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Ausgabe:

Februar/2009

Spalte:

188-190

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hrsg. v. Verein für Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen e. V. in Zusammenarb. m. dem Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Lu­ther-Universität

Titel/Untertitel:

Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen. Bd. 1: Biogramme A–Bo.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt GmbH 2003. 496 S. gr.8°. Geb. EUR 88,00. ISBN 978-3-374-02083-6.

Rezensent:

Jochen Gruch

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Bd. 2: Biogramme Br–Fa. 2004. 528 S. gr.8°. Geb. EUR 88,00. ISBN 978-3-374-02134-5. Bd. 3: Biogramme Fe–Ha. 2005. 568 S. gr.8°. Geb. EUR 88,00. ISBN 978-3-374-02135-2. Bd. 4: Biogramme He–Kl. 2006. 528 S. gr.8°. Geb. EUR 88,00. ISBN 978-3-374-02136-9. Bd. 5: Biogramme Kn–Ma. 2006. 552 S. gr.8°. Geb. EUR 88,00. ISBN 978-3-374-02137-6. Bd. 6: Biogramme Me–P. 2007. 582 S. gr.8°. Geb. EUR 88,00. ISBN 978-3-374-02138-3.

Über den Nutzen von Pfarrerbüchern muss an dieser Stelle nicht gesprochen werden, er dürfte unstrittig sein. Entsprechend groß ist die Zahl dieser Veröffentlichungen; wer sich einen Überblick verschaffen will, sollte zu den Zusammenstellungen von H. Löber (PuN 29) und K. Themel (HeroldJb 3) greifen. Inzwischen ist ein Großteil der landeskirchlichen Landschaft abgedeckt. Aber es bleiben doch noch Lücken: Die älteren Pfarrerbücher bedürfen in der Regel der Neubearbeitung (vor allem Brandenburg und Hannover), aber es gibt auch noch echte wei ße Flecken, kleine wie Eutin, mittlere wie Nassau, aber auch, besonders schmerzhaft, gro ße wie Schlesien oder die Grenzmark. Eine dieser großen Lücken wird nun mit dem zu besprechenden Werk geschlossen. Allein dies würde schon Dankesreden rechtfertigen. Vorarbeiten gibt es auf lokaler Ebene viele, f ür größere Gebiete der Landeskirche aber kaum; über das im Jahr 2000 erschienene Pfarrerbuch für die Altmark hat Helmar Junghans an anderer Stelle das Notwendige gesagt.
Vor Beginn der Arbeit an einem Pfarrerbuch müssen die Bearbeiter mehrere Grundentscheidungen treffen: Welches Gebiet, welcher Zeitraum soll behandelt werden, wie eng oder weit wird der Begriff »Pfarrer« gefasst, welche Angaben zur Person sollen ge bracht werden, wie soll das Werk gegliedert werden. Zu letzterem Punkt gibt es zwei M öglichkeiten: entweder ein Gemeindebuch mit series pastorum, das die Lebensläufe der Pfarrer in die series integriert, oder eine Trennung zwischen Gemeindebuch mit reiner series pastorum und einem zweiten, biographischen Teil. Die Bearbeiter des Pfarrerbuches der Kirchenprovinz Sachsen (im Folgenden kurz: Pfb KPS) haben sich f ür die Zweiteilung in Gemeindebuch und Pfarrerbuch entschieden, eine Entscheidung, die auch dem Rezensenten als die sinnvollere erscheint. Zu den übrigen Fragen kann der Leser Antworten aus dem Vorwort erwarten, bei diesem Werk wird er jedoch entt äuscht. Er muss die Antworten an einer Stelle suchen, die im Vorwort allerdings genannt wird: in einem Aufsatz von Heinrich L öber in HCh Bd. 25. Hier handelt es sich um einen Aufsatz, den jeder, der das Pfb KPS nicht nur zum vereinzelten Nachschlagen benutzen will, lesen sollte. Das Pfb KPS soll die Biographien aller Pfarrer, die in Gemeinden der (sp äteren) KPS tätig waren, aufführen, Beginn ist die Reformation, Ende das Jahr 1982. Beide Eckdaten haben im Wesentlichen pragmatische Gr ünde. Der Rezensent hat volles Verständnis für diese Beschrän kungen, obwohl gerade der Verzicht auf die mittelalterlichen Geistlichen den weitverbreiteten Eindruck, die römisch-katholische Kirche sei die alleinige Nachfolgekirche der mittelalterlichen Kirche, unterst ützt. Aber die Einbeziehung des Mittelalters lässt sich nur bei kleineren Gebieten durchführen, vorbildlich z. B. beim Pfb Jena von Kurt Zahn. Nicht wirklich geklärt wird der Begriff »Pfarrer«. Vereinzelt finden sich Personen, die »nur« Adjunkt, Substitut oder Hilfsprediger waren, aber doch zu selten, um anzunehmen, diese sollten grunds ätzlich berücksichtigt werden. Ein Thema wird nirgends angesprochen: die Frage der Konfession des Pfarrers, das scheint in der KPS kein Problem zu sein. Im Rheinland gibt es f ür das 16. Jh. zahlreiche Fälle, in denen nicht zu klären ist, ob ein Pfarrer nun reformiert, lutherisch oder katholisch war.
Ein Pfarrerbuch ist in erster Linie ein Nachschlagewerk, nur sehr wenige Personen werden mehrere Seiten hintereinander lesen. Man liest es nicht, man benutzt es. Das hat nat ürlich Konsequenzen für die Gestaltung. Der durchschnittliche Nutzer hat zunächst den Namen eines Pfarrers und einen Zusammenhang, in dem dieser Name auftaucht, er m öchte nun mehr über diesen Pfarrer wissen. In der Regel hat er weder Zeit noch Lust, eine umfangreiche »Gebrauchsanweisung« für das Pfarrerbuch zu lesen, der einzelne Eintrag muss aus sich selbst heraus verst ändlich sein. Den Bearbeitern des Pfb KPS kann bescheinigt werden, dass ihnen dies gelungen ist. Das ist leider nicht selbstverst ändlich, so führt die Art der Darstellung im Rheinischen Pfb von Rosenkranz an einigen Stellen schon fast regelm äßig zu Missverständnissen. Grundlage des Pfb KPS ist eine Datenbank (die einzelnen Felder erklärt Löber in seinem Aufsatz), das zwingt den Bearbeiter zum systematischen Arbeiten. Vorteil f ür den Nutzer ist, dass die Daten immer in der gleichen Anordnung gebracht werden, L ücken werden nicht extra erwähnt, aber sie fallen so natürlich auf. Und Lücken sind unvermeidlich, auch im 20. Jh.
Dem Rezensenten fiel allerdings allzu häufig eine unangenehme Form von »DDR-Zentriertheit« auf. Wenn ein Pfarrer in den Westen ging (teilweise gilt dies sogar für Biographien vor 1945), dann endet die Darstellung. Angesichts der großen Zahl dieser Fälle liegt die Vermutung nahe, dass keine weiteren Erkundigungen eingeholt wurden. Eine andere unangenehme L ücke gibt es offenkundig bei den Quellen: Es finden sich keine Hinweise auf die Personalakten. Mehrfach hat der Rezensent die Erfahrung gemacht, dass sich L ücken in der Biographie durch eine einfache Anfrage im Magdeburger Archiv schließen ließen. Außer von Historikern werden Pfarrerbücher vor allem von Familienforschern benutzt. Diese finden hier, anders als in manchem älteren Pfb, reichlich Material.
Wer sich mit einer größeren Zahl von Pfarrern beschäftigt, stößt unweigerlich auf Informationen, die nicht in das vorgegebene Schema passen, die aber doch so interessant sind, dass sie mitgeteilt werden sollen. Daf ür gibt es in den meisten Pfarrerbüchern eine besondere Rubrik »Bemerkungen«, so auch im Pfb KPS. Hier ist Platz für besondere Interessen eines Pfarrers, der sich z. B. als Botaniker oder Arzt einen Namen machte, f ür politische Betätigung (sehr ausführlich bei Markus Meckel) oder für eine genauere Be schreibung seiner theologischen Position oder Tätigkeit (zu ausführlich bei Justus Jonas). Während andere Pfarrerbücher, z. B. Bauks (Westfalen) oder Biundo (Pfalz), hier sehr zurückhaltend sind, erwecken die sehr viel häufigeren Bemerkungen im Pfb KPS teilweise schon den Eindruck der Beliebigkeit. Wie soll man es verstehen, wenn bei mehreren Pfarrern des 17. Jh.s extra darauf verwiesen wird, dass sie an ihrem Dienstort unter dem Drei ßigjährigen Krieg zu leiden hatten? Bedeutet dies, dass die anderen Pfarrer vom Krieg unber ührt blieben? Bei David Nicaeus (Bd. 6, 301) wird bemerkt, dass er seine Pfarrstelle mit Zustimmung des Konsisto riums wechselte. Da nicht anzunehmen ist, dass die übrigen Tausende von Pfarrern ohne Zustimmung wechselten, dürfte dies ein Hinweis auf eine Besonderheit sein, aber welcher Art?
Bevor ein Nutzer den Beitrag zu einem Pfarrer lesen kann, muss er ihn aber erst finden. Und hier gibt es einige Schw ächen. Grundsätzlich ist das Werk alphabetisch geordnet, zunächst nach Familiennamen, innerhalb dieser nach Vornamen; allerdings nicht nach dem Rufnamen, sondern nach dem in der Reihenfolge ersten Vornamen. Wer nur den Rufnamen kennt, muss bei h äufigeren Familiennamen also einiges an Geduld mitbringen. Sogar das Pfb KPS selbst gibt bei Verweisen teilweise nur den Rufnamen an. Au ßerdem muss er berücksichtigen, dass die Umlaute wie die Grundvokale behandelt werden, die Schreibung mit »e« jedoch dem Buchstabenbestand entsprechend eingeordnet wird. So finden sich drei Mueller in Band 6 auf S. 158, die übrigen Müller auf den S. 166–229, an letzter Stelle übrigens ein Adolf Müller, da er mit vollem Namen Wilhelm Robert Adolf hieß. Wichtig, vor allem in der Frühen Neuzeit, sind Namensvarianten. Diese werden zwar im Artikel ge nannt, von ihnen wird aber nicht verwiesen, man muss also den Namen kennen, für den sich die Bearbeiter entschieden haben.
Die Bände erscheinen ziemlich konstant jährlich, dies ist angesichts des Umfangs der Arbeit beachtlich, der Abschluss dürfte et wa 2012 geschafft sein. Die KPS kann man bereits jetzt beglückwünschen, dass auch sie dann über ein wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes Pfarrerbuch verfügen wird.