gedanken- und Sprachwelt der Moderne hineinbegibt? Zu dieser Diskussion liefert W. mit seiner Studie im Anschluss an Barth wichtige Vorarbeiten.