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Ausgabe:

März/2009

Spalte:

357-358

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Sancho Fermín, Francisco Javier

Titel/Untertitel:

Loslassen – Edith Steins Weg von der Philosophie zur karmelitischen Mystik. Eine historische Untersuchung. Mit einem Vorwort von J. Sánchez de Murillo. Aus d. Span. übers. v. H. Bayer.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2007. 251 S. m. Ktn. u. Tab. gr.8° = Ursprünge des Philosophierens, 17. Kart. EUR 25,00. ISBN 978-3-17-019980-4.

Rezensent:

Simon Peng-Keller

Die Studie von F. J. Sancho Fermín, dem Rektor der Universität für Mystik in Avila, präsentiert die intellektuelle und geistliche Biographie von Edith Stein auf dem Hintergrund des Ordens der unbeschuhten Karmelitinnen ihrer Zeit. Der Vf. bietet im ersten Kapitel detailreiche Einblicke in das karmelitische Klosterleben. Er resümiert zudem die breite Rezeption der Mystik des Karmels in den katholischen Kreisen, in die sich die Philosophin E. Stein im zweiten und dritten Jahrzehnt des 20. Jh.s hineinbewegte. Um die eigentümliche Lebensbahn nachzuzeichnen, die die Husserl-Schülerin jüdischer Abstammung in die kontemplative Welt des Karmels führte, greift der Vf. im zweiten Kapitel neben den Schriften und Briefen Steins auch auf die Akten ihres Seligsprechungsprozesses zurück. Der dadurch gewonnene Perspektivenreichtum wird allerdings dadurch erkauft, dass sich die Darstellung mancherorts dem hagiographischen Genus nähert. Das dritte Kapitel wendet sich dem literarischen Werk von E. Stein zu und umreißt es anhand einiger Hauptthemen. Steins Denken sei als ›mystische Philosophie‹ und ›spirituelle Anthropologie‹ zu charakterisieren, wobei nach der vorliegenden Interpretation die karmelitische Spiritualität und der neuscholastische Thomismus den Sieg über die philosophische Phänomenologie Husserls davonzutragen scheinen. Steins produktive relecture der spanischen Mystik, die sich in der Klosterzeit intensiviert, bildet das letzte Kapitel der Untersuchung. Dem Vf. nach wollte Stein mit ihrem Hauptwerk über Johannes vom Kreuz, der »Kreuzeswissenschaft«, nichts Geringeres, als einen neuen Typus von Wissenschaft begründen, eine Art von christlicher Philosophie mystischen Zuschnitts. Der Anhang versammelt zusätzliche historische Informationen zum teresianischen Karmel und zum ›Sitz im (Kloster-)Leben‹ von Edith Steins Gelegenheitsschriften.
Während diese Studie in historiographischer Hinsicht eine reichhaltige Dokumentation bietet, vermag der darin unternommene Versuch, Steins Werk systematisch zu erschließen, nicht zu überzeugen. Der Vf. beschränkt sich weitgehend auf eine affirmativ paraphrasierende Nachzeichnung der Hauptlinien, ohne Steins philosophisch-theologische Synthese systematisch zu analysieren und kritisch zu befragen. Bezeichnend dafür ist, dass die Grenzen zwischen Zitat, Paraphrase und Interpretation oft verschwinden.