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Ausgabe:

März/2009

Spalte:

311-313

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kaumba Mufwata Cissolah, Albert

Titel/Untertitel:

Jusqu’aux Extrémités de la Terre. La référence aux prophètes comme fondement de l’ouverture universaliste aux chapitres 2 et 13 des Actes des Apôtres.

Verlag:

Paris: Gabalda 2006. IV, 274 S. gr.8° = Cahiers de la Revue Biblique, 67. Kart. EUR 45,00. ISBN 2-85021-176-1.

Rezensent:

Christoph Stenschke

Diese Untersuchung geht auf eine Dissertation am kanadischen Collège Universitaire Dominicain in Ottawa zurück und wurde von Michel Gourgues betreut. Sie gilt der Verwendung des Alten Testaments in der Apostelgeschichte, spezieller der Frage, welche Funktion die Hinweise auf die alttestamentlichen Propheten für die universale Öffnung der Mission haben (»Dans quelle mesure, selon le témoignage des Actes, aux chapitres 2 et 13, la référence aux prophètes a-t-elle joué comme fondement de cette ouverture universaliste de la première évangélisation?«, 1).
Nach einer allgemeinen Einführung (1–6, u. a. Abgrenzung des Themas, Begriffsdefinitionen) beschreibt der Vf. die Verwendung von Prophetenzitaten in der Apg (explizite Zitate in Apg 2,16–21; 13,40 f.; 13,47; 15,15–18, die als solche eingeführt werden, Zitate ohne formale Einführung, Aufnahme von Themen aus den Propheten). Der Hauptteil der Arbeit gilt der sorgfältigen Analyse der Verwendung von Joel 3,1–5 in Apostelgeschichte 3,16–21 und von Habakuk 1,5 in Apostelgeschichte 13,41 und Jesaja 49,6 in Apostelgeschichte 13,47. Neben den Fragen nach Textgestalt und Vorlage, dem lk Zusam­menhang des Zitates und seiner konkreten Ver­wendung fragt der Vf. detailliert, inwieweit diese Aufnahme und Funktionalisierung dem ursprünglichen Zusammenhang in der LXX, im hebräischen Text und seiner frühjüdischen Wirkungsgeschichte gerecht werde. Wie verhält sich die lk Aufnahme zu dieser Wirkungsgeschichte? Auf dieser Frage der Kongruenz liegt der Schwerpunkt der Un­tersuchung. Obwohl es sich durchweg um unterschiedliche Zusammenhänge handelt (in keinem der zitierten Prophetentexte ist eine Heidenmission – wie Lk sie vor Augen hat! – im Blick), beinhalten die von Lukas gewählten Texte zumindest das Sinnpotential, um im Sinn einer Öffnung des Heils gegenüber Heiden herangezogen zu werden: »… il faut reconnaître néanmoins la grande intuition de Luc. Celle-ci a consisté à choisir des textes qui por­taient en eux soit une indétermination, soit des éléments d’ouverture aux nations, qu’il a pu utiliser dans ses propres perspectives, tout en demeurant fidèles aux prophètes« (203). Ohne diese Übereinstimmung hätte Lukas zumindest seine mit dem Alten Testament (und damit dem Originalzusammenhang der Zitate) vertrauten Leser kaum überzeugen können. Diese gründlichen Vergleiche tragen zum Verständnis der lk Hermeneutik bei. Bibliographie (211–45) sowie Stellen- und Namenregister beenden den Band.
Zu fragen wäre, warum der Vf. das Amoszitat in der Jakobusrede von Apg 15 nicht mit in die detaillierte Analyse aufnimmt. Dort wird – als wichtige Ergänzung zu Apg 13,40 f.47 – das Hinzukommen der Völker mit der (erfolgten) Wiederherstellung Israels in Verbindung gebracht (Ablehnung durch einen Teil Israels – Heilsangebot für die Völker; vgl. dazu jetzt M. E. Fuller, The Restoration of Israel: Israel’s Re-gathering and the Fate of the Nations in Early Jewish Literature and Luke-Acts, BZWN 138; Berlin-New York: de Gruyter 2006). Diese Zuordnung ist auch im LkEv zu sehen. Entsteht dadurch ein einseitiges Bild der universalen Erweiterung der Mission auf Kosten Israels? Müsste man bei der Interpretation von Apg 13,40–47 nicht ebenfalls berücksichtigen, dass der lk Paulus auch nach der programmatischen Hinwendung zu den Heiden weiterhin Synagogen aufsucht und es keineswegs zu einer exklusiven Heidenmission kommt (ähnlich in Apg 18,6, aber auch 28,25–31)? Zeigt sich hier die problematische Unterscheidung zwischen den theologisch »wertvollen« Reden der Apostelgeschichte und ihren vermeintlich theologisch belanglosen erzählenden Partien?
Die Konzentration auf die Legitimität der lk Verwendung der Prophetenzitate und das Einzeichnen in die frühjüdische Wirkungsgeschichte lässt wichtige Fragen nach der Bedeutung dieser Zitate für die lk Theologie und Absicht offen. Während die Offenheit (indétermination) von Joel 3 in Apg 2,17 (»da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch«) und 2,21 (»wer [immer] den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden«) auch Nicht-Juden im Blick haben kann, ist doch zunächst von euren Söhnen und Töchtern und meinen Knechten und Mägden die Rede. Unmittelbar danach werden die Männer Israels angesprochen (2,22). Doch geht es in Kapitel 2 wirklich schon um die universale Entschränkung des Heils oder eher um Gottes Heilsabsichten für alle in Israel (vgl. 2,14.23.36.39)? Untersucht der Vf. in der Diskussion der Kongruenz mit Joel etwas, was er selbst in den lk Zusam­menhang eingetragen hat? Die Hinwendung zu den Heiden in Apg 13 (unter Verweis auf die Propheten) geschieht erst, nachdem das Evangelium in der Diasporasynagoge verkündigt wurde, so dass die heilsgeschichtliche Priorität Israels gewahrt bleibt, die auch die Propheten bestimmt. Zu fragen wäre zudem nach dem größeren lk Kontext dieser und anderer Zitate. Wie funktionieren sie in der Apologie für die umstrittene Heidenmission des Paulus?
Die Arbeit hätte durch Berücksichtigung der entscheidenden Monographien zum Alten Testament im lukanischen Doppelwerk Tiefe und Schärfe gewonnen. Vergeblich sucht man nach der neu­es­ten umfassenden Untersuchung von D. Rusam (Das Alte Testament bei Lukas, BZNW 122; Berlin-New York: de Gruyter 2003; vgl. meine Rez. in NT 47 [2005], 309–12), aber auch die älteren Arbeiten von D. Bock fehlen. Mit den genannten Einschränkungen bietet der Vf. ein gründliche Untersuchung einer der Fragen, die diese Zitate aufwerfen. An diesem Punkt führt die Studie die Diskussion weiter.