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Ausgabe:

April/2009

Spalte:

422-424

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ben Zvi, Ehud

Titel/Untertitel:

Hosea.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2005. XIII, 321 S. gr.8° = The Forms of the Old Testament Literature, 21A/1. Kart. US$ 55,00. ISBN 978-0-8028-0795-3.

Rezensent:

Aaron Schart

Ehud Ben Zvi hat den 17. Kommentar der Reihe »The Forms of the Old Testament Literature« vorgelegt. Mit diesem Band hat die Reihe eine inhaltliche Neuausrichtung erhalten: Wollten die ersten Bände die den Texten zu Grunde liegenden Gattungen und deren Sitz im Leben rekonstruieren, so ist das Ziel nun die formkritische Beschreibung des Endtextes. Benutzte Gunkel noch die Analyse der Gattungen, um die mündliche Vorgeschichte der biblischen Texte zu rekonstruieren, so blendet der Vf. diachrone Fragestellungen völlig aus und untersucht allein die Form eines Textabschnitts im Zusammenhang des kanonischen Buches. Auch die Suche nach der Autorintention wird aufgegeben, stattdessen wird derjenige Textsinn ermittelt, den die Leserschaft generiert. Die Leserschaft, das sind wenige »literati« in »postmonarchic Judah« (14), die die Hoseaschrift als autoritative Prophetenschrift anerkennen. Bezüglich der Lesestrategie dieser hervorragend ausgebildeten Theologengruppe wird der Vf. nicht müde, auf den Prozess des »reading, rereading, reading to others, and studying« (20) hinzuweisen. Darunter versteht er zum einen, dass eine Leserschaft völlig in die Textwelt des Buches eintaucht und diese aus sich selbst heraus versteht. Buchexternes historisches Wissen wird dagegen abgeblendet. Zum anderen wird beim erneuten Lesen nicht nach dem einzig richtigen Sinn, sondern nach immer neuen, noch nicht entdeckten Bedeutungsnuancen gesucht. Obwohl der Vf. eingesteht, dass die Hoseaschrift in der überkommenen Handschriftentradition nicht als eigenes Buch, sondern als Eröffnungsschrift des Zwölfprophetenbuchs verstanden wird, lehnt er es ab, Hosea in dieser Perspektive zu lesen (7). Der Kommentar konzentriert sich ganz auf die Formkritik, alle anderen Arbeitsschritte der klassischen Methodik, also etwa die Übersetzung, die Textkritik oder die diachronen Arbeitsschritte, kommen nur zum Zuge, wenn es aus formkritischen Gründen wichtig ist. Gewöhnungsbedürftig ist, dass Anmerkungen einfach in den Fließtext hineingeschrieben werden, ohne diese im Druckbild abzusetzen.
Der Vf. unterteilt den Text der Hoseaschrift in Überschrift (Hos 1,1), »Body of the Book« (1,2–14,9) und »Conclusion of the Prophetic Book and Main Interpretative Key« (14,10). Der Hauptteil wird dann weiter unterteilt: »First Set of Didactic Prophetic Readings« (1,2–3,5), »Second Set of Didactic Prophetic Readings« (4,1–11,1), »Third Set of Didactic Prophetic Readings« (12,1–14,9). Jede Passage wird dann in folgenden Schritten kommentiert: structure, genre, setting, intention.
Das Vorgehen sei am Beispiel von Hos 3,1–5 dargestellt (78–94). Im ersten Abschnitt (»structure«) wird zunächst eine knappe Übersicht gegeben. Demnach gliedert sich der Abschnitt in »introduction (1aα), divine command (1aβ–b)« und »report of fulfillment of command (2–5)«. Man sieht, dass der Vf. äußerst zögerlich darin ist, inhaltliche Aspekte in die Strukturanalyse einzubeziehen. Hätte man nur diese Gliederung, würde niemand vermuten, dass dieser Text einen, häufig für die Biographie des Propheten ausgewerteten, Zeichenhandlungsbericht darstellt. Im weiteren Verlauf werden behandelt: die formale Kohäsion des Abschnitts (79–82), die Bedeutungsnuancen des ersten Satzes von V. 1, die Phrase »am Ende der Tage« in V. 5, die dem ganzen Abschnitt eine eschatologische Perspektive gibt, der Preis, der für die Frau bezahlt wird (V. 2), der auf einen niederen sozialen Rang der Frau hindeutet, und schließlich eine Polemik gegen solche Exegeten, die aus dem Selbstbericht auf ein Ereignis im Leben des historischen Propheten Hosea zurück­schließen wollen (86). Eine systematische Erarbeitung der Form des Textes wird man darin schwerlich erkennen können, es fehlt schon die Identifikation der poetischen Zeilen. Der zweite Ab­schnitt (»genre«) umfasst gerade einmal eine halbe Seite (87). Der Text wird als »human monologue« bestimmt, der im Rahmen des Prophetenbuchs nun als göttliches Wort gelesen werde. Zusätzlich sei er zu verstehen als Exemplar eines »report about prophets of old who behaved in a manner that seems odd«. Der Begriff »Zeichenhandlung« fällt nicht, Vergleiche mit anderen Berichten von Zeichenhandlungen werden nicht durchgeführt. Der dritte Abschnitt (»setting«, 87–92) beginnt: »The setting of the writing and reading of this portion of the book of Hosea is the same as that of the book as a whole.« Trotzdem folgen noch einige Ausführungen: Der Vf. geht auf den Satz in V. 5 ein: »sie werden YHWH, ihren Gott, suchen und David, ihren König.« Die nahtlose Nebeneinanderstellung von Gottes- und Davidssuche hat mehrere Bedeutungsebenen, sie verweist z. B. darauf, dass »David« hier als »messianic figure« (89) gesehen wird, zudem werde für den politischen Neubeginn der persischen Provinz Jehud an der Selbstverwaltung durch einen Davididen (z. B. Serubbabel) festgehalten, und schließlich werde der Untergang des Nordreichs mit dem Abfall von der David-Dynastie begründet. Auch die Phrase »andere Götter« und der Preis für die Frau werden behandelt. Historische Fragen im engeren Sinn, etwa die Datierung des Textes oder seine sozio-kulturelle Einbindung, kommen nicht vor. Mit »setting« ist also eher die Rekonstruktion grundlegender Wirklichkeitsannahmen (»worldview of the literati«, 88) gemeint, ein wichtiger Arbeitsschritt der Traditionskritik, dessen Verhältnis zur Strukturanalyse allerdings nicht immer deutlich wird. Der vierte Abschnitt (»intention«, 92–94) beginnt folgendermaßen: »The general intention of Hosea 3 is to provide hope and convey certitude about the establishment of an ideal future among the intended readers of the book of Hosea.« (92) Die Leserschaft wird historisch als »readership in Achaemenid Yehud« (93) präzisiert. Eine mögliche Relevanz für heutiges Juden- oder Chris­tentum wird nicht formuliert.
Hinzuweisen ist noch auf das »Glossary« (318–321), in dem die wichtigsten formkritischen Begriffe knapp erläutert werden, z. B. »prophetic reading« oder »prophetic book«. Hervorzuheben ist, dass die englischen Fachbegriffe auch ins Deutsche übersetzt werden, obwohl die Übersetzungen nicht ganz glücklich erscheinen, z. B. »prophetisches Buch« für »prophetic book« statt dem üblichen »Prophetenbuch«.
Insgesamt hat der Vf. einen Kommentar vorgelegt, der erklärtermaßen einseitig eine leserorientierte formkritische Fragestellung verfolgt, die am ehesten in der Tradition der Diskursanalyse steht. Wer eine solche synchrone Strukturanalyse der Hoseaschrift sucht und inhaltlich auf die Rekonstruktion der Weltsicht der persischen Leserschaft abzielt, wird den Kommentar sicherlich mit großem Gewinn lesen.