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Ausgabe:

Februar/2009

Spalte:

167-169

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Knoppers, Gary N., and Bernard M. Levinson [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Pentateuch as Torah. New Models for Understanding Its Promulgation and Acceptance.

Verlag:

Winona Lake: Eisenbrauns 2007. XVI, 352 S. gr.8°. Geb. US$ 49,50. ISBN 978-1-57506-140-5.

Rezensent:

Henning Graf Reventlow

Dieser Band ist eine Sammlung der Vorträge, die über biblisches und altorientalisches Recht auf dem Internationalen Treffen der Society of Biblical Literature 2006 in Edinburgh gehalten wurden. Die Absicht war es, die Verbreitung und Akzeptanz des Pentateuchs in der späten persischen und frühen hellenistischen Epoche zu erforschen (1). Der Sammelband ist nach den vier panels des Treffens gegliedert. Die von den beiden Herausgebern verfasste Einleitung (»How, When, Where and Why Did the Pentateuch Become the Torah?«, 1–19) bietet eine kurze Übersicht über den Inhalt der Beiträge.
Teil 1 »Ratifying Local Law Codes in an International Age« (21–141) wird von K. Schmid mit einem Überblick (23–38) über die Epoche des persischen Großreichs und seiner Oberherrschaft über das Gebiet von Judäa (und Samaria) eingeleitet. Er behandelt die von P. Frei (»Zentralgewalt und und Lokalautonomie im Achämenidenreich«, in: Ders./K. Koch, »Reichsidee und Reichsorganisation im Perserreich« [OBO 55] 1962, 5–131) aufgestellte Theorie, nach der die biblische Tora nicht ohne Anerkennung der Perser verbindliche Gültigkeit erlangt haben könne. Diese Hypothese wird nach an­fänglich verbreiteter Anerkennung inzwischen weithin skeptisch beurteilt. Nach S. ist aber mit der Autorisierung lokaler Rechtsordnungen durch örtliche Repräsentanten des Imperiums zu rechnen. Das gilt auch für die jüdische Tora. – D. M. Carr, »The Rise of Torah« (39–56), behandelt das Werden der Tora aus der allmählichen Verschriftlichung zu pädagogischen Zwecken hin zu einer verbindlichen Rechtsordnung, die auch in der jüdischen Diaspora Gültigkeit gewinnt. Insbesondere die Esra-Tradition wird hierfür in Anspruch genommen (die von Esra gesuchte persische Anerkennung befestigte die Tradition als »Gesetz«). – Nach A. C. Hagedorn, »Local Law in an Imperial Context. The Role of Torah in the (Imag­ined) Persian Period« (57–76), habe sich innerhalb des Imperiums in einem kolonialen Status auf lokaler Ebene eigenständiges Recht entwickeln können. Esra 7,25–26 (Parallelisierung zwischen dem Gesetz Gottes und dem Gesetz des Königs) weist auf ein friedliches Nebeneinander beider Systeme hin. – R. G. Kratz, »Temple and Torah: Reflections on the Legal Status of the Pentateuch between Elephantine and Qumran« (77–103), reflektiert die Entwicklung der Bedeutung des Pentateuchs als verbindlicher Tora im Judentum (81). Eckpunkte bilden die jüdische Kolonie von Elephantine (5. Jh. v. Chr.; in Kontakt zu den Jerusalemer Autoritäten) mit einem Tempel ohne belegbaren Torabesitz und Qumran in deren Vollbesitz, aber ohne Tempel. – G. N. Knoppers und P. B. Harvey jun., »The Pentateuch in Ancient Mediterranean Context: The Publication of Local Lawcodes« (105–141), berichten über die Publikation von Gesetzeskodizes im antiken Mittelmeerraum (Solons Reformen in Athen; Gortyn; das Zwölf-Tafel-Gesetz in Rom). Wichtig ist die Verbindung mit dem Kult (107), beachtlich die verhältnismäßig frühe Verwendung der Schrift für Gesetze. Im anschließenden Überblick über das Aufkommen schriftlicher Rechtsetzung in Juda und Sa­maria (129–139) wird vor allem auf Erkenntnislücken der Forschung hingewiesen. Eine Normativität ist nicht vor Josia feststellbar, reichlicher in der nachexilischen Literatur (Esr-Neh).
Teil 2 »Prophets, Polemics, and Publishers: The Growing Importance of Writing in Persian Period Judah« (143–184) eröffnet J.-L. Ska, »From History Writing to Library Building: The End of History and the Birth of the Book« (145–169). Statt der Abfassung »historischer« Erzählungen kam es nach Ska zum Konzept einer »idealen Geschichte« und zugleich zur Einrichtung von »Bibliotheken« und »Archiven« (darin rituelle, liturgische, rechtliche und erziehende Texte mit teils sakraler Bedeutung). In nachexilischer Zeit ist das geschriebene Buch stets die Tora. Im Unterschied zu altorientalischen Kodizes enthält sie sowohl eine ätiologische Geschichte als auch darin eingelagerte Serien von Gesetzen. Die Entstehung sei vermutlich mit der Gründung einer »Bibliothek« im nachexilischen Jerusalem verbunden. – E. Otto, »Scribal Scholarship in the Formation of Torah and Prophets: A Postexilic Scribal Debate between Priestly Scholarship and Literary Prophecy – The Example of the Book of Jeremiah and Its Relation to the Pentateuch« (171–184), vergleicht die Entstehung des Pentateuchs (im 5. Jh. v. Chr.), die er auf das aaronidische P (Gen 1–Ex 29) und das dtr Dtn verteilt, mit der Offenbarungshermeneutik des ebenfalls nachexilischen Jeremiabuches. Dessen prophetische These, das Lernen der Tora werde nicht mehr nötig sein, weil die Israeliten sie internalisieren werden (Jer 31,31–34), richtet sich gegen Dtn 1,12–13.
Teil 3 »The Torah as a Foundational Document in Judah and Samaria« (185–287) vergleicht die Bedeutung der Tora in den beiden nachexilischen Zentren des antiken Judentums. – C. Nihan, »The Torah between Samaria and Judah: Shechem and Gerizim in Deuteronomy and Joshua« (187–223), geht von der Erkenntnis aus, dass das sog. samaritanische Schisma nicht vor Ende des 2. Jh.s v. Chr. anzusetzen ist. Nihan sucht nachzuweisen, dass die Zeremonie von Jos 24 mit dem Abschluss eines post-priesterlichen Hexateuchs, Dtn 27 und die Anerkennung des Garizim im Zusammenhang mit der Redaktion des Pentateuchs zu sehen ist (213). – J. Schaper, »The ›Publication‹ of Legal Texts in Ancient Judah« (225–236), untersucht Vorgänge der Publikation von Texten anhand des in Dtn 1,5 und 27,3.8, gebrauchten Verbs b’r. Ein Vergleich mit akk. bârum ergibt, dass es sich um die Inkraftsetzung eines vorgegebenen (hier: des folgenden dtn) Gesetzes durch schriftliche Kodifizierung handelt (vgl. Braulik/Lohfink, FS Weimar). Hab 2,2 (dasselbe Verb) meint die Inkraftsetzung eines prophetischen Orakels durch Niederschrift. – R. Pummer, »The Samaritans and Their Pentateuch« (237–269), untersucht das Problem, wie es zu einer Übernahme des jüdischen Pentateuchs als alleiniger heiliger Schrift der Samaritaner gekommen ist (das Gebiet des ehemaligen Nordreichs ist niemals von Anhängern des JHWH-Glaubens entvölkert worden). Eine Trennung erfolgte erst um die Wende vom 2. zum 1. Jh. v. Chr. nach der Zerstörung des Garizim-Tempels durch Johannes Hyrcanus.
Teil 4 »The Translation, Interpretation, and Application of the Torah in Early Jewish Literature« (271–331) beginnt mit S. Grätz, »The Second Temple and the Legal Status of the Torah: The Hermeneutics of the Torah in the Books of Ruth and Ezra« (273–287): 1. Das Mischehenverbot in Esr 9–10 wird in Esr 10,3 durch den Bezug auf die Tora begründet. Grätz findet im Begriff der »Trennung« An­klänge an das Heiligkeitsgesetz (Lev 20,24–26; vgl. auch Gen 1,4). 2. Das Buch Ruth beweise, dass eine durch die Perser erlassene Verpflichtung auf die Tora nie existiert hat, da es ein ganz anderes Verhältnis zur Tora zeige als die Esra-Erzählungen. – A. van der Kooij, »The Septuagint of the Pentateuch and Ptolemaic Rule« (289–300), stellt die Frage nach dem Grund der Übersetzung des Pentateuchs ins Griechische neu. Er präsentiert vier mögliche Hypothesen: 1. Jü­dische Führer in Jerusalem hätten die Übersetzung zu Erziehungszwecken veranlasst. 2. Der ptolemäische Hof habe die Übersetzung initiiert. 3. Priester in Jerusalem hätten die Übersetzung zu eigenem Prestigegewinn in Gang gebracht. 4. Nach dem Aristeasbrief und Aristobul habe Demetrius von Phaleron ein griechisches Exemplar der Tora in der königlichen Bibliothek in Alexandria haben wollen. Van der Kooij hält diese Lösung für am wahrscheinlichsten. – S. W. Crawford, »The Use of the Pentateuch in the Temple Scroll and the Damascus Document in the Second Century B.C.E.« (301–317): Wie für das gesamte Judentum zwischen 200 v. und 70 n. Chr. war die Tora auch in Qumran als Basis für gemeindliches und rituelles Leben anerkannt. Eine proto-rabbinische und eine prä-samaritanische Textgruppe stehen nebeneinander. Die Tempelrolle (Textumfang Ex 34 bis Dtn 23) fügt ihre Anliegen in den Toratext ein und bezeichnet sich als von Mose offenbart. Das Damaskus-Dokument stellt sich nicht als biblische Schrift, aber als göttlich offenbart vor. Beide Schriftzeugnisse stammen aus priesterlich-levitischen Kreisen. – In seinem Beitrag »The Torah as the Rhetoric of Priesthood« (319–331) weist J. W. Watts in Anknüpfung an seine Bücher über Rhetorik als tragendes Element des Pentateuchs auf die Priesterschaften am Jerusalemer und Samaritaner Tempel als die eigentlichen Urheber der Autorität der Tora hin. Statt auf die Verbindung zum Tempel sollte man mehr auf den Zusammenhang von Tora und Priestertum achten: »I turn therefore to a different, more secular standard for evaluating the priest’s effectiveness, the practical effects of their rule« (328). Dann lassen sich eine Menge Verdienste der Priester in Juda und Samaria aufzeigen: Die Rettung nach der Katastrophe von 586 v. Chr. und der Wiederaufbau des Judentums in den folgenden Jahrhunderten usw. – Im Ganzen liegt ein gut informierender Band über die Bedeutung der Tora in später Zeit vor.