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Ausgabe:

Februar/2009

Spalte:

192-193

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Dehandschutter, Boudewijn

Titel/Untertitel:

Polycarpiana. Studies on Martyrdom and Persecution in Early Christianity. Collected Essays. Ed. by J. Leemans.

Verlag:

Leuven: University Press; Leuven: Peeters 2007. XVI, 286 [, 4] S. gr.8° = Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium, 205. Kart. EUR 74,00. ISBN 978-90-5867-632-0 (University Press); 978-90-429-1993-8 (Peeters).

Rezensent:

Ekkehard Mühlenberg

Der Schutzumschlag mit dem akkuraten Bild des Anfangs vom Martyrium Polycarpi im Menologiumcodex Atheniensis Graecus 989 (12. Jh.) ist wie ein Unterpfand für die Perlen des Buches. Abgesehen von Buchbesprechungen ist die Ernte von 30 Jahren Arbeit zum Martyrium Polycarpi und zu seinem Kontext zusammengetragen (in Englisch, Französisch und Deutsch). Drei der 23 Beiträge sind hier zum ersten Mal publiziert. Den grundlegenden Anfang macht die aktualisierte Textedition von 1979; in den Apparat sind zwei inzwischen zugänglich gewordene Handschriften eingearbeitet worden. D. hat sich bekanntlich erstens in 35 Lesarten vom an­sonsten benutzten Text (Bihlmeyer 1924) abgesetzt und zweitens den Eusebtext von E. Schwartz synoptisch danebengestellt. Die Grundentscheidung für seine Textkonstituierung war eine Vermutung von E. Schwartz, dass der Eusebtext einerseits und die Menologientexte andererseits auf einen und denselben Archetyp zurückgehen und deswegen nicht zwei voneinander unabhängige Überlieferungen seien. Die ausführliche Rechtfertigung für seinen Text findet sich nur in seiner Studie » Martyrium Polycarpi. Een literair-kritische studie« (Leuven 1979), 72–108; dort muss man auch die Beschreibung der Handschriften einsehen, jedoch sind die beiden neu eingeführten Codices im vorliegenden Buch kurz beschrieben und ihre Lesarten aufgelistet. Der umfangreiche Kommentar von G. Buschmann (1998; siehe ThLZ 124 [1999], 748 f.) hält sich an den Bihlmeyertext und erörtert den Zeugenwert von Lesarten überhaupt nicht. D. kündigt an, seine Bemühungen um den Text nicht mit der jetzt erfolgten Vervollständigung des Variantenapparates abschließen zu wollen.
An der Spitze steht der umfangreiche und fleißige Forschungsbericht aus ANRW II.27,1 (1993), gefolgt von einem neuen Nachtrag bis zum Jahr 2005. Es schließen sich Beiträge zur theologischen, martyriologischen und literaturgeschichtlichen Einordnung des Martyrium Polycarpi an (93–141). Ausgehend davon, dass es die äl­tes­te literarische Darstellung eines Martyriums ist, in seiner Ganzheit innerhalb eines Jahres nach der Hinrichtung Polykarps im Jahre 155/156 n. Chr. geschrieben, sieht D. hier den »kirchlichen« Märtyrerbegriff entfaltet und bringt an Stelle der Auseinandersetzung mit dem Montanismus, der später anzusetzen sei, Fragen aus gnos­tischen Kreisen ins Gespräch. Der Verweis auf die Martyriologie in Hippolyts Danielkommentar ist bemerkenswert (100 f.). In zwei Beiträgen aus dem Jahre 1989 (145–171) wird einerseits die Möglichkeit einer Spätdatierung der Ignatiusbriefe angedeutet (vgl. 150), andererseits Polykarps Brief an die Smyrnäer als Einheit gesehen und seine Frühdatierung verteidigt.
Unter dem Thema »Martyrium und Verfolgung« sind acht Beiträge zusammengestellt (175–255). Die Themen reichen vom Neuen Testament (Verfolgung in der lukanischen Apostelgeschichte) bis zu einer eindringlichen und sensiblen Interpretation des Briefes über die Martyrien in Vienna und Lugdunum.
Am Schluss fassen zwei Beiträge die Überlieferungen über Polykarp in anderen Dokumenten als MPol und Irenäus ins Auge (259–277). Hier wird die Beziehung zwischen Biographie und Hagiographie erörtert, was das Interesse derer finden wird, die nach dem geschichtlichen Wert von Hagiographien fragen. – Es gibt ein Re­gis­ter moderner Autoren.
Martyriologie hin, Martyriologie her. Christen haben Bild und Wort für ihr Erleiden erfunden und geprägt; Juden gebrauchen das Wort nicht. Martyrium Polycarpi ist der älteste Beleg. Warum er­fährt man nichts über dieses »Rätsel«?