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Ausgabe:

März/2009

Spalte:

341-346

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Schwarz, Hans

Titel/Untertitel:

Theology in a Global Context. The Last Two Hundred Years.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2005. XVIII, 597 S. gr.8°. Kart. US$ 39,00. ISBN 978-0-8028-2986-3.

Rezensent:

Matthias Haudel

Angesichts zunehmender Spezialisierung und gleichzeitig wachsender globaler Vernetzung in der theologischen Wissenschaft möchte der Regensburger Theologe Hans Schwarz einen nahezu alle Kontinente berücksichtigenden Einblick in maßgebliche theologische Entwicklungen der letzten zwei Jahrhunderte bieten. Um den jeweiligen Kontext und Zusammenhang dieser Entwicklungen transparent werden zu lassen, analysiert er die Verflechtung von Biographie und theologischer Konzeption bei bedeutenden Theologen, deren Werk über ihren eigenen konfessionellen und geographischen Horizont hinaus Relevanz erlangte. Im Blick auf die kontextuelle Einordnung werden auch Werke von Philosophen und Vertretern anderer Disziplinen analysiert. Auf Grund seiner Lehrtätigkeit als Systematischer Theologe in Deutschland und den USA bringt S. besonders die europäische und nordamerikanische protes­tantische Theologie detailliert in ihrem gegenseitigen Einfluss sowie in ihrem jeweiligen sozialen und weltanschaulichen Kontext zur Sprache. Darüber hinaus werden nicht nur bedeutende Ent­wick­lungen in der römisch-katholischen und orthodoxen Theologie nachvollzogen, sondern auch maßgebliche theologische Aufbrüche in Südamerika, Asien und Afrika, so dass der Titel des Buches keine falschen Hoffnungen weckt: »Theology in a Global Context«.
Für die gegenwärtige theologische Orientierung hält S. die Auseinandersetzung mit den letzten beiden Jahrhunderten insofern für bedeutsam, als dieser Zeitraum Entwicklungen widerspiegelt, deren Kenntnis für die aktuellen theologischen Herausforderungen hilfreich sein könnte. So habe bereits I. Kant zum Ende der Aufklärungsepoche auf die mit der Erscheinungswelt gegebenen Grenzen tragfähiger Beweiskraft hingewiesen, was hermeneutische Bescheidenheit verlange. Doch der Fortschrittsoptimismus des 19. Jh.s habe andere Wege eingeschlagen, während im 20. Jh. dieser Optimismus ebenso ins Wanken geraten sei wie viele naturwissenschaftliche und weltanschauliche Perspektiven, wobei die Pluralität kultureller Kontexte immer größere Bedeutung erhalten habe. Deshalb bedürfe die Theologie zunehmend der Beachtung ihres jeweiligen sozialen, weltanschaulich-kulturellen, ökumenischen und interreligiösen Kontextes.
Vor diesem Hintergrund spannt S. den Bogen in 15 Kapiteln von der ausgehenden Aufklärungsepoche bis zum aktuellen Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft. Jedes Kapitel endet mit der hilfreichen Auflistung weiterführender Literatur (Quellen und Sekundärliteratur). Weitere Orientierung bieten ein Namen- und ein Sachregister am Schluss des Buches.
Im 1. Kapitel erinnert S. daran, wie Kant mit seiner Zuordnung von Vernunft, Erkenntnis und Moral und dem entsprechend rational-moralischen Religionsbegriff auch auf die Grenzen der Vernunft hingewiesen hat. Noch deutlicher seien diese Grenzen im Blick auf eine rational abgeleitete Gotteserkenntnis bei F. D. E. Schleiermacher zum Ausdruck gekommen, der Religion in An­schauung und Gefühl verankert sah: Das Bewusstsein der Gottesbeziehung resultiert nicht aus rationalen Kategorien, sondern aus dem Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit.
Weil G. W. F. Hegel eine Synthese von rationalem (Kant) und intuitivem (Schleiermacher) Zugang erzielt habe, wird er – einschließlich seiner unmittelbaren Wirkungsgeschichte – im 2. Kapitel als dritte Leitfigur behandelt, die bleibenden Einfluss hinterließ. Eine kritischere Auseinandersetzung mit Hegels Trinitätslehre hätte es S. ermöglicht, transparenter werden zu lassen, wo die Probleme der Gotteslehre Hegels hinsichtlich der Entfaltung Gottes in die Welt liegen und wie die entsprechende Aufnahme der Substanz in das Subjekt sowohl dem anthropozentrischen (L. Feuerbach) als auch dem materialistischen (K. Marx) Atheismus Anknüpfungspunkte bot. Diese linkshegelianischen atheistischen Konzeptionen werden – neben anderen – mit ihren historischen Konsequenzen von S. ebenso facettenreich dargelegt wie die theologischen Entwürfe von Rechtshegelianern, die der Dogmenentwicklung eine dialektische Gedankenrichtung beimessen (F. C. Baur) oder den Glauben in der Verbindung von Selbstbewusstsein und Absolutheit des Geistes verankern (A. E. Biedermann). Nachdem ferner die Versuche von Theologen wie R. Rothe und I. A. Dorner, zwischen Glauben und Wissen zu vermitteln, in ihrer Bezug­nahme auf Schleiermacher und Hegel zur Sprache kamen, verweist S. auf Kierkegaards Kritik an der hegelschen Synthese von Glauben und Vernunft bzw. am hegelschen Christentum der Kultur: Durch die Betonung der existenziellen Glaubenserkenntnis und -nachfolge sowie des unendlichen Unterschieds zwischen Gott und Mensch wurde Kierkegaard zum Vordenker moderner Formen der Existenzphilosophie und -theologie sowie der Dialektischen Theologie. Das Kapitel schließt mit R. W. Emerson als nordamerikanischem Vertreter einer idealistischen Philosophie, die unter Ausblendung historisch-formeller Religiosität das Einssein Gottes mit der menschlichen Seele in hegelscher Synthese betonte (»America’s Hegel«; 49) und damit der Kultur des amerikanischen Fortschrittsoptimismus des 19. Jh.s entgegenkam. »This kind of faith, unrestrained by ritual and tradition, became both the virtue and the liability of Christianity American-style.« (51)
Im 3. Kapitel beschreibt S. neue Formen von Orthodoxie, die sich im 19. Jh. in den USA und Europa als Reaktion gegen solche Synthesen von Vernunft, Bewusstsein, Kultur und Glauben entwickelten. So zeigt er, auf welche Weise H. Bushnell in den USA von der religiösen zur christozentrischen Erfahrung überging, während sich Theologen des Mercersburger Seminars in Pennsylvania (P. Schaff, J. W. Nevin) zugleich in liturgisch-sakramentaler Ausrichtung von individualistisch-subjektiven Tendenzen der Erwe­ckungsbewegung absetzten. Wie in den anderen Kapiteln arbeitet S. die Beziehungen zwischen deutscher Theologie und Theologen in anderen Kontinenten heraus, die sich vielfach durch Studienaufenthalte dieser Theologen in Deutschland erklären. An Schaffs Beispiel wird zugleich deutlich, welchen Einfluss dieser in Deutschland kaum bekannte Theologe auch umgekehrt auf die Gedanken der modernen ökumenischen Bewegung in Europa hatte. Ökumenische Impulse gingen in den USA laut S. auch von den calvinistisch geprägten Vertretern der Princeton-Theologie aus (z. B. C. Hodge), die sich unter vielfältigem Einfluss aus Deutschland in biblischer Ausrichtung gegen rationalistische und schwärmerische Einseitigkeiten wandten. Im Blick auf Europa erörtert S. neben der trinitarischen Fundierung der Ethik des Begründers des englischen christlichen Sozialismus (F. D. Maurice) zunächst die niederländische Entwicklung vom Modernismus zum Konfessionalismus, wie z. B. die Versuche der Groninger Schule, zwischen Evangelium und Gedankengut der Aufklärung zu vermitteln (H. Muntinghe). Anschließend untersucht er die sich in Deutschland vollziehende erneute Konzentration auf die Bibel als maßgebliche Grundlage (J. T. Beck) sowie den neuen Konfessionalismus der Erlanger Schule mit seiner Betonung von Schrift, Bekenntnis und Erfahrung (z. B. J. C. K. Hofmann).
Der Einfluss von Idealismus, Romantik, Konfessionalismus und Neuluthertum auf die pietistische Erweckung in Deutschland wird im 4. Kapitel transparent, wobei sich S. besonders auf das konfessionelle Luthertum (C. Harms, W. Löhe, A. Vilmar) und dessen Einfluss auf die USA konzentriert, bevor er zeigt, wie sich die Erweckung dort weniger auf die theologische Ausbildung, sondern mehr auf die breite Bevölkerung richtete. Vor dem Hintergrund des englischen Empirismus betont S. im Blick auf England die Rebellion der Oxfordbewegung gegen die Vorherrschaft von Vernunft und religiösem Skeptizismus. Hermeneutisch konzentrierte sich diese Bewegung (z. B. J. H. Newman, E. B. Pusey) auf Gebet und Glauben und kriteriologisch auf die Schrift und die altkirchlichen Grundlagen.
Die Rolle des vom Fortschrittsoptimismus der zweiten Hälfte des 19. Jh.s getragenen Kulturprotestantismus und der liberalen Theologie in Deutschland kommt im 5. Kapitel zum Tragen, wobei etwa der Einfluss Kants auf A. Ritschls Vision vom universalen mo­ralischen Gottesreich hervortritt oder das Erbe Schleiermachers bei W. Herrmanns Rückzug auf die Erfahrung erkennbar wird. Diese Reduktion auf Sittlichkeit und Erfahrung erweist sich als Reaktion auf die vorherrschende kausal-mechanistische Weltsicht.
In den folgenden drei Kapiteln zeigt S. detailliert, wie sich Theologen in Deutschland, Europa, Skandinavien und den USA drei großen Herausforderungen des 19. Jh.s stellten: der industriellen Revolution, dem naturwissenschaftlichen Materialismus und den Ergebnissen religionsgeschichtlicher Forschung. Das 6. Kapitel um­fasst als Antworten auf die sozialen Probleme der industriellen Revolution die Bewegung des »social gospel« in den USA, die Ansätze der Evangelikalen Armenfürsorge, des christlichen Sozialismus und der Heilsarmee in England, die Innere Mission (z. B. J. F. Oberlin, J. H. Wichern) und den Evangelisch-Sozialen Kongress (z. B. F. Naumann) in Deutschland, die religiösen Sozialisten in der Schweiz (z. B. L. Ragaz) sowie römisch-katholische Ansätze (z. B. A. Kolping, J. Maritain). Hier findet sich erstmals ein Unterkapitel mit römisch-katholischen Entwürfen, die ansonsten kaum integriert sind, da einige wichtige Entwicklungen römisch-katholischer und orthodoxer Theologie in einem Extrakapitel analysiert werden (13. Kapitel). Kenntnisreich erörtert S. im 7. Kapitel die Auseinandersetzung mit dem naturwissenschaftlichen Materialismus in Deutschland, England und den USA, wo die Diskussion jeweils unterschiedliche Formen annahm. Unter anderem zeigt er, wie sich in Deutschland ein prädarwinistischer naturalistischer Materialismus entwickelte, der die deutsche Darwinrezeption ebenso prägte wie die theologische Auseinandersetzung mit dem Darwinismus: So postulierten Human- und Naturwissenschaftler wie L. Büchner und C. Vogt die Ewigkeit von Materie und Naturgesetzen, in welche die menschliche Vernunft evolutionistisch integriert sei, so dass Gott überflüssig werde und sich Theologie zur Naturwissenschaft verhalte wie Fiktion zur Wahrheit. Vor dem Hintergrund der Korrelation von naturwissenschaftlichem Monismus und philosophischem Fortschrittsoptimismus konnte der Darwinis­mus zuweilen die Form einer neuen Heilslehre annehmen und sich mit einem pantheistisch-kosmischen Monismus (E. Haeckel) verbinden. Während sich große Teile der neukantianisch geprägten Theologie resigniert auf ihre sittlich-moralische Kompetenz zurückzogen und die Welt den Naturwissenschaften überließen, suchten Theologen wie O. Zöckler den Dialog mit den Naturwissenschaften, weil die Welt als Gottes Schöpfung für sie Gegenstand theologischer Betrachtung blieb: »The book of nature will illus­trate the book of the Bible, while the latter will explain the former.« (204) Von dieser Einheit der Wahrheit ging laut S. etwa auch C. Hodge in den USA aus, wo der Darwinismus – nicht zuletzt auf Grund der kirchlichen Trägerschaft höherer Ausbildungsstätten – ohnehin weniger materialistisch rezipiert worden sei, was schließlich neben differenzierten theologischen Ansätzen teilweise zur Akzeptanz der Evolution als Kriterium theologischer Auslegung geführt habe. Hier wäre es sinnvoll gewesen, wenn S. deutlicher problematisiert hätte, dass auch die Naturwissenschaften von ihren jeweiligen Prämissen abhängig bleiben, die je nach Erkenntnisstand wechseln können, wie es die grundsätzliche Wandlung des monokausalen naturwissenschaftlichen Weltbildes im 20. Jh. belegt. Nur so kann die Gefahr einer zu direkten Übernahme evolutionistischer Prämissen erkannt werden, wie sie etwa in der Prozessphilosophie und einigen von ihr beeinflussten theologischen Entwürfen aufzutreten vermag. Im 8. Kapitel kommen dann die mit der religionsgeschichtlichen Forschung erwachsenen Herausforderungen in europäischer, nordamerikanischer und skandinavischer Perspektive zur Sprache, wobei sich der Blick für die Problematik interreligiöser Zuordnung öffnet: So seien etwa in der deutschen Dis­kussion (z. B. R. Otto) bereits die aktuellen Gedanken an ein »Weltparlament der Religionen« vorweggenommen worden.
Während das vorausgegangene Kapitel schon das 19. und 20. Jh. umfasste, verschiebt sich im 9. Kapitel der Schwerpunkt auf das 20. Jh. S. analysiert in gleicher internationaler Ausrichtung verschiedene Phasen der Erforschung des historischen Jesus und spannt den Bogen von J. Weiss bis zur Qumranforschung. Anschließend erörtert er im 10. Kapitel die theologische Neuorientierung zu Be­ginn des 20. Jh.s, mit der sich die Dialektische Theologie nach der Erschütterung des Optimismus des 19. Jh.s (Erster Weltkrieg) vom Kulturprotestantismus und der liberalen Theologie absetzte. Ge­genüber der kulturell-religiösen und anthropologischen Verankerung der Gotteserkenntnis habe K. Barth auf die Notwendigkeit der Wahrnehmung der Selbsterschließung Gottes in seinem Wort hingewiesen, um spekulative Deduktionen des Gottesbegriffs ebenso verhindern zu können wie dessen anthropologische, reli­giöse, kulturelle oder staatliche Vereinnahmung. Dabei seien die natürlichen Anknüpfungspunkte dieser göttlichen Selbsterschließung allerdings gänzlich aus dem Blick geraten, was auch die Trennung von Theologie und Naturwissenschaft in zwei isolierte Be­reiche implizierte. In der Analyse weiterer Weggefährten dieser Neuorientierung zeigt S., wie etwa E. Brunner in der Zusammenschau aller drei Glaubensartikel den Zusammenhang zwischen göttlicher Selbstoffenbarung und natürlichen Anknüpfungspunkten herstellte. Im 11. Kapitel tritt hervor, dass trotz der umfangreichen Rezeption Barths und der Dialektischen Theologie in den USA eine zu starke Dialektik zwischen Gott und Welt dort wenig An­klang fand, da der Erste Weltkrieg hier keine mit Europa vergleichbare Kulturkrise auslöste und ein weit zurückreichendes Erbe natürlicher Theologie existierte, was laut S. den Erfolg der Prozesstheologie erklärt, die er in ihren verschiedenen amerikanischen Spielarten ebenso analysiert wie P. Tillichs Synthese von Kultur und Glauben. Das Hauptproblem einiger prozesstheologischer Ansätze, die evolutionistische Verquickung von göttlicher und menschlicher Geschichte, tritt leider nicht deutlich genug hervor, was sich auch auf die im 15. Kapitel erfolgende Analyse neuer theo­logischer Aufbrüche auswirkt. An der christozentrisch-offenbarungstheologischen Orientierung der Gebrüder Niebuhr zeigt S. den barthschen Einfluss in den USA, der bei den Niebuhrs aber nicht zur Vernachlässigung der weltlichen Anknüpfungspunkte führte. Letzteres gilt mehrheitlich auch für viele christozentrische oder biblische Ansätze in europäischen und skandinavischen Ländern (z. B. J. Baillie), die S. im 12. Kapitel mit ihren Verbindungen zur deutschen und nordamerikanischen Theologie darlegt.
Den Einblick in einige Entwicklungen der römisch-katholischen und orthodoxen Theologie des 19. und 20. Jh.s gewährt S. im 13. Kapitel, wo er zunächst römisch-katholische Entwürfe der Neuscholastik (z. B. M. Scheeben, J. Maritain) und der Tübinger Schule (z. B. J. S. von Drey, J. A. Möhler) in ihrer innerkatholischen und ökumenischen Relevanz vorstellt. Anschließend erläutert er Entwürfe, die sich der Herausforderung durch die Aufklärung annahmen (z. B. A. Günther, J. M. Sailer), sowie Theologen, die sich kritisch mit dem Ersten Vatikanischen Konzil auseinandersetzten (z. B. J. J. I. von Döllinger). Mit Theologen wie A. Loisy, die sich durch ihre theologische Öffnung dem Modernismus-Vorwurf ausgesetzt sahen und zum Teil exkommuniziert wurden, beschließt S. das 19. Jh. Hinsichtlich der nouvelle théologie des 20. Jh.s, die zu einem großen Teil von der Dominikanerschule in Le Saulchoir und der Jesuitenschule in Lyon-Fourvière ausging, erörtert er besonders französische Entwürfe (z. B. Y. M. J. Congar, H. de Lubac), bevor er neben theologischen Weiterentwicklungen wie der von K. Rahner auf Entwürfe zu sprechen kommt, die in besonderer Weise auf das Zweite Vatikanische Konzil reagierten (z. B. H. Küng). Es bleibt insgesamt zu fragen, warum lediglich der Einfluss oder die Reaktionen etlicher Entwürfe auf die beiden Konzile zur Sprache kommen und nicht die maßgebenden Konzilsergebnisse selbst. Hinsichtlich der ostkirchlichen Entwicklung analysiert S. zunächst die Öffnung (M. Bulgakov) oder Abgrenzung (z. B. A. S. Chomjakov) russisch-orthodoxer Theologen gegenüber dem Westen, bevor er unter anderem die für die ökumenische Bewegung bedeutsame Exilstheologie vorstellt, die von den beiden orthodoxen Instituten bzw. Seminaren Saint-Serge (Paris) und St. Vladimir’s (New York) ausging (z. B. S. N. Bulgakov, G. W. Florovsky). Abschließend präsentiert S. noch ökumenisch einflussreiche Konzeptionen rumänisch-, serbisch- und griechisch-orthodoxer Theologen (z. B. D. Staniloae, I. D. Zizioulas). Die Fülle von Entwürfen gewährt einen Einblick in die Entwicklung römisch-katholischer und orthodoxer Theologie, der allerdings durch eine systematischere Beurteilung und Einordnung der Entwürfe in den Gesamtzusammenhang noch gewonnen hätte. Das gilt auch für andere Kapitel, in denen ein derartiger Er­kenntnisfortschritt möglicherweise noch transparenter hätte sein können, wenn solche Einordnungen an Stelle mancher biographischer Details erfolgt wären, bei deren interessanter Fülle nicht je­des Einzelne als zur Erhellung des Kontextes nötig erscheint.
Im 14. Kapitel widmet sich S. der kontextuellen Theologie, in­dem er zunächst die befreiungstheologischen Ansätze der »Schwarzen Theologie« in den USA und Entwürfe der Befreiungstheologie Lateinamerikas darlegt (z. B. L. Boff), bevor er unterschiedliche Konzeptionen feministischer Theologie aus Deutschland und den USA entfaltet. Die Problematik der Inkulturation des Evangeliums prägt die vielfältigen theologischen Entwürfe aus Afrika, Asien und Indien, die S. in ihrem religiösen und kulturellen Kontext zur Geltung bringt. Die Darstellung des kosmotheandrischen Ansatzes R. Panikkars (Indien) lässt erkennen, dass S. die differenzierte kritische Beurteilung mancher Ansätze durch eine stärkere Berücksichtigung der Gottes- bzw. Trinitätslehre leichter gefallen wäre. Das tritt auch in anderen Kapiteln hervor, wie etwa dem 15. Kapitel, in dem sich S. mit aktuellen theologischen Ansätzen beschäftigt, die seines Erachtens besonders den Dialog mit den Herausforderungen suchen, welche sich durch andere Religionen oder durch die Veränderungen in den Naturwissenschaften stellen. Für das Verständnis der diesbezüglich untersuchten Konzeptionen von J. Moltmann und W. Pannenberg ist deren Trinitätslehre jedoch konstitutiv, auf die S. aber keinen Bezug nimmt. Deshalb dringen seine Hinweise auf die Gefahren der heilsgeschichtlichen Überbewertung menschlichen Handelns bei Moltmanns Zusam­menschau von eschatologischer Dimension und gesellschaftlichem Handeln nicht bis an die Grundlagen vor. Denn es wird nicht transparent, wie Moltmanns einseitig interpersonal definierte Trinitätslehre in ihrer linearen Einbindung in den Prozess eines heilsgeschichtlichen Dreischritts (z. B. Einfluss der Prozessphilosophie) mit der Verquickung von menschlicher und innergöttlicher Geschichte korreliert und so den Gedanken der Selbsterlösung Gottes provoziert. Auch bei der Erörterung des Entwurfs von Pannenberg hätte die trinitarische Perspektive Gefahren eines stark evolutionis­tischen heilsgeschichtlichen Ansatzes deutlicher hervortreten las­sen. Schließlich hätte die trinitarische Perspektive auch eine kritischere und differenziertere Einordnung des theozentrisch-pluralistischen Verständnisses von Religion bei Vertretern der an­gelsächsischen Tradition (J. Hick, P. E. Knitter) ermöglicht. S. beendet seinen beeindruckenden theologiegeschichtlichen Überblick mit den aktuellen Herausforderungen des Dialogs zwischen Theologie und Naturwissenschaft. Neben zeitgenössischen Entwürfen (z. B. I. Barbour) analysiert er K. Heims grundlegende Auseinandersetzung mit dem Wandel in der Naturwissenschaft, der durch die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie ausgelöst wurde.
So liegt insgesamt ein imposanter Einblick in die theologischen Entwicklungen der letzten 200 Jahre vor, der die unterschiedlichen Kontinente ebenso berücksichtigt wie die Vielfalt der Kontexte. Deshalb ist es erfreulich, dass inzwischen eine deutsche Übersetzung existiert, in der die Hinweise auf weiterführende Literatur und die Anmerkungen dem deutschsprachigen Raum angepasst wurden (H. Schwarz: Theologie im globalen Kontext: Die letzten zweihundert Jahre, Bad Liebenzell 2006).