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Ausgabe:

März/2009

Spalte:

322-324

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Rönnegård, Per

Titel/Untertitel:

Threads and Images. The Use of Scripture in Apophthegmata Patrum.

Verlag:

Lund: Centre for Theology and Religious Studies 2007. XIV, 250 S. m. 1 Taf. 8°. Kart. SKR 200,00. ISBN 978-91-974897-5-1.

Rezensent:

Heinrich Holze

Bei dieser Abhandlung handelt es sich um eine im Grenzgebiet von exegetischer und kirchengeschichtlicher Disziplin liegende Dissertation, die von dem Neutestamentler Bengt Holmberg und dem Patristiker Samuel Rubenson betreut wurde und der Theologischen Fakultät der Universität Lund im Wintersemester 2007 vorgelegen hat. Thema ist der Bibelgebrauch in den Apophthegmata Patrum. In der (leider allzu kurz geratenen) Einleitung (1–4) erläutert der Vf. die Fragestellung seiner Untersuchung. Das Anliegen der Apophthegmata sei nicht, den ursprünglichen Sinn der Bibel zu erschließen, sondern das Bibelwort auf das eigene Leben hin zur Sprache zu bringen. Die Untersuchung wolle darum die biblischen Anspielungen (»threads«) und Bilder (»images«) in den Apophthegmata aufzeigen und nachweisen, auf welche Weise die Textebenen einander beeinflussten und veränderten.
Die Untersuchung wird ausschließlich auf der Basis der griechischen systematischen Sammlung der Apophthegmata Patrum durchgeführt. In Kapitel 2 (5–34) begründet der Vf. seine Entscheidung damit, dass für die wissenschaftliche Arbeit an den Apophthegmata Patrum gegenwärtig allein die von Jean-Claude Guy in den Sources Chrétiennes vorgelegte kritische Ausgabe in Frage komme. Diese Entscheidung ist verständlich, hätte aber nicht der Aufgabe entheben dürfen, die anderen Textüberlieferungen, insbesondere die alphabetische Sammlung, jedenfalls vergleichend heranzuziehen. So ruht die Untersuchung auf einer sehr schmalen Textgrundlage. Die Apophthegmata werden hinsichtlich ihrer Gattung als paränetisch-didaktische Texte beschrieben, die zur Belehrung ihrer Leser verfasst wurden und mit dieser Intention Ähnlichkeiten zur antiken Rhetorik aufweisen. In der Frage der Historizität nimmt die Arbeit eine vermittelnde Position ein: Die Apophthegmata werden als monastische Texte des frühen Mönchtums gewürdigt, die vor allem durch ihre Rezeption Bedeutung gewonnen haben. Die Methode der vorliegenden Arbeit beschreibt der Vf. anknüpfend an bisherige Arbeiten zum frühchristlichen Gebrauch der Bibel (Young 1997, Clark 1999) als Frage nach der Kontextualisierung des Bibeltextes. Im Zentrum der Untersuchung stehe die Frage, wie das Bibelwort in die Apophthegmata als Zitat, Paraphrase oder Anspielung einbezogen und wie dadurch ein neuer Sinnzusammenhang geschaffen werde.
Kapitel 3 (35–154) enthält eine Analyse ausgewählter Väterworte. Nach einem Überblick über rund 155 Apophthegmata, in denen sich ein Bibelgebrauch nachweisen lässt, sei es als Zitat, indirekter Verweis oder sprachliche Anspielung (vgl. die Aufstellung im Anhang 225–231), bietet der Vf. detaillierte Analysen zur Struktur der Texte sowie zur Verwendung des biblischen Materials. Im Zentrum steht die Frage, wie der Bibeltext in den Worten der Wüstenväter und Wüstenmütter kontextualisiert und damit in die Lehre der Anachoreten integriert und auf die Lebenswelt der Leser bezogen wird. In einigen Worten bildet die Bibel den Ausgangspunkt, in anderen den Zielpunkt des Gedankens. Bisweilen wird der Bibeltext herangezogen, um das Väterwort zu unterstützen, zu illustrieren und zu legitimieren, bisweilen auch, um einen Kontrast zur eigenen Lebenssituation zu schaffen. Dabei zeigt sich, dass es in den Apophthegmata keine einheitliche Methode der Schriftauslegung gibt. Im Vergleich mit dem patristischen Bibelgebrauch (Origenes), auf den der Vf. gelegentlich verweist, wird die Vielfalt besonders deutlich.
Kapitel 4 (155–218) bietet den Versuch einer systematischen Deutung des anachoretischen Bibelgebrauchs. Zunächst werden die verschiedenen Weisen dargestellt, in denen in den Apophthegmata Patrum die Bibel verwendet wird: anknüpfend an einen äußeren Bezugspunkt, ein Argument oder ein Ereignis; indem der Bi­beltext in seinen Einzelbezügen ausgeleuchtet oder als Metapher verstanden wird; indem mehrere Bibeltexte aufeinander bezogen und dadurch gedeutet werden. Daran, dass der Bibeltext bisweilen auch erweitert oder umgedeutet wird, zeigt der Vf., wie unterschiedlich der Umgang der Anachoreten mit dem Bibeltext ist und wie sehr sich dieser einer vereinheitlichenden Systematisierung widersetzt. Auch die Funktion des Bibeltextes in den Apophthegmata ist vielfältig: Zuweilen wird das Bibelwort erklärt und ausgelegt; andernorts ist es eine Unterstützung für ethische und lehrende Unterweisung; es wird als Quelle bildlicher Sprache und zur Illustration der Worte eingefügt; außerdem dient es als Einladung zur Nachahmung, zur »Mimesis«. Damit bestätigt der Vf. Untersuchungen, die den Schriftgebrauch der Apophthegmata in Analogie zu den Re­geln der griechischen Rhetorik (Hermogenes) bestimmen (McVey 1998, Hock 2002, Larsen 2006).
Eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse (219–224), eine Bibliographie (232–240) sowie ein Index biblischer und altkirchlicher Schriften (241–244) beschließen die Untersuchung. Die Vielfalt und Weite des Schriftgebrauchs werden deutlich. Eine Einordnung in die Forschungsdiskussion sucht man leider vergebens. Insbesondere die deutschsprachige Literatur zum Thema wird nur lückenhaft rezipiert. Das ist schade und schmälert den ansonsten anzuerkennenden Gewinn dieser patristischen Untersuchung.