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Ausgabe:

Januar/2009

Spalte:

124-126

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Nitsche, Bernhard

Titel/Untertitel:

Gott und Freiheit. Skizzen zur trinitarischen Gotteslehre.

Verlag:

Regensburg: Pustet 2008. 261 S. gr.8° = ratio fidei, 34. Kart. EUR 34,90. ISBN 978-3-7917-2098-2.

Rezensent:

Malte Dominik Krüger

Die Studie ist die überarbeitete Fassung des ersten Teils einer an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen an­genommenen Habilitationsschrift. Sie stellt einen Diskussionsbeitrag zur Renaissance der Trinitätslehre dar, wie sie gegenwärtig in der griechisch-ostkirchlichen und in der lateinisch-westkirchlichen Theologie erfolgt. Angesichts der mit diesen Traditionen verbundenen Differenzen plädiert N. für einen trinitätstheologischen Vermittlungsvorschlag, der auch für das christlich-jüdische Gespräch fruchtbar sein will. Dabei erhält N.s Studie besonderes Gewicht durch das Geleitwort seines »Habilitationsvaters« (5) Bernd Jochen Hilberath: Dieser bescheinigt seinem Schüler eine Affinität zum Denken Karl Rahners, Richard Schaefflers und Jürgen Moltmanns.
Wie diese Referenzen andeuten, zeichnet sich N.s Studie durch philosophischen und theologischen Eros aus. Entsprechend klärt das erste Kapitel (17–62), wie unter endlichen Bedingungen überhaupt von Gott geredet werden kann. Gegen die Annahme der Einsinnigkeit der Gottesprädikate und Allgemeinbegriffe (»Univozität«) einerseits und ihrer Verschiedensinnigkeit (»Äquivozität«) andererseits votiert N. aus sprachphilosophischen Gründen für die analoge Gottesrede. In dem Sinn lässt sich nach N. die Formel des Lateranense regulativ interpretieren: Dass das Verhältnis von Gott und Mensch inmitten noch so großer Ähnlichkeit von noch größerer Unähnlichkeit geprägt ist, drückt keine letzte, kategoriale Un­sagbarkeit Gottes aus. Vielmehr wird dadurch die Unangemessenheit menschlicher Gottesrede deutlich: Die begriffliche Erfassung Gottes weist über sich selbst hinaus. Der Gottesgedanke ist daher nicht als reine Theorie, sondern unter dem Vorrang der Praxis zu verstehen. Letzteres wird besonders dann plausibel, wenn man die Formel des Lateranense im Licht der soteriologisch-praktischen Ausrichtung der griechischen Patristik und ihres Negationsgebrauchs begreift.
Diese Sensibilität für die griechische Patristik zeichnet auch das zweite Kapitel (63–140) aus. Es geht der Frage nach, wie von den Anfängen bis in die unmittelbare Gegenwart in der griechisch-ostkirchlichen und in der lateinisch-westkirchlichen Theologie vom trinitarischen Gott geredet wird. In wichtigen Einzelinterpretationen zeichnet N. die beiden Traditionslinien nach und würdigt auffälligerweise die Patrozentrik der griechisch-ostkirchlichen Tradition. Gegen prominente Kritik, wie sie etwa Dorothea Wendebourg vorträgt (vgl. 78), betont N. die Tragfähigkeit und Konsistenz der biblischen und altkirchlichen Patrozentrik (vgl. zur Kritik der entsprechenden Athanasius-Deutung von Wolfhart Pannenberg: 176. 218, Anm. 590). Während die westkirchliche Denkweise essentialistisch die Einheit Gottes betont, eröffnet die heilsgeschichtlich-patrozentrische Trinitätslehre mit ihrem dezidiert personalen Ansatz auch Möglichkeiten zur Verständigung im jüdisch-christlichen Gespräch.
In diesem Sinn unternimmt es das dritte Kapitel (141–164), die christliche Trinitätslehre und jüdische Theologie ins Verhältnis zu setzen. Im Anschluss an Überlegungen Berthold Klapperts und in Auseinandersetzung mit der Kabbala plädiert N. dafür, das Tetragramm JHWH als Inbegriff göttlicher Instanzen zu lesen. Die christliche Trinitätslehre könne von der Kabbala lernen, Gottes heilsgeschichtliche Nähe im Sinn der Selbstvorstellungsformel von Ex 3,14 zu begreifen. Insofern ist die Trinitätslehre weder eine biblisch unzulässige noch eine jüdisch illegitime Traditionsbildung.
Vor dem damit erarbeiteten Hintergrund bietet das vierte Kapitel (165–243) systematisch N.s Trinitätstheologie: Im Rahmen eines transzendentalen Ansatzes lässt der praktische Vollzug menschlicher Freiheit auf die Idee vollkommener Freiheit schließen. So kann Gott als ursprüngliche Freiheit bestimmt werden, die mit der Hypostase des Vaters zu identifizieren ist. Als ursprungsloser Ursprung bringt der Vater den Sohn und Geist hervor. Damit plädiert N. ausdrücklich für eine besonders der griechisch-ostkirchlichen Theologie vertraute Ursprungslogik. Diese Ursprungslogik (»Konstitutionsebene«) will N. im Anschluss an Jürgen Moltmann durch eine Beziehungslogik (»Relationsebene«) ergänzt wissen, die den wechselseitigen Bezug der Hypostasen aufeinander ausdrückt. So kann N. von einem »Kommerzium freier Träger des göttlichen Lebens« (191 ff.) sprechen. Die drei Hypostasen fungieren dabei sowohl als Träger der jeweiligen Eigentümlichkeit als auch ihrer relationalen Gemeinsamkeit. Ob diese Träger als Personen, Instanzen oder Aktivitätszentren zu bezeichnen sind, ist für N. sekundär (237, Anm. 642). Für ihn ist vielmehr maßgeblich, die biblische Patrozentrik der kappadokischen Väter transzendentallogisch und freiheitstheoretisch einzuholen.
Bilanzierend kann festgehalten werden: N. legt eine gut lesbare, anspruchsvolle und provokative Interpretation vor, die einen we­sentlichen Beitrag zur gegenwärtigen Renaissance der Trinitätslehre darstellt. Man wird gut daran tun, diesen Beitrag wahrzunehmen: Die Einzelanalysen und die Gesamtdeutung dürften die Dis­kussion nachhaltig anregen. Ein Namen- und ein Sachregister wären für die Rezeption eine Hilfe gewesen.