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Ausgabe:

November/1996

Spalte:

1053 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Destro, Adriana u. Mauro Pesce

Titel/Untertitel:

Antropologia della origini cristiane

Verlag:

Rom-Bari: Laterza 1995. XV, 243 S. 8° = Quadrante, 78. Kart. Lire 29.000. ISBN 88-420-4728-7.

Rezensent:

Fulvio Ferrario

Die Autoren (Kulturanthropologin die eine, Neutestamentler der andere) eröffnen eine kulturanthropologische Lesart, weniger eines allgemeinen "christlichen Ursprungs", als vielmehr einiger seiner herausragenden Texte und Charakteristiken. Nach einer gebündelten methodologischen Einführung beschäftigt sich der erste Teil hauptsächlich mit dem Verhältnis ekklesia ­ polis in den authentischen paulinischen Briefen, wobei besonderes Gewicht darauf gelegt wird, daß ekklesia nicht als Gemeinde mit gesellschaftlichem Rückverbindungsbestreben definiert werden kann, sondern daß die von der paulinischen Verkündigung ausgelösten Dynamiken und die Entwicklung der Gemeindesoziologie die Gemeinden faktisch dazu gebracht haben, eine soziale Integrationsfunktion auszuüben. Die Autoren wechseln nun zur Untersuchung des Verhältnisses zwischen christlicher Gemeinde, jüdischer Gemeinde und Polis, wie sie in der Apostelgeschichte beschrieben werden (siehe Paphos, Antiochia in Pisidien, Ikonion und Ephesus). Der Text zeigt eine starke Expansion der Gemeinden auf, die sich im Widerstreit mit der umgebenden Gesellschaft abspielt: Zum einen unterstreicht die Apostelgeschichte sicherlich das Fortschreiten eines sozialen Integrationsprozesses der Gemeinden; zum andern wird der Versuch, die Religionselemente der Polis dabei auszuklammern, hervorgehoben, da jene sich kaum dazu eignen, in die neue christliche Synthese eingeschlossen zu werden. Das letzte Kapitel des ersten Teils behandelt die Rolle der Familienbeziehungen im JohEv. Die These der Autoren lautet: Die Familienverhältnisse, von der synoptischen Tradition wesentlich relativiert, gewinnen im vierten Evangelium neue Bedeutung. Die Aufmerksamkeit der Autoren konzentriert sich also durchwegs auf die Rückbildung der anthropologischen Strukturen, die in den Texten zu Wort kommen, und nicht in ihrer Interpretation als Quelle für die historische Erkenntnis der erzählten Ereignisse.

Der zweite Teil des Buches betrachtet einige religiöse Handlungen der urchristlichen Gemeinde: die Exorzismen in der Apostelgeschichte, die rituellen Strukturen, die zwischen den Zeilen der johanneischen Erzählung ­ verstanden als Gründungsbericht ­ auftauchen, die Systeme der Kultureinordnung (die Polarität zwischen Juden und Griechen und ihre Beziehung zur christlichen Gemeindezugehörigkeit) bei Paulus. Auch wenn die anthropologische Betrachtung der biblischen Texte kein absolutes Novum mehr darstellt, so erlaubt sie doch eine besondere Auslegung, die das Verständnis des Textes zum Teil erheblich fördert.

Adriana Destro und Mauro Pesce gebrauchen mit großem Geschick den nicht immer einfach zu meisternden kritischen Apparat der Kulturanthropologie. Dieser jedoch kann dem nicht spezifisch geschulten Leser einige Schwierigkeiten bereiten: die Terminologie, wie auch die hermeneutischen Paradigmen, erfordern tatsächlich einige Gewandtheit, bevor sie mit Erfolg eingesetzt werden können. Dieses jedoch trifft letztendlich auf jede kritische Erkenntnismethode zu.