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Ausgabe:

März/2009

Spalte:

291-293

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mead, James K.

Titel/Untertitel:

Biblical Theology. Issues, Methods, and Themes­.

Verlag:

Louisville-London: Westminster John Knox Press 2007. VIII, 328 S. gr.8°. Kart. £ 16,99. ISBN 978-0-664-22972-6.

Rezensent:

Stefan Krauter

Biblische Theologie ist ein weites, kontrovers diskutiertes und daher unübersichtliches, zudem ständig mit Grundsatzfragen der Exegese und Hermeneutik befasstes und darum schwieriges Feld. Kaum jemand kann behaupten, sich zwischen all den programmatischen Beiträgen, Entwürfen und teilweise sehr umfang­reichen Durchführungen alttestamentlicher, neutestamentlicher oder ge­samtbiblischer Theologien zurechtzufinden oder gar auszukennen. M. stellt sich deshalb einer durchaus anspruchsvollen Aufgabe, wenn er für Menschen, die sich eher am Studienbeginn befinden (introductory courses am college bzw. seminary; VII), ein einführendes Überblickslehrbuch zur biblischen Theologie bieten will.
Ein kurzes einleitendes Kapitel (1–12) bietet eine Arbeitsdefinition für biblische Theologie: »Biblical theology seeks to identify and understand the Bible’s theological message, that is, what the Bible says about God and God’s relation to all creation, especially to humankind« (2). Es folgt ein ebenfalls sehr knapper Überblick über die Geschichte dieses Unternehmens (13–59): Nach einigen Hinweisen auf »biblische Theologie« vor der eigentlichen Herausbildung einer Disziplin dieses Namens finden sich Ausführungen zu den Anfängen in der Exegese der Aufklärung, den Fortführungen im 19. Jh. und vor allem den großen Entwürfen des 20. Jh.s und neueren Entwicklungen.
Den eigentlichen Hauptteil des Buches bilden dann – dem Untertitel entsprechend – drei Kapitel zu »Issues raised in biblical theology« (61–120), »Methods used in biblical theology« (121–167) und »Themes developed through biblical theology« (169–239). M. wählt also insgesamt eine systematische Herangehensweise und nicht eine historische bzw. an einzelnen Forschern und ihren Entwürfen orientierte, die in der zusammenfassenden Nachzeichnung verschiedener Ansätze bestünde. Das ist gewiss der an­spruchsvollere Weg und hat den Vorteil, dass grundlegende Problemstrukturen sehr übersichtlich und klar herausgearbeitet werden. Andererseits tauchen viele Namen über das Buch verstreut auf – prominente Namen auch mehrfach –, ohne dass dem Leser am Ende ein wirklich deutliches Bild von den mit ihnen zusammenhängenden Konzepten biblischer Theologie vor Augen stünde. Auch das Autorenregister (325–328) bietet hier keine rechte Abhilfe.
Im ersten dieser drei Hauptkapitel arbeitet M. die sich immer wieder stellenden Grundfragen biblischer Theologie heraus: Verhältnis von Altem und Neuem Testament, Beschränkung auf den Kanon, Einheit und Vielfalt, Religionsgeschichte und Theologie, Perspektivität und Kontextbindung. M. bringt eigentlich immer auf den Punkt, wo die Probleme liegen, wie sie miteinander verknüpft sind und welche theologische Reichweite sie haben. Verschiedene Lösungsvorschläge stellt er knapp, aber nicht oberflächlich und vor allem fair dar.
Das Methodenkapitel stellt sich der schwierigen Aufgabe, die unübersehbare Vielfalt von Herangehensweisen an die biblische Theologie in ein selbst für Anfänger überschaubares Raster einzuordnen. M. unterscheidet Methoden, die ihr Hauptaugenmerk auf den Inhalt der biblischen Botschaft richten (Vorgehen nach Loci der christlichen Lehre, Frage nach der »Mitte«, »Nacherzählung« der biblischen Geschichte), solche, die vor allem auf die Herausbildung der Form der biblischen Botschaft eingehen (traditionsgeschichtliche Modelle, canonical approach, »diversity approaches«), und schließlich solche, die die Perspektive des Betrachters als Ausgangspunkt nehmen (existentiale Interpretation, feministische und postkoloniale Ansätze).
Das letzte der drei Hauptkapitel widmet sich den Themen, bietet also sozusagen eine »Kürzestfassung« einer materialen biblischen Theologie in drei großen Abschnitten zu »Gott«, »Leben in Beziehung zu Gott« und »Leben in Beziehung zu anderen Menschen«. In mehreren Unterabschnitten wird jeweils – an das Vorgehen des canonical approach erinnernd – zuerst das alttestament­liche, dann das neutestamentliche Zeugnis geboten. Obwohl die Gliederung des Kapitels sehr gelungen ist und vielleicht sogar das Potential hätte, die Gliederung einer ausgeführten biblischen Theo­logie zu werden, zeigen sich hier am ehesten die Grenzen des Werkes als eines Lehrbuches für Studienanfänger. Das gebotene Material ist allzu knapp, manchmal entsteht fast der Eindruck einer thematisch sortierten Bibelkunde. Viele der in den vorangehenden Kapiteln doch so klar herausgearbeiteten Grundfragen (z. B. das Problem einer Beschränkung auf den Kanon, die Einbeziehung der Religionsgeschichte) scheinen in den Hintergrund zu geraten.
Auf die drei Hauptkapitel folgt ein kurzes Schlusskapitel (241–247), das ein Resümee aus dem zuvor Dargelegten mit Überlegungen zu möglichen künftigen Entwicklungen der biblischen Theologie verbindet.
M. gelingt es, eine beeindruckende Breite von Modellen biblischer Theologie, einschließlich solcher Modelle, die sich ausdrück­lich als Alternative zur biblischen Theologie verstehen, zu integrieren: Von evangelikalen Ansätzen über eher konservative kanonische oder traditionsgeschichtliche, aber auch feministische und postkoloniale Modelle bis hin zu kritischen und religionswissenschaftlich orientierten Entwürfen ist alles dabei. Diese große Fülle ist eine der Stärken des Buches und macht es teilweise sogar für diejenigen, die nicht (mehr) zu seinem primären Zielpublikum gehören, zu einer reichen Fundgrube.
M. diskutiert das Für und Wider dieser vielfältigen Ansätze und Herangehensweisen, enthält sich aber insgesamt bewusst einer eigenen Wertung. Das ist für ein Lehrbuch zu einem derartig umstrittenen Thema durchaus eine Tugend. Trotzdem fragt man sich zuweilen, ob etwas weniger Ausgewogenheit und etwas mehr Engagement die Lektüre nicht anregender und spannender – und dadurch den Lernerfolg der Leser vielleicht sogar größer – gemacht hätte.
Ein umfangreiches, aber mit einer einzigen Ausnahme (P. Stuhlmachers Biblischer Theologie des Neuen Testaments) rein englischsprachiges Literaturverzeichnis beschließt den Band (305–323). M. bemüht sich immerhin, die internationale und besonders die deutschsprachige Diskussion insoweit zu rezipieren, als sie in Übersetzungen zugänglich ist. Dennoch ist das bedauerlich.
Insgesamt ist das Werk für alle, die eine erste Orientierung in der biblischen Theologie suchen, unbedingt empfehlenswert. Es bietet eine äußerst gelungene, klar strukturierte, verlässliche und zudem gut geschriebene Einführung in das weite Feld dieser Disziplin.