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Ausgabe:

Februar/2009

Spalte:

245-246

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Gieseking, Erik

Titel/Untertitel:

Justitia et Pax 1967–2007. 40 Jahre Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden. Eine Dokumentation. Hrsg. v. d. Deutschen Kommission Justitia et Pax.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2007. XVI, 576 S. gr.8°. Geb. EUR 49,90. ISBN 978-3-506-76478-2.

Rezensent:

Reinhard Turre

Vor 40 Jahren wurde der »Katholische Arbeitskreis Entwicklung und Frieden«, der Vorläufer der heutigen deutschen Kommission Justitia et Pax, gegründet. Aus diesem Grund hat Erik Gieseking im Auftrag dieser Kommission wichtige Texte aus ihrer Arbeit herausgegeben. Der Arbeitskreis war gegründet worden, um den katholischen Hilfswerken, besonders Adveniat und Misereor, eine konstruktiv kritische Begleitung für deren entwicklungspolitische Aktivitäten zu geben. Die fast 400 Seiten umfassende Dokumentation gibt einen Einblick in die internationalen sozialen und politischen Probleme, denen sich die deutschen katholischen Bischöfe über die päpstliche Kommission Justitia et Pax hinaus besonders zugewandt haben.
G. leitet den Band mit einer fast 100 Seiten umfassenden Darstellung der Arbeit erst des Arbeitskreises und dann der Kommission im Westen und im Osten Deutschlands ein. Ihr gilt die besondere Aufmerksamkeit des Rezensenten.
G. erinnert an die Einsetzung der päpstlichen Studienkommission Justitia et Pax und an die Enzyklika Pauls VI. »Populorum Progressio« im Jahre 1967. Die Anregungen aus der katholischen Weltkirche führten durch die Initiative von Prälat Gottfried Dossing zur Gründung des Arbeitskreises für Entwicklungshilfe schon 1967 im Katholischen Büro in Bonn. Beteiligt waren Vertreter von Adve­niat, dem Deutschen Caritasverband, Misereor und dem Zentralko­mitee der Deutschen Katholiken. Es wurden Unsicherheiten seitens der Bundesregierung über die Ziele deutscher Entwicklungshilfe festgestellt. Minister Erhard Eppler zeigte Interesse an dem Arbeitskreis. Es galt schon bald, die Beziehungen der staatlichen Entwicklungspolitik und der kirchlichen Entwicklungshilfe zu klären. Doppelarbeit sollte vermieden werden. 1968 wurden auf Initiative der Deutschen Bischofskonferenz eine Sektion Entwick­lung und eine Sektion Frieden gebildet. Fachleute aus dem kirchlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereich wurden in die Sektionen berufen.
Seit 25 Jahren ist die Deutsche Bischofskonferenz selbst Träger der nun so genannten Kommission Justitia et Pax. Sowohl ihr ge­genüber wie auch gegenüber dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken hat die Kommission Justitia et Pax ihren »komplementären und subsidiären Charakter unterstrichen (22). G. bezeichnet die »relative Autonomie« als ein Kernelement der erfolgreichen Arbeit der Kommission. Zu den Sachbereichen Entwicklung und Frieden kommt heute noch ein eigener Sachbereich Menschenrechte hinzu. Die Berufung der Mitglieder geschieht durch den Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Der jetzige Vorsitzende ist Bischof Dr. Reinhard Marx.
Erfreulicherweise wird von G. auch die Genesis der Arbeitgruppe Justitia et Pax der Berliner Bischofskonferenz in der DDR be­schrieben. Angesichts des hohen Interesses der Staatssicherheit für die Friedensarbeit der Kirchen ist seitens der katholischen Kirche im Osten äußerst vorsichtig agiert worden. Nur Priester wurden in die Kommission berufen. Anders als im Bericht über die Aktivitäten in der Bundesrepublik kommt hier stärker der Beitrag der katholischen Arbeitsgruppe zu der Ökumenischen Versammlung »Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« in den Blick. Leider wird nicht dargestellt, in welchem Maße sich die katholische Kommission Anregungen aus den in diesem Bereich aktiveren evangelischen Kirchen zu eigen gemacht hat.
Nach der deutschen Vereinigung ist das thematische Spektrum der nun vereinigten Kommission viel breiter geworden. Sie ist auch aktiver mit Anregungen an die päpstliche Kommission geworden. Nun werden die Themen auch in ihrer Verknüpfung von Entwick­lungs-, Agrar- und Handelspolitik herausgearbeitet. Der Zusam­menhang von Entwicklungs- und Friedenspolitik wird herausgestellt. Dem Kontinent Afrika gilt die besondere Aufmerksamkeit. Die Aufarbeitung der belastenden Vergangenheit in Europa wird besonders empfohlen, um den Weg der Versöhnung innerhalb der Staaten und zwischen ihnen zu bereiten.
Seit den 80er Jahren hat sich die Kommission besonders des Themas der Verletzung der Menschenrechte angenommen. Es wird berichtet, dass sie in den Jahren 1986 bis 2006 1139 Menschenrechtsfälle besonders in Lateinamerika behandelt hat. Auch die konkreten Friedensdienste werden durch die Kommission bewertet. Selbst für die Entwicklung der Inneren Führung der Bundeswehr wurden Anregungen gegeben.
Dieses breit gefächerte Spektrum der Kommission spiegelt sich in der Buchreihe »Entwicklung und Frieden« mit bisher 52 Bänden und in den sog. Materialien wieder, die in 19 Bänden von 1974–1988 erschienen sind. 24 Bände sind im Bereich »Dokumente, Berichte, Meinungen« von 1974 bis 1991 und 96 Hefte in der Schriftenreihe »Gerechtigkeit und Frieden« erschienen. Die Kommission hat eine eigene Homepage: http://www.justitia et pax.de.
Die Kommission pflegt regelmäßige Kontakte mit der Kammer für Kirchliche Entwicklung der EKD, mit der sie seit 1980 in der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung zusammengeschlossen ist. Der gemeinsame Auftritt hilft zu wirksamer Vertretung kirchlicher Entwicklungsarbeit gegenüber der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft. In den Dokumenten wird eine ganze Reihe gemeinsamer Programme ersichtlich. Über die ökumenische Zusammenarbeit der Kirchen hinaus hat sich die Kommission um die Vernetzung mit anderen zivilgesellschaftlichen Or­ganisationen zur Durchsetzung ihrer Absichten in Menschenrechts-, Entwick­lungs- und Friedensfragen bemüht. Sie ist Mitglied des deutschen Forums Menschenrechte und Gründungsmitglied des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen.
Die in diesem Band gesammelten 269 Dokumente geben einen anregenden Einblick in die Geschichte der Kommission Justitia et Pax. Die Fülle der Themen lässt erkennen, wie sich die Kommission oft gegen den politischen Mainstream zum Anwalt der Armen besonders in der Zweidrittelwelt gemacht hat. Es wird mit zunehmender Dringlichkeit aus den Sektionen angemeldet, wie sich Entwicklung, Frieden und Menschenrechte einander bedingen. Die Kommission hat innerkirchlich, gegenüber der Politik und in Abstimmung mit ökumenischen Partnern wie auch mit anderen Akteuren in der Zivilgesellschaft zur Bewusstseinsbildung in oft übersehenen und verdrängten Fragen beigetragen.
Es ist G. zu danken, dass er dies so ausführlich dokumentiert hat. Für die Leser, die eine weitergehende Information über die Arbeit der Kommission haben möchten, ist ein ausführliches Pu­blikationsverzeichnis über die Buchreihe »Entwicklung und Frieden«, über die Schriftenreihe «Gerechtigkeit und Frieden« und über Einzelschriften der Kommission angefügt. Die Veröffentlichungen der »Gemeinsamen Kommission Kirche und Entwicklung« einschließlich der Materialien mit genauen ISBN-Hinweisen komplettieren diese Sammlung. Sie ist so ein wichtiges Hilfsmittel für alle, die sich für die katholischen Stellungnahmen zu Fragen der Entwicklung, der Gerechtigkeit und des Friedens in weltweiten Zusammenhängen interessieren. Eine analoge Zusammenstellung aus dem Bereich der evangelischen Kirchen wäre wünschenswert.