Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Februar/2009

Spalte:

223-224

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Theobald, Werner

Titel/Untertitel:

Ohne Gott? Glaube und Moral.

Verlag:

Augsburg: Sankt Ulrich Verlag 2008. 192 S. 8°. Geb. EUR 17,90. ISBN 978-3-86744-042-4.

Rezensent:

Werner Thiede

Der Kieler Philosoph und Privatdozent Werner Theobald geht in diesem essayistisch geschriebenen Buch der Frage nach, ob Moral Glauben voraussetzt. Dieses Problem spitzt sich zu in der Fragestellung, ob der Begriff der Menschenwürde nicht mehr impliziert als eine Art Gegenseitigkeitsvertrag – und ob der weltanschaulich »neutrale« Staat ein passendes Korrelat hierzu darstellt oder nicht vielmehr eine Gefahr für die langfristige Durchsetzbarkeit bzw. Haltbarkeit einer unantastbaren Menschenwürde.
Es gelingt Th., insgesamt schlüssig aufzuzeigen, dass der Kern des Menschenwürdebegriffs primär in der Tradition des christlichen Menschenbilds gründet. Anderslautende Sichtweisen und Erklärungsmodelle werden hinterfragt, was freilich an manchen Stellen mit noch mehr Gründlichkeit hätte geschehen können. Auch die theologische Begründung für die zweifellos zutreffende Kernthese des Buches hätte doch noch umfassender und tiefgreifender ausfallen sollen – meint der Rezensent als Theologe. So genügt der Hinweis auf die »Gottebenbildlichkeit« nicht wirklich; vielmehr muss diese in einen deutlichen Zusammenhang mit der Inkarnationslehre und der zugehörigen Soteriologie gebracht werden, wenn die umfassende Tragkraft der christlichen Perspektive plausibel genug untermauert werden soll.
Gleichwohl beeindruckt dieses Buch durch die in gut verständlicher Sprache vorgetragene Argumentation wider den in diesen Fragen immer oberflächlicher werdenden Zeitgeist, dessen weltanschauliche bzw. ideologische Implikationen aufgedeckt und kritisiert werden. Dass Ethik nicht »neutral« zu haben, sondern im­mer(!) »perspektivgebunden« ist und dass zu solcher Perspektivik übrigens auch ein »numinoser Imperativ« gehören kann, ge­hört ebenso zu den gut begründeten Thesen dieser Studie wie die Entlarvung der Selbstabsolutierung des Relativismus. Ist der Leitbegriff der Menschenwürde nach den Erfahrungen mit dem verbrecherischen Regime des Nationalsozialismus als Ergebnis einer »Erfahrung ex negativo« hochgeschätzt gewesen, so verliert er diese Stütze mit dem Abstand zu jenen schrecklichen Vorgängen und verlangt aufs Neue nach metaphysisch-religiöser Begründung, wie sie freilich im Zeitalter der Multikulturalität schwer verallgemeinerungsfähig ist.
Verallgemeinerungsfähig kann allenfalls die geschichtliche Einsicht in die vorrangige Gegründetheit des »Urmaßes« der Menschenwürde in der christlichen Glaubenstradition sein. Im Übrigen bleibt der Imperativ zum Ringen um eine gemeinschaftliche Fundierung und Deutung dieser ethisch zentralen Orientierungsgröße. Und für solch ein unerlässliches geistiges Ringen stellt Th.s Schrift eine lesens- und bedenkenswerte Argumentationshilfe dar.