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Ausgabe:

März/2009

Spalte:

295-296

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Becking, Bob

Titel/Untertitel:

From David to Gedaliah. The Book of Kings as Story and History.

Verlag:

Fribourg: Academic Press Fribourg; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. X, 227 S. gr. m. 1 Abb. gr.8° = Orbis Biblicus et Orientalis, 228. Geb. EUR 56,90. ISBN 978-3-7278-1592-8 (Academic Press Fribourg); 978-3-525-53029-0 (Vandenhoeck & Ruprecht).

Rezensent:

Michael Pietsch

Bob Becking, Professor für Altes Testament an der Universität Utrecht, legt mit diesem Band eine Sammlung von Beiträgen zur literarischen und historischen Exegese der Königebücher vor, die das Ergebnis einer langjährigen Beschäftigung mit den Problemen der biblischen Historiographie und der Geschichte Israels darstellen. Die zehn Kapitel, die sämtlich auf bereits veröffentlichte Studien der letzten zwei Dezennien zurückgehen, widmen sich u. a. am Beispiel der Elia- und Elisaerzählungen, der Reflexion über den Untergang Samarias oder der Schlussnotiz der Königebücher dem hermeneutischen Problem des Verhältnisses von alttestamentlicher Geschichtserzählung und historischer Rekonstruktion der Geschichte und Religionsgeschichte des vorexilischen Israel.
Die Beiträge können hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden. An das einleitende Kapitel (Is the Book of Kings a Hellenistic Book?, 1–22), das zugleich als programmatische Einführung der ganzen Sammlung gelesen werden kann, schließen sich die folgenden thematischen Abhandlungen an: Kapitel 2: Elijah at Mount Horeb: Reading 1 Kings 19:9–18 (23–34); Kapitel 3: No More Grapes from the Vineyard? A Plea for a Historical-Critical Approach in the Study of the Old Testament (35–51); Kapitel 4: Did Jehu Write the Tel Dan Inscription? (52–65); Kapitel 5: ›Touch for Health ...‹ Magic in 2 Kings 4:31–37 with a Remark about the History of Yahwism (66–87); Kapitel 6: From Exodus to Exile: 2 Kings 17:7–20 in the Context of its Co-Text (88–103); Kapitel 7: From Apostasy to Destruction – 2 Kings 17:21–23: A Josianic View on the Fall of Samaria (104–122); Kapitel 8: Chronology: A Skeleton without Flesh? Sennacherib’s Campaign as a Case-Study (123–146); Kapitel 9: Gedaliah and Baalis in History and as Tradition: Remarks on 2 Kings 25:22–26, Jeremiah 40:7–41:15, and Two Ammonite Seal-Inscriptions (147–173) und Kapitel 10: Jehoiachin’s Amnesty, Salvation for Israel? Notes on 2 Kings 25:27–30 (174–189).
Die Texte wurden für die Neuveröffentlichung teilweise ins Englische übersetzt und durchgehend aktualisiert und erweitert. In zwei Fällen sind ehemals eigenständige Veröffentlichungen im vorliegenden Text zu einer zusammenhängenden Darstellung verbunden worden (vgl. Kapitel 1 und 9). Zahlreiche Querverweise verknüpfen die einzelnen Kapitel, so dass sich beim Lesen weniger der Eindruck einer zusammenhanglosen Sammlung von Einzelstudien als einer übergreifenden Abhandlung des im Untertitel angegebenen Rahmenthemas anhand ausgewählter Einzelfallanalysen einstellt (allfällige Redundanzen sind dabei in Kauf zu nehmen). Die Zusammengehörigkeit der vorliegenden Studien findet darüber hinaus in einer Gesamtbibliographie Ausdruck (191–219), die den Band gemeinsam mit einem Stellenregister, das neben den biblischen Texten auch Nachweise der einschlägigen außerbiblischen Quellen enthält (221–227), beschließt.
Die Kapitel kreisen jeweils um die Ausgangsfrage, inwieweit die Erzählüberlieferungen der Königebücher als Quellen für eine moderne Rekonstruktion der Geschichte Israels und Judas in der Königszeit herangezogen werden können oder ob sie in erster Linie als literarisch-ästhetische Kunstwerke zu interpretieren sind, die aus sehr viel späterer (hellenistischer?) Zeit eine theologische Ge­schichtsdeutung vornehmen, die weniger auf historischen Quellen beruht als darum bemüht ist, ein Bild der Vergangenheit zu modellieren, das den eigenen ideologischen Interessen verpflichtet ist.
In dieser Grundsatzdiskussion, die in der alttestamentlichen Wissenschaft seit mehr als einem Vierteljahrhundert virulent ist und unvermindert andauert, vertritt B. einen prononcierten und in seinen hermeneutischen Voraussetzungen von Beginn an offengelegten Standpunkt, der sich wie ein roter Faden durch die einzelnen Kapitel zieht. Auf der einen Seite stellt B. unmissverständlich fest, dass die Verfasser der Königebücher als (antike) Historiker zu beurteilen sind, die die Geschichte Israels und Judas von David bis Gedalja erzählen wollen. Andererseits impliziert die von ihnen gewählte Form der Geschichtserzählung im Unterschied zur Chronistik, dass die Geschichtsdarstellung in den Königebüchern übergeordneten historiographischen (und theologischen) Prinzipien folgt, nach denen die Verfasser ihre Quellen ausgewählt, angeordnet und interpretiert haben.
Aus dieser doppelten Bestimmung ergibt sich für den modernen Exegeten (bzw. Historiker) die zweifache Aufgabe einer literarisch-theologischen Analyse der Königebücher, die die kunstvolle Erzählstruktur der Texte und das historiographische Interesse ihrer Verfasser herausarbeitet, und deren kritischer Auswertung für eine Rekonstruktion der Geschichte Israels und Judas. Letztere bedarf stets der Hinzuziehung aller erreichbaren außerbiblischen Quellen – seien es Texte, Bilder oder andere Artefakte, um ein möglichst genau konturiertes Bild der jeweils untersuchten Epoche zu gewinnen und der Gefahr einer »subdeuteronomistischen« Ge­schichtsschreibung zu wehren.
Die zehn Kapitel des Buches wissen sich sämtlich dieser historisch-exegetischen Aufgabe verpflichtet und überzeugen durch eine sorgfältig abwägende Argumentation, die im Blick auf die biblische Überlieferung einer kritisch reflektierten »Hermeneutik des Vertrauens« den Vorrang gegenüber einer radikalen Spätdatierung der alttestamentlichen Texte einräumt, wie sie vor allem von der sog. »Copenhagen-School« vertreten wird. Wenn B. sich verschiedentlich einer eher traditionellen Strömung innerhalb der alttestamentlichen Wissenschaft zurechnet, so geschieht dies nicht auf Grund eines unverbesserlichen Konservativismus, sondern im Gegenteil in Aufnahme und Auseinandersetzung mit neueren Forschungsansätzen, die sich um eine kritische Sichtung und Würdigung des einschlägigen Quellenmaterials bemühen und jede Hypothesenbildung auf ihre Plausibilität hin befragen. Gerade darin sind die hier vorgelegten Studien vorbildhaft und ist ihre Zusammenstellung in einem handlichen Band nachdrücklich zu begrüßen.