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Ausgabe:

Februar/2009

Spalte:

174-176

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Jefford, Clayton N.

Titel/Untertitel:

The Apostolic Fathers and the New Tes­tament.

Verlag:

Peabody: Hendrickson 2006. XII, 267 S. 8°. Kart. £ 10,99. ISBN 978-1-56563-425-1.

Rezensent:

Martin Meiser

Das hier anzuzeigende Buch behandelt form- und motivgeschichtlich die Beziehungen zwischen den sog. Apostolischen Vätern und den neutestamentlichen Schriften. Clayton Jefford, Professor für biblische Wissenschaften an der St. Meinrad Theological School (Indiana, USA), ist schon mehrfach mit Veröffentlichungen zu den Apostolischen Vätern hervorgetreten.
In den diesbezüglichen Einleitungsfragen (7–38) schließt sich J. zumeist dem traditionellen Konsens an: Die Ignatiusbriefe (mittlere Rezension) werden auf ca. 108 datiert, das Martyrium des Polykarp von Smyrna (überzeugend) auf die Zeit um 156. Zum 1. Clemensbrief vertritt J. (weniger überzeugend) eine Frühdatierung: 1Clem 40 und 41 setzen den noch durchgeführten Tempelkult in Jerusalem voraus; 1Clem 1,1 sei auf die Verfolgung unter Nero zu beziehen, auch sei das monarchische Bischofsamt noch nicht vorausgesetzt.
Das Weiterwirken neutestamentlicher Formtraditionen behandelt J. im Kapitel »The Authority of Texts and Traditions« (39–71). Unstrittig sind die Verweise auf die Gattungen »Brief« und »Homilie« wie auf die frühjüdische Apokalyptik; mit der gebotenen Vorsicht diskutiert J. den möglichen Einfluss jüdischer Märtyrerliteratur (2Makk 6,18–7,42) auf die Ignatianen. Zurückhaltend beurteilt J. die Frage, ob bei der Annäherung des Martyriums des Polykarp an den Tod Jesu die Situation in Smyrna oder literarische Gestaltung ausschlaggebend war (48). Eine Logiensammlung ist, so J., als ge­schlossener Block nur im Zweiwegekatechismus in Did 1–5; Barn 18–20 verwirklicht. In der Verwendung von Gleichnismaterial nä­hern sich die »Apostolischen Väter« griechisch-römischen literarischen Gepflogenheiten an (59).
Im Kapitel »Codes of Conduct and Christian Thinking« (73–106) fragt J. danach, wie auf jüdischem Boden eine Ethik für eine mehrheitlich nichtjüdische Christenheit entwickelt werden konnte. Früh­christliche Schriftsteller lernten schnell, Elemente traditioneller jüdischer wie pagan-antiker Ethik zu integrieren. Richtig beschrieben, aber zu wenig gewichtet wird die zu ethischem Verhalten motivierende Kraft der Apokalyptik. Bei den Haustafeln stellt J. einen Funktionswandel fest: Im Kolosser- und Epheserbrief sowie im 1. Clemensbrief (1Clem 1,3; 21,6–9) regulieren sie die Ethik, in den Pastoralbriefen (1Tim 3,1–13; 5,1–6,2; Tit 2,1–10) stärken sie die kirchliche hierarchische Struktur. Sobald diese feststeht, seien zu ihrer Etablierung christliche Haustafeln nicht mehr nötig; auch könnten sie kirchliche Autoritäten in Frage stellen (88). Das Zweiwegemotiv führt J. mit Recht auf Dtn 30,15 und Jer 21,8 zurück (89). Die markinische Verbindung von Jüngerschaftsmotiv und Kreuzestheologie findet er am ehesten in M.Pol 22,1 sowie EpPolyk 8,1 f.
Das Kapitel »Imagery of the New Testament Faith« (107–144) bietet eine Übersicht über nachweisbare bzw. zu vermutende Schriftzitate; J. informiert korrekt über den verschiedenen Grad an möglicher Gewissheit hinsichtlich einer literarischen Bezugnahme.
Das Kapitel »The Question of Christians as Jews« (145–179) thematisiert, ob sich die christlichen Autoren der jüdischen Wurzeln christlichen Glaubens bewusst sind oder nicht. Richtig wird die Prägung des 1. Clemensbriefes durch Standards und Traditionen des antiken Israel gesehen (164 f.). Bei Ignatius wie bei Markion von Sinope, aber auch im Barnabasbrief führt die paulinische Theologie der Gesetzesfreiheit zu einer nichtjüdischen Paulusdeutung. Ignatius bezieht Stellung gegen diejenigen, die das Christentum zu seinen jüdischen Wurzeln zurückführen wollen, während der Verfasser des Barnabasbriefes die Wurzeln für das jüdische Volk selbst als irrelevant zu erweisen sucht (169). Die Nähe zu Paulus sieht J. in der Bundestheologie, im häufigen Bezug auf Jesaja und in der Vorstellung, dass die Offenbarung Gottes von dem einen Volk auf das andere übergegangen sei (sic!, 170 f.; Röm 9–11 wird bei J. allerdings zu wenig gewichtet). Das »Martyrium des Polykarp« sei auch in seinem antijüdischen setting Vorbild für spätere christliche Märtyrerliteratur geworden (175; Belege wären hilfreich).
Im Kapitel »The Questions of Christians as Citizens« (181–210) diskutiert J. die doppelte Loyalitätsbindung der Christen sowohl an Gott und sein Gebot als auch an die römische Staatsmacht vornehmlich anhand des βασιλεία-Verständnisses. Mt 6,24; Joh 19,10 belegen Jesu Feindschaft gegenüber Rom und seinen Vasallen; in Mk 12,13–17 werde die Alternative zwischen dem wahren Gott und dem römischen Kaiserkult erörtert (190 f.; m. E. zu Unrecht). Röm 13,1–7 sei gerade in einem nach Rom gerichteten Brief nicht ohne Grund formuliert. 1Clem 60,4–61,3 sei von Röm 13,1–7 abhängig, die βασιλεία-Verwendung bei Ignatius und Polykarp ebenfalls von Paulus. Doch werde die Rolle des Christen in der göttlichen βασιλεία nicht deutlich. Die drei βασιλεία-Belege im Polykarp-Martyrium ergeben für J. nicht klar, ob jeweils dieselbe Realität gemeint ist. Im »Hirten des Hermas« konstatiert J. einen gespaltenen Gebrauch der βασιλεία-Terminologie: Zumeist werde das übliche βασιλεία-Konzept weitergetragen; im 9. Gleichnis (Kapitel 89 f.92 f.97) jedoch sei die βασιλεία mit der Kirche identisch. So würden die geforderten Qualifikationen kirchlicher Funktionsträger mit den Traditionen der ethischen βασιλεία-Anforderungen beschrieben (201 f.).
Im Kapitel »How Persons and Places Influence History« (211–246) versucht J., bestimmte Texte und ihre Autoren und Ideen mit bestimmten geographischen Regionen (Ägypten, Syrien, Kleinasien und Griechenland, Rom und Italien) zu verknüpfen. Der Schlussteil zeigt, dass J. mit einem literaturgeschichtlichen wie theologischen Kontinuum zwischen neutestamentlicher Literatur und der Literatur der Apostolischen Väter rechnet (252).
Das Buch hält zweifellos, und das ist zu begrüßen, die Frage nach dem Verhältnis der beiden im Titel genannten Schriftenkreise wach. Die Ergebnisse wären jedoch einzuzeichnen in eine um­fassende Literaturgeschichte der ersten Hälfte des 2. Jh.s. Ein literaturgeschichtliches wie theologisches Kontinuum zwischen den neutestamentlichen Schriften und den Apostolischen Vätern be­steht ja nur teilweise, wie denn von vornherein (nicht erst en passant: 62) die moderne Herkunft der Bezeichnung »Apostolische Väter« und die Problematik der Umfangsbestimmung klargelegt werden müsste. Bestimmte neutestamentliche Entwicklungslinien werden nicht bei den sog. Apostolischen Vätern weitergeführt, sondern jenseits dieser Grenzen (Gattungen wie Gleichnisse, Hymnen und Wundertexte werden, anders als J. (70) meint, kei­neswegs irrelevant, sondern z. B. im Thomasevangelium oder den Apos­telakten weiter verwendet), andere neutestamentliche Ent­wick­lungslinien werden speziell bei den Apostolischen Vätern nicht aufgenommen. Das wird bei J. nicht deutlich. So fehlen im Kapitel »The Question of Christians as Citizens« Hinweise auf Apk 13 ebenso wie auf 1Tim 2,1–4 und auf 1Pt 2,13–17 mit seiner Wirkungsgeschichte bei Justin. Zu Diogn 5 heißt es nur, dass der Christ als Bürger zweier Reiche gesehen wird (204 f.) – die Paradoxie christlicher Existenz als loyaler fremder Elite (Diogn 5,9 f.) wird nicht fruchtbar gemacht. Umgekehrt liegt ein Anachronismus in der Wertung von Did 16 vor, wenn J. meint, die Intensität und die kanonische Schlussstellung der Johannesoffenbarung sei in der Gestaltung von Did 16 reflektiert (79).
Fruchtbar ist allerdings der formgeschichtliche Ansatz. Insofern wird man sich von J. gern zur Rückfrage inspirieren lassen.